Forschung

Faszination Licht: Wie sich mit Hilfe der Interferometrie kleinste Größen präzise messen lassen

Bei einem internationalen wissenschaftlichen Symposium an der TU Ilmenau kommen am 15. April 2024 anlässlich des Welttags der Interferometrie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus aller Welt zusammen, um ihre Begeisterung für die Interferometrie und neueste Erkenntnisse in der Präzisionsmesstechnik miteinander zu teilen. Mehr als jede andere Technologie verkörpert die Erfindung des Laser-Interferometers durch Albert Abraham Michelson vor über 140 Jahren die Kunst, außergewöhnlich kleine Größen auf der Basis von Licht hochpräzise zu messen. Wir haben mit Prof. Eberhard Manske, Leiter des Instituts für Prozessmess- und Sensortechnik, über den Gedanken hinter dem Welttag, seine Faszination für die Interferometrie und aktuelle Forschungen an der TU Ilmenau gesprochen.

TU Ilmenau/Michael Reichel
Die in Ilmenau von einem Forschungsteam um Prof. Eberhard Manske auf Basis der Interferometrie entwickelten Nanopositionier- und Nanomessmaschinen erreichen in einem Messbereich von 200 Millimetern eine Auflösung von nur 20 Pikometern.

Um an die bahnbrechende Erfindung des Interferometers zu erinnern, haben Sie 2021 gemeinsam mit dem Geschäftsführer der SIOS Meßtechnik GmbH, Dr. Denis Dontsov, den World Interferometry Day ins Leben gerufen. Was genau versteht man überhaupt unter Interferometrie?

Interferenz heißt ganz banal Überlagerung, im Fall der Physik meint es die Überlagerung von Wellen. Das bedeutet, dass sich die Wellen in bestimmten Bereichen verstärken oder auslöschen. Dieser Effekt tritt bei allen Arten von Wellen auf, zum Beispiel auch bei Schallwellen oder Gravitationswellen.

Wir kennen das von Wasserwellen: Die ringförmigen Wellen von zwei ins Wasser geworfenen Steinen überlagern sich, so dass dort, wo eigentlich ein Wellenberg auf dem Wasser sein müsste, die Welle auf einmal ausgelöscht ist. Es entstehen interessante „Interferenzmuster“. Interferometrie ist schließlich eine Messmethode, die das Phänomen der Interferenz von Wellen technisch nutzt.

Wie kann ich mir dieses Phänomen bei Lichtwellen vorstellen?

Genau wie bei den Wasserwellen funktioniert das auch mit Licht. Wenn ich das Licht von zwei Lichtwellen überlagere, ist es an bestimmten Stellen auf einmal dunkel. Das ist Interferenz. Damit kann man sehr viele schöne Effekte erzielen, winzige Details untersuchen und kleinste Abstände, Längen oder Wegänderungen messen, die wir mit bloßem Auge nicht sehen können. Während man bei Wasserwellen von Wellenlängen von mehreren Zentimetern oder Metern spricht, haben wir es bei Lichtwellen mit Wellenlängen von wenigen Hundert Nanometern zu tun – und damit ist man automatisch im Präzisionsmessbereich, das heißt im Nanometerbereich von einem Millionstel von einem Millimeter.

Was genau können Sie mit Hilfe solcher Licht- oder Laserinterferenzen untersuchen und messen?

Innovative Laser-Interferometer werden zum Beispiel verwendet, um Längen, Winkel, Schwingungen, aber auch Temperaturen, Geschwindigkeiten und Kräfte zu messen – also verschiedenste physikalische Größen.

Was fasziniert Sie persönlich an dieser Technologie?

Physik hat mich schon in der Schule interessiert und später auch im Studium an der TU Ilmenau fasziniert. Schon in meiner Diplomarbeit habe ich mich mit der Interferometrie beschäftigt, und seitdem hat sie mich nicht losgelassen – über die Promotion und die Habilitation bis hin zu vielen Forschungsprojekten und unseren Nanomessmaschinen, die wir immer weiterentwickeln. Der Physik sind da keine Grenzen gesetzt. Aber auch der bloße Anblick von Interferenzen ist einfach faszinierend: einmal angeschaut, lassen sie einen nicht wieder los.

Auch die Natur bedient sich der Interferenz: Die schillernden Farben im Tier- und Pflanzenreich, zum Beispiel des Kolibris oder mancher Insekten und Schmetterlinge, sind auf Interferenzen zurückzuführen. In der Musik entsteht der Klang erst durch die Interferenz verschiedener Schallwellen. Wenn zum Beispiel zwei Töne mit annähernd gleicher Frequenz zusammen erklingen, schwillt die Lautstärke periodisch an und ab. Es ist jedoch nur ein Ton zu hören, der pulsiert. Ein Effekt, der auf Giuseppe Tartini zurückgeht und viele Komponisten zu interessanten Schöpfungen inspirierte. Aber auch in der Kunst wird die Überlagerung von Linien oder Punkten als äußerst dekoratives Ausdrucksmittel verwendet. Manche Brücke ist aufgrund von Interferenzen schon eingestürzt.

Was war Ihr Gedanke hinter der Initiative des World Interferometry Days?

Mit dem Welttag wollen wir an die faszinierende Physik hinter der Interferometrie, die hervorragende Leistung Michelsons und seine großartige Erfindung des Interferometers erinnern und sie einem breiten Publikum näherbringen, das heißt Wissenschaftlern, Studierenden, Schülern, aber auch der interessierten Öffentlichkeit – ob in einer Vorlesung an einer Universität in Iowa, im Physikunterricht in Taiwan, in Forschungseinrichtungen in Europa oder Firmen in Deutschland. Selbst Kindern kann man das Thema anhand von Seifenblasen erklären, deren schillernde Farben durch Interferenzen an der Seifenhaut entstehen.

Die Resonanz auf den ersten Welttag der Interferometrie war groß.

Ja, schon im ersten Jahr haben wir mit dieser Idee großen Anklang gefunden. Die erste Rückmeldung kam von Andreas Kaufer, dem Dirketor des Paranal Observatory in Chile, wo das Very Large Telescope, also das Großteleskop von Europas Astronomieorganisation ESO steht: „Grandiose Idee! Wann soll es losgehen?“ Die zweite kam von einem der Chefentwickler von Zygo. Wir hatten Zuspruch aus Japan, den USA und vielen anderen Ländern. Da wussten wir: Wir sind auf dem richtigen Weg. Dieses Jahr wird zum Beispiel auch bei der SPIE Photonics Europe Konferenz vom 7. bis 11. April in Straßburg eine eigene Session zur Interferometrie veranstaltet, die ich mitgestalten werde.

Noch heute, über 140 Jahre nach Albert Abraham Michelson, basieren zahlreiche Entwicklungen auf der Laser-Interferometrie. In welchen Anwendungen begegnet uns die Interferometrie im Alltag?

Die Interferometrie ist ein ausgesprochenes Präzisionsmessverfahren, das zum Beispiel überall dort zum Einsatz kommt, wo Präzision in der Fertigung benötigt wird, zum Beispiel in der Halbleiterindustrie zur Herstellung von Computer-Chips, die sich in jedem Rechner, in jedem Smartphone und immer mehr technischen oder Haushalts-Geräten befinden.

Derartig hochpräzise Fertigungsverfahren sind nur mit Laserinterferometern realisierbar. Automatisierungsanlagen zur Präzisionsfertigung müssen regelmäßig mit Hilfe von Laserinterferometern kalibriert und überprüft werden. Die Luft- und Raumfahrt profitiert genauso von der Genauigkeit der Laserinterferometrie wie Koordinatenmessgeräte oder Fertigungsanlagen für große LCD-Bildschirme.

Die Interferometrie an ihre Grenzen zu bringen und sie zu immer neuen Höhen herauszufordern - das ist auch Ihr Credo am Institut für Prozessmess- und Sensortechnik der TU Ilmenau. Seit rund 60 Jahren wird dort unter anderem an immer präziseren Messmethoden bis hin zu Nanopositionier- und Nanomessmaschinen geforscht, die auf den Billionstel Meter genau messen können. Was sind die besonderen Herausforderungen dabei?

Als ich 1977 an die Uni gekommen bin, haben wir mit relativ einfachen Hilfsmitteln angefangen. Schon mit einem Heliumneonlaser, ein paar optischen Bauelementen und einem Photoempfänger kann man Interferenzen sichtbar machen und messen. Doch je mehr man in die Technik einsteigt, desto komplexer wird sie. Damals hatten wir eine Auflösung, also kleinste messbare Schritte von 80 Nanometern. Heute sind wir bei 20 Pikometern, das sind 20 Milliardstel Millimeter. Wir haben also die Auflösung um den Faktor 4000 verbessert. Da nehmen die Ansprüche natürlich in allen Richtungen zu, seien es Erschütterungen, die wir verhindern müssen, akustische Störungen, die isoliert werden müssen. Aber auch der Luftdruck und der CO2-Gehalt der Luft müssen berücksichtigt werden. Je tiefer man in die Materie einsteigt, desto genauer muss man all diese Fehlerkomponenten berücksichtigen, kompensieren, korrigieren und neue Verfahren entwickeln.

Mit welchen Forschungen beschäftigen Sie sich aktuell?

Das ist eine Mischung aus kontinuierlicher Entwicklung, das heißt die Dinge langsam immer besser zu machen, und disruptiven Ansätzen. So haben wir zum Beispiel mit Hilfe der Frequenzkammtechologie die Frequenz, das heißt die Präzision der Laser vor einigen Jahren um den Faktor 1000 verbessert, vier Jahre später nochmal um den Faktor 1000. Und in den letzten Jahren haben wir die Brechzahlmessung und -korrektur ebenfalls um den Faktor 1000 verbessert. Auch unsere Nanomessmaschine hatten wir zunächst für einen relativ kleinen Messbereich, das heißt 25 Millimeter, entwickelt. Diesen haben wir im Laufe der Zeit auf 200 Millimeter erweitert und arbeiten aktuell an einer Maschine mit einem Messebereich von einem Meter bei gleichbleibender Messgenauigkeit. Dabei müssen wir wieder alles neu denken. Zum Beispiel wiegt der Spiegel von 1 Meter mal 1 Meter, den wir für diese Nanomessmaschine benötigen, ca. 500 Kilogramm. Das heißt hier geht es vor allem um die Frage, wie wir diesen Spiegel mit Hilfe zusätzlicher Messtechnik dünner und extrem viel leichter machen können, um trotzdem mit Nanometer-Genauigkeit messen zu können.

Können auch Studierende an der TU Ilmenau an diesen Themen mitforschen?

Die interferometrischen Lösungen werden immer komplexer und da müssen wir unheimlich viele Teilkomponenten untersuchen. Deshalb sind bei allen Forschungen von Anfang an immer studentische Arbeiten mit eingeplant, in denen die Studierenden kleine Teilaufgaben lösen können, zum Beispiel auch als studentische Hilfskräfte – sei es ein Softwaremodul, das sie schreiben, oder eine Konstruktion, die sie anfertigen. Wenn das dann am Ende funktioniert, ist das immer wieder ein Erfolgserlebnis für die Studierenden.

Wobei ja selbst Michelsons erster Versuch nicht geklappt hat. Das heißt naja, geklappt hat er schon, nur das Interferometer zeigte nichts an. Durch dieses bis heute berühmteste „Null-Experiment“ schlussfolgerte Michelson, dass die bisherige Theorie des „Lichtäthers“ falsch sein musste. Das war ein phänomenales, einzigartiges Ergebnis Deshalb sage ich auch immer meinen Studierenden: Wenn Sie den Stecker des Geräts in die Dose stecken und es passiert nichts, dann überlegen Sie erst einmal: Wo steckt der Fehler? Dann kommen Sie vielleicht wie Michelson zu der Erkenntnis: Meine Technik ist richtig, aber die Theorie ist falsch.

Welche Themen rund um die Interferometrie stehen im Zentrum des internationalen Symposiums am 15. April, und an wen richtet sich die Veranstaltung?

Eingeladen sind Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, Studierende und Unternehmensvertreter, aber auch die interessierte Öffentlichkeit. Denn es wird viele spannende Vorträge geben. So wird zum Beispiel Peter de Groot, ein international renommierter Fachmann von der Firma Zygo-Ametek aus den USA gleich zu Beginn ein Feuerwerk von Geschichten zur turbulenten Historie der Interferometrie und der Präzision der Interferometer ablassen. Aber es gibt auch einen Vortrag von Andrew Yacoot vom National Physical Laboratory in Großbritannien, dem weltführenden Experten auf dem Gebiet der Röntgenstrahlen-Interferometerie. Jochen Hetzler von der Carl Zeiss SMT GmbH, die mit ihrem Know-how in Schlüsselprozessen für die Herstellung von Mikrochips in der Halleiterindustrie ebenfalls weltweit führend ist, wird über die so genannte Pikometer-Interferometrie sprechen. Aber auch Vertreter und Vertreterinnen führender Forschungsinstitute in Finnland, Österreich und Deutschlands werden spannende Vorträge halten. Die thematische Bandbreite ist auch dieses Jahr wieder groß. 

Einige Tage vor dem Symposium, am 10. April, öffnen Sie Ihre Labore auch für Besucher*innen aus der Region. Worauf dürfen sie sich freuen?

An der TU Ilmenau werden wir den Welttag der Interferometrie am 10. April 2024 mit vielfältigen Aktivitäten vor und im Ernst-Abbe-Zentrum auf dem Unicampus begehen. Ab 18 Uhr wird es neben Experimenten zum Thema Interferometrie auch eine kleine Ausstellung zur „Interferometrie in der Kunst“ geben, die dann ab Mai auch in erweiterter Form in der Universitätsbibliothek zu sehen sein wird. Die Besucherinnen und Besucher können außerdem die Nanomessmaschine besuchen. Den Abschluss der Veranstaltung bildet eine erneuerte und erweiterte Laserbaem Show. Die Teilnahme ist ebenso wie der Besuch des Symposiums im Faraday-Hörsaal am 15. April kostenfrei.

Wir freuen uns darauf, mit den diesjährigen Aktivitäten die wissenschaftliche Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Interferometrie und der Präzisionsmesstechnik weiter zu stärken und rufen alle dazu auf, sich vielfältig zu beteiligen, damit wir das Thema gemeinsam einem breiten Publikum näherbringen können.

 

Über das Michelson Interferometer

Das nach dem Physiker Albert A. Michelson benannte Messgerät wurde 1881 durch das in Berlin und Potsdam durchgeführte Michelson-Morley-Experiment bekannt. Ziel des Experiments war es, die Existenz von Äther nachzuweisen. Nach dem damaligen Stand der Forschung war der Äther das Trägermedium, das für die Ausbreitung des Lichts verantwortlich war. Nach einem gescheiterten Versuch in Berlin, der durch den starken Verkehr erheblich beeinträchtigt wurde, wurde die Messapparatur in die Sternwarte nach Potsdam verlegt und die Messreihe vom 5. bis 15. April 1881 fortgesetzt.

Die Ergebnisse des Experiments wurden im American Journal of Science veröffentlicht, und die messtechnische Anordnung, die Michelson bei seinen Experimenten verwendete, ist seitdem nach ihm benannt. Michelsons Experimente brachten nicht die erwarteten Ergebnisse, da die Annahme eines frei durch feste Materie fließenden Äthers nicht zutraf und die erwarteten Veränderungen des Interferenzmusters bei der Drehung des Messgerätes nicht auftraten.

Die richtigen Interpretationen lieferte 1905 Albert Einstein mit seiner Relativitätstheorie, deren wichtige Grundlagen die Beobachtungen des oben beschriebenen Michelson-Experiments sind. Albert A. Michelson erhielt für seine Arbeit 1907 einen Nobelpreis und Tausende von Menschen auf der ganzen Welt verwenden Messgeräte zur Messung von Längen, Winkeln, Geradheit und Schwingungen, deren Messanordnung als "Michelson" bekannt ist.

Weitere Informationen zu den Veranstaltungen am Welttag der Interferometrie: www.world-interferometry-day.com.

Prof. Dr. Eberhard Manske

Leiter des Instituts für Prozessmess- und Sensortechnik