Forschung

Umfrage: Die Zukunft der E-Mobilität auf dem Campus der TU Ilmenau

von Jens Wolling

Nach den Pariser Klimabeschlüssen von 2015, angesichts der neuen europäischen Klimaziele, dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes vom April 2021 und der vom Bundestag im Juni 2021 beschlossenen Novelle des Klimaschutzgesetzes steht jede und jeder einzelne, aber auch die TU Ilmenau als Organisation, vor der Frage, was diese Beschlüsse für sie/ihn persönlich bedeuten und wie die persönliche/organisatorische Anpassungsstrategie an die (politischen) Folgen des Klimawandels aussehen soll.

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Für einige Beschäftigte der TU Ilmenau ist der Umstieg auf Elektromobilität ein Teil der Antwort. Besonders umstiegswillig sind diejenigen, die fest an die Zukunft des Individualverkehrs glauben. Man muss diese Einschätzung nicht teilen (wie zum Beispiel der Autor dieses Beitrags), aber an der TU ist es nur eine Minderheit von unter 20 Prozent, die daran zweifelt, dass jede und jeder (mit ausreichend Geld) auch in Zukunft mit ihrem/seinem Auto unbegrenzt durch die Welt fahren kann, wann immer sie/er es möchte.

Umfrage zu E-Mobilität an der TU Ilmenau

Natürlich gibt es auch an der Elektromobilität Zweifel, nicht zuletzt an deren Umweltfreundlichkeit. Tatsächlich sind diese Zweifel aber vor allen bei denen vorhanden, die sich nicht vorstellen können, vom guten alten Benziner oder Diesel auf ein E-Auto umzusteigen, bzw. bei denen, die gar kein Fahrzeug besitzen und fahren. Aber selbst in dieser Gruppe sind die meisten davon überzeugt, dass Elektro-Autos eine umweltfreundliche Alternative sind (siehe Abbildung 1).

Abbildung 1

Somit sind an der TU günstige Voraussetzungen für eine E-Mobilitäts-Offensive vorhanden. Vor diesem Hintergrund hat das Thüringer Energieforschungsinstitut der TU Ilmenau, kurz: ThEFI, sich die Frage gestellt, ob es nicht sinnvoll wäre, diesen Trend zu unterstützen und auf dem Campus der Universität eine Ladeinfrastruktur für E-Fahrzeuge aufzubauen. Um verlässliche Informationen darüber zu gewinnen, ob hierfür tatsächlich ein Bedarf besteht, wurde im März dieses Jahres eine Online-Befragung der Mitglieder der TU Ilmenau durchgeführt, deren wesentliche Ergebnisse hier dargestellt werden sollen (auch die eingangs zitierten Zahlen stammen aus dieser Befragung).  

Hohe Beteiligungsquote

Insgesamt haben 679 Personen an der Befragung teilgenommen. Vor allem unter den unbefristeten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern war die Beteiligungsquote mit rund 30 Prozent sehr hoch. Es zeigt sich also, dass das Thema gerade im Kreis der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf großes Interesse stößt. Die meisten Befragungsteilnehmenden fühlen sich über das Thema E-Mobilität gut (42 %) oder sogar sehr gut (19 %) informiert. Auch das deutet darauf hin, dass an der Befragung vor allem am Thema Interessierte teilgenommen haben.

Wesentliches Ziel der Befragung war es, belastbare Zahlen zu ermitteln, wie groß der Bedarf an Ladeinfrastruktur auf dem Campus ist. Zwei Fragen sollten beantwortet werden:

  1. Soll eine Ladeninfrastruktur für E-Autos auf dem Universitätscampus aufgebaut werden?
  2. Welche Eigenschaften sollte diese Ladeinfrastruktur haben?

Es ging also nicht nur darum, ob eine solche Infrastruktur überhaupt sinnvoll ist, sondern auch wie viele Ladevorrichtungen benötigt werden, welche Art von Ladesäulen nachgefragt werden (Schnellladesäulen / langsames Laden) und ob es für die zukünftigen Nutzerinnen und Nutzer von Bedeutung ist, dass erneuerbare Energien eingesetzt werden.

Befragung zu zwei Szenarien

Um diese Fragen verlässlich beantworten zu könne, musste zunächst einmal ermittelt werden, wie viele Nutzer von E-Autos es bereits an der Uni gibt und wie viele Personen planen, sich in absehbarer Zeit ein E-Auto anzuschaffen. Abbildung 2 zeigt, dass es bereits im März mindestens 41 E-Auto-Besitzerinnen und -Besitzer an der Universität gab und dass für das Jahr 2021 weitere 32 Personen feste Anschaffungspläne haben. Bis Ende 2023 werden voraussichtlich mindestens weitere 71 E-Autobesitzerinnen und -besitzer hinzukommen.

Abbildung 2

Um zu ermitteln, wie groß das Interesse an einer Ladeinfrastruktur ist, wurde diesen 144 Personen zunächst folgendes Szenario präsentiert:

„Es gibt Überlegungen, auf dem Universitätsgelände eine Ladeinfrastruktur für Elektro-Autos aufzubauen. Ein Szenario wäre, dass an mehreren über den Campus verteilten Standorten (zum Beispiel 4) jeweils mehrere Parkplätze (zum Beispiel 10) mit Ladesäulen ausgestattet werden (für langsames Aufladen – kein Schnelladen), an denen man im Laufe des Tages sein Elektro-Auto aufladen kann, ohne noch einmal umzuparken. Nach dem derzeitigen aktuellen Marktpreis würde die Kilowattstunde cirka 30 Cent kosten. Die Abrechnung soll digital erfolgen, beispielsweise mit Hilfe eines RFID-Systems oder einer automatischen Erkennung des Fahrzeugs bzw. des Stellplatzes.“

Über 80 Prozent der 144 Befragten sagten, dass sie dieses Angebot nutzen würden. Eine Nachfrage hinsichtlich der zu erwartenden Nutzungstage ergab eine relativ gleichmäßige Auslastung des Angebots mit Ausnahme des Wochenendes (siehe Abbildung 3).

Abbildung 3

Anschließend wurde auch ein Szenario zum Schnellladen geschildert und zwar mit folgendem Wortlaut:

„In einem erweiterten Szenario sollen zusätzlich an mehreren über den Campus verteilten Standorten (z. B. 4) einige Schnellladesäulen (z.B. jeweils 2) aufgestellt werden. Nach dem derzeitigen aktuellen Marktpreis würde die Kilowattstunde dort ca. 40 Cent kosten. Auch hier würde die Abrechnung ausschließlich digital erfolgen und zwar entweder mit Hilfe eines RFID Systems oder einer automatischen Erkennung des Fahrzeugs.“

Das Interesse der Befragten an diesem Angebot war deutlich niedriger. Aber selbst hier erklärte fast die Hälfte der Befragungsteilnehmer und -teilnehmerinnen, dass sie dieses Angebot nutzen würde. Hinsichtlich des Schnelladeangebots zeigte sich, dass es am Montag und der Freitag voraussichtlich eine etwas höhere Nachfrage geben wird, aber insgesamt waren auch hier die Unterschiede zwischen den Wochentagen nicht dramatisch (Abbildung 4).

Abbildung 4

E-Mobilität trägt – wenn überhaupt – nur dann zum Klimaschutz bei, wenn die genutzte Energie aus erneuerbaren Quellen stammt. Erfreulicher Weise ist dies offenbar auch den meisten potenziellen Nutzerinnen und Nutzern der Ladeinfrastruktur klar. Zumindest erklärten rund 80 % der E-Fahrzeug-Nutzenden und -Interessierten, dass es für sie ein wichtiger Grund wäre die Ladesäulen zu nutzen, wenn die Energie aus erneuerbaren Quellen stammt.

Zusammenfassend bleibt festzuhalten:

  • Bereits jetzt gibt es einen erheblichen Bedarf an Ladeinfrastruktur, vor allem an langsamen Ladestationen.
  • Ein deutliches Wachstum in der Nachfrage ist in der nächsten Zeit zu erwarten.
  • Während der Woche ist mit einer relativ gleichmäßigen Nachfrage zu rechnen.
  • Die Verwendung von erneuerbaren Energien (Photovoltaik) sollte auf jeden Fall sichergestellt sein.
  • Speicher sollten integriert werden, da es eine geringere Nachfrage am Wochenende gibt.
  • Ausreichend Stellplätze sind von zentraler Bedeutung. Die im ersten Szenario skizzierte 40 Stellplätze sind voraussichtlich zu wenig.
  • Der genannte kwh-Preis ist für einige Nutzerinnen und Nutzer kritisch, aber kein zentraler Hinderungsgrund

Die Befragungsergebnisse sind für die TU Ilmenau Anlass, das Thema E-Mobilität auf dem Campus erneut in den Fokus zu nehmen. Bereits in der Vergangenheit hatte die Universitätsleitung Anstrengungen unternommen, Ladestationen zu installieren, allerdings ließ sich für das Vorhaben kein Betreiber finden und darüber hinaus erschweren technische und organisatorische Hindernisse die Umsetzung des Projekts. Das ThEFI hat sich zum Ziel gesetzt, keine Möglichkeit ungenutzt zu lassen und untersucht neue Ansätze wie etwa eine mit erneuerbaren Energien gespeiste Testinfrastruktur als Insellösung aufzubauen.

Wenn die Umsetzung gelingt, würde die TU Ilmenau neben ihrer breit angelegten Forschung zu erneuerbaren Energien, Netzstabilität, Energiespeicherung und Elektromobilität auch auf dem Campus selbst die Energiewende lebendig werden lassen.  

Kontakt

Prof. Jens Wolling

Leiter Fachgebiet Empirische Medienforschung und Politische Kommunikation