Forscher machen Batterien effizienter

Interview mit Wissenschaftler Michael Stich über die Forschung an Lithium-Ionen-Batterien | November 2021

Ob im Handy-Akku oder im Elektroauto: Effiziente und lang anhaltende Batterien sind eine wichtige Komponente für eine gelungene Energiewende. Ein neues Forschungsprojekt der Technischen Universität Ilmenau will es ermöglichen, Lithium-Ionen-Batterien nicht nur schneller und effizienter zu laden, sondern auch für eine längere Lebensdauer und eine kostengünstigere Herstellung der Batterien zu sorgen. Das auf drei Jahre angesetzte Forschungsprojekt in Kooperation mit der Universität Marburg wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft mit 324 000 Euro gefördert. Dr. Michael Stich vom Fachgebiet Elektrochemie und Galvanotechnik erklärt im Interview, wie die Forscher die Batterien verbessern wollen.
 

Fotostudio AnLi
Dr.-Ing. Michael Stich, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fachgebiet Elektrochemie und Galvanotechnik der TU Ilmenau

Guten Tag Herr Dr. Stich, Sie erforschen aktuell Lithium-Ionen-Batterien. Wie funktioniert eine Lithium-Ionen-Batterie?

Wie auch bei anderen Batterien wird die Energie in Lithium-Ionen-Batterien chemisch gespeichert. Die Lithium-Ionen befinden sich im geladenen Zustand in einer der beiden Elektroden. Beim Entladen bewegen sich diese durch den Elektrolyten hin zu der anderen Elektrode und werden dann dort eingelagert. Es findet ein Ladungsträgeraustausch statt, der in einem nutzbaren elektrischen Strom resultiert.

 

Wo werden diese Batterien eingesetzt?

Die Lithium-Ionen-Batterien wurden schon in den 1990er-Jahren kommerzialisiert. Man hat die ersten Lithium-Ionen-Batterien damals für den Betrieb von Videokameras eingesetzt. Inzwischen sind sie der Standard für Handy-Akkus und Laptopbatterien geworden. Der nächste große Schritt war ihr Einsatz in der Elektromobilität. Nahezu alle heutigen Elektroautos basieren auf Lithium-Ionen-Batterien als Energiespeicher. Auch werden für die stationäre Speicherung von regenerativen Energiequellen wie Wind oder Sonne vermehrt Lithium-Ionen-Batterien eingesetzt.

 

Was kann man unter einer stationären Speicherung verstehen?

Aufgrund des Wandels unserer Energieversorgung müssen immer mehr fluktuierende Energieträger wie Sonnen- oder Windenergie in Stromnetze eingespeist werden. Es besteht die Notwendigkeit, dass man diese Energie dann speichert, wenn sie gerade zur Verfügung steht und später – wenn gerade Energiemangel herrscht – aus Energiespeichern entnimmt. Lithium-Ionen-Batterien werden zu dieser Zwischenspeicherung eingesetzt.

 

Wie sieht eine solche Batterie aus?

Lithium-Ionen-Batterien gibt es in allen Formen und Größen. Diejenigen, die im Handy-Akku verbaut sind, ist meist klein und rechteckig. In älteren Laptops wurde Zusammenschaltungen mehrerer Zellen im Rundzellenformat eingebaut. Dieses Format ähnelt handelsüblichen Batterien, die man zum Beispiel für die Fernbedienung verwendet.

 

Fallen die Batterien, die in der Elektromobilität eingesetzt werden, dementsprechend größer aus?

Ja. Batteriepacks in Elektroautos setzen sich aus vielen Einzelzellen zusammen. Die große Herausforderung ist, dass man große Mengen an Energie bei kleinem Volumen und geringem Gewicht speichern möchte. Wenn man sich heutige Elektroautos anschaut, werden hier Batteriepacks verbaut, die bis zu 500 Kilogramm schwer sind. Natürlich versucht die Industrie, dieses Gewicht zu reduzieren. Zum anderen will man die Reichweite der Autos steigern, um sie für Kunden attraktiver zu machen und ihre Akzeptanz in der Gesellschaft zu erhöhen. Viele entscheiden sich heute noch nicht für ein E-Auto, weil dessen Reichweite begrenzt ist und Ladesäulen nicht überall zur Verfügung stehen. Lange haltbare Lithium-Ionen-Batterien können ebenfalls zur Akzeptanz von Elektroautomobilen beitragen.

 

Wie viele solcher Batterien kommen in einem E-Auto zum Einsatz?

Wenn man sich zum Beispiel ein Tesla-Modell anschaut, werden hier Rundzellen verbaut, die in sogenannten Modulen zusammengeschaltet werden. Mehrere Tausend solcher Zellen kommen in einem Auto zum Einsatz. Diese können Reichweiten von teils über 500 Kilometern erreichen. Bei vielen europäischen Herstellern fallen diese Zellen deutlich größer aus und sind in einem prismatischen Format.

 

Wie lange hält eine solche Batterie im Schnitt?

Das kommt darauf an, welche Chemie darin verwendet wird. Wenn wir von einem Handy-Akku reden, dann sind das nur wenige Jahre. Im Alltag merkt man das, wenn der Handy-Akku schnell leer wird. In der Elektromobilität ist die Haltbarkeit der Lithium-Ionen-Akkus deutlich länger. Das liegt an der veränderten Chemie, die dort eingesetzt wird wie auch an dem besseren thermischen Management. Dort haben Kunden eine Garantie von etwa acht Jahren, in denen die Batterie maximal 20 Prozent ihrer Kapazität verlieren darf.

 

In Ihrem Forschungsprojekt wollen Sie die Haltbarkeit der Batterien verlängern. Welche Werte streben Sie an?

Da wir in diesem DFG-Projekt Grundlagenforschung betreiben, liegt unser Fokus darauf, das Verhalten der Passivierungsschicht besser zu verstehen. Damit wollen wir wertvolle Hinweise an Forschung und Industrie geben können. Wir haben keine konkreten Zielvorgaben, um wie viel Prozent die Haltbarkeit verbessert wird.

 

Warum konzentrieren Sie sich bei Ihrer Forschung auf die Passivierungsschicht?

Schaut man sich ältere Batterietypen an, haben diese eine Spannung von ein bis zwei Volt. Die Spannung einer Lithium-Ionen-Batterie hingegen ist deutlich höher und liegt bei knapp vier Volt. In Lithium-Ionen-Batterien gibt es eine Flüssigkeit, den so genannten Elektrolyten, der bei diesen hohen Spannungen nicht mehr stabil ist. Die Flüssigkeit beginnt sich langsam zu zersetzen. Ohne einen Schutzmechanismus würde die Batterie schon nach ein paar Aufladungen und Entladungen nicht mehr funktionieren. Hier kommt die Passivierungsschicht zum Einsatz. Diese stabile, nur wenige Nanometer dünne Schicht, verhindert die Zersetzung.

Die Herstellung dieser Schicht ist jedoch industriell aufwändig. Man baut die Zelle zusammen, füllt dann den Elektrolyten ein und braucht man eine sehr lange Zeit, um die Passivierungsschicht über einen elektrochemischen Formierungsprozess zu bilden. Die lange Formierungsdauer ist ein Kostentreiber. Wir versuchen deshalb Wege zu finden, wie wir diese Schicht (engl: solid electrolyte interphase) verbessern können. Sie soll einerseits stabiler, aber auch schneller hergestellt werden, um Kosten zu sparen. Die Batterie hält dadurch im Ergebnis länger und wird günstiger.

 

Wie wollen Sie diese Schicht stabiler machen?

Bei den aktuellen Lithium-Ionen-Batterien gibt es noch ein ungelöstes Problem: Die Passivierungsschicht wird zwar gebildet und zögert die Alterung der Batterien hinaus, aber dennoch ist sie nicht perfekt. Wenn eine Lithium-Ionen-Batterie altert, liegt das zu einem Großteil auch daran, dass diese Schicht immer weiter wächst während sich der Elektrolyt langsam, aber kontinuierlich zersetzt. Hier greift unser Forschungsprojekt an. Wir untersuchen unterschiedliche Bildungsbedingungen und Additive und beobachten, wie sich diese auf die Passivierungsschicht auswirken und wie der Ladungsträgertransport in der Schicht beeinflusst werden kann.

 

Wie gehen Sie dabei in Ihrer Forschung vor und mit welchen Herausforderungen ist Ihre Arbeit verbunden?

Da die Passivierungsschicht nur wenige Nanometer dick ist, ist es eine große Herausforderung, diese tatsächlich auch sichtbar zu machen, um sie zu analysieren. Dafür werden so genannte in-situ Techniken eingesetzt, die es uns ermöglichen, direkt während des Betriebs in die Lithium-Ionen-Batterie hineinzuschauen und die Passivierungsschicht bei deren Bildung zu beobachten. Die Rasterkraftmikroskopie (AFM) gehört zu einer der geeigneten Methoden, die wir in diesem DFG-Projekt einsetzen werden. Dieses Verfahren ist jedoch im in-situ Betrieb eine messtechnische Herausforderung. Als Resultat des Forschungsprojektes erhoffen wir uns Aufschluss darüber geben zu können, aus welchen Komponenten sich die Passivierungsschicht zusammensetzt und wie die Leitfähigkeit für Lithium-Ionen exakt zu Stande kommt.

 

Sie arbeiten im Projekt mit der Universität Marburg zusammen. Auf welche Schwerpunkte konzentriert sich die TU Ilmenau?

Die Wissenschaftler der TU Ilmenau fokussieren sich insbesondere auf zwei Untersuchungsmethoden: Die eben erwähnte Rasterkraftmikroskopie (AFM) sowie die elektrochemische Quarzmikrowaage. Mit dieser können wir verschiedene Eigenschaften der Passivierungsschicht, wie zum Beispiel deren viskoelastisches Verhalten und indirekt deren Dicke, bestimmen. An der Universität in Marburg werden ergänzende Untersuchungsmethoden, wie z.B. Messungen mit dem Rastertransmissionselektronenmikroskop und die elektrochemische Impedanzspektroskopie, eingesetzt.

 

Im Zuge der Energiewende kann man mit mehr Elektroautos im Straßenverkehr in den nächsten Jahren rechnen. Reicht der Rohstoff Lithium aus, um genügend solcher Autos zu produzieren?

Lithium steht in großer Menge zur Verfügung und wissenschaftliche Arbeiten zeigen: man muss nicht befürchten, dass das Lithium in nächster Zeit ausgehen wird – auch, wenn wir von hohen Verkaufszahlen für Elektroautos ausgehen.Lithium wird in Zukunft vorwiegend aus Salzseen, z.B. dem Salar de Uyuni in Bolivien gewonnen werden. Dafür werden leider große Mengen an Wasser verbraucht, die dann dem fragilen Ökosystem des Salars nicht mehr zur Verfügung stehen. Man sollte jedoch berücksichtigen, dass die Menge an Lithium in einer Lithium-Ionen-Batterie mit ca. 2% sehr gering ist und es durchaus Alternativen zur Lithium Gewinnung in Salzseen gibt.

Auch das Metall Kobalt wird zur Herstellung der Lithium-Ionen-Batterien verwendet. Dieses wird derzeit vorwiegend im Kongo abgebaut und dort sind die Arbeitsbedingungen sehr schlecht und Kinderarbeit ist weit verbreitet. Deswegen - und wegen des hohen Preises von Kobalt - versucht man, den Anteil von Kobalt in den Kathoden-Materialien stark zu reduzieren. Das ist bereits erfolgreich gelungen. So bestehen moderne Kathoden-Materialien nur noch zu einem geringen Anteil aus Kobalt.

 

Das Interview führte Eleonora Hamburg