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„Eine Gemeinschaft ist nur so stark, wie sie gemeinsam schafft!“

Ein Inverter für eine Balkon-Solaranlage, ein Notebook, eine Powerbank, ein Smartphone und ein CD-Player: Beim letzten Sonderrepariertreff der Regionalgruppe Ilmenau von Ingenieure ohne Grenzen e.V. kamen verschiedenste Geräte auf den Tisch, um von den Studierenden des Vereins inspiziert und gemeinsam mit ihren Besitzer*innen wieder funktionsfähig gemacht zu werden. Ebenfalls mit dabei: Michel Heftrich, selbst ernannter „Reparatur-Geselle auf der Walz“ durch 50 Repariertreffs in Europa.

TU Ilmenau/Barbara Aichroth
Michel Heftrich, selbst ernannter „Reparatur-Geselle auf der Walz“, besuchte den Sonderrepariertreff der Regionalgruppe Ilmenau von Ingenieure ohne Grenzen e.V., hier abgebildet mit Jan Lemmen (rechts), Leiter des Repariertreffs.

Ob alte Waschmaschinen, Kühlschränke oder Computer: In den 27 EU-Staaten wanderten 2020 laut Statistischem Bundesamt rund 4,7 Millionen Tonnen ausgedienter Elektro- und Elektronikgeräte in den Müll – ein neuer Höchststand. Allein in Deutschland landeten im gleichen Jahr etwas mehr als eine Million Tonnen Elektro- und Elektronikgeräte in den Abfallsammelstellen. Das sind durchschnittlich rund 12,5 Kilogramm Elektroschrott pro Kopf –9 % mehr als im Vorjahr und 2 kg mehr als der EU-Durchschnitt.

Angesichts dieser Wegwerftendenzen hat die Europäische Kommission im März 2023 einen Vorschlag für ein "Recht auf Reparatur" angenommen. Damit soll es für Verbraucher*innen künftig einfacher und billiger werden, Waren zu reparieren, statt sie ersetzen zu lassen. Das Recht gilt als wichtiger Schritt auf dem Weg der Europäischen Union, als Teil des europäischen „Green Deals“ bis 2050 eine Kreislaufwirtschaft zu verwirklichen und klimaneutral zu werden.

Um die Idee des Reparierens auch jenseits der Gesetzgebung zu verbreiten, hat sich der gebürtige Luxemburger Michael Heftrich auf seine „Repairs for Future“-Tour begeben: „Jede Reparatur spart im Durchschnitt 24 kg CO2, haucht einem alten Gerät neues Leben ein, verlängert seine Lebensdauer und schont Ressourcen“, so der gelernte Metallhandwerker. Schon als Kind suchte er sich Material auf Müllhalden zusammen, um es zu Spielzeug umzufunktionieren. 2013 gründete er gemeinsam mit dem Verein Tauschkreis Norden in Luxemburg das erste Repair Café, bevor er ein Jahr später in das Südburgenland übersiedelte. Dort eröffnete er 2016 ein weiteres Repair Café und organisierte 2022 in einer zu einem Makerspace umfunktionierten alten Mühle das erste Naturkunstfestival Österreichs.

„Solche Makerspaces und Repair Cafés sind mehr als nur Orte des Reparierens, sie haben auch einen sozialen Aspekt“, ist Michael Heftrich überzeugt: „Hier kommen Menschen mit ganz unterschiedlichen sozialen Hintergründen, die oft nicht viel mit Umweltschutz zu tun haben, zusammen. Ein Repair Café ist daher der ideale Ort, um sie zu sensibilisieren, aber auch um neue Bekanntschaften und Freundschaften zu schließen.“.

Die „Repairs for Future“-Tour, die am 23. März in Wien startete und Heftrich auf einem E-Velomobil nach Ilmenau ins Repariertreff führte, soll über Dänemark, Holland, Belgien, Luxemburg und Frankreich bis in die Schweiz sowie nach Lichtenstein und Italien gehen. Ziel ist es, bei über 50 Repair Cafés entlang der 5555 Kilometer langen Strecke gemeinsam mit Besucher*innen so viele Geräte zu reparieren und so viele engagierte Menschen zu treffen wie möglich sowie alternative Konsummodelle vorzuleben.

In Ilmenau ist ihm das bereits gelungen. Beim Sonderrepariertreff von Ingenieure ohne Grenzen war unter anderem Jenny Hofmann erstmals mit dabei. Die Studentin der Biomedizinischen Technik ist bereits seit einiger Zeit in der Public Relations und Fundraising-Gruppe der Regionalgruppe engagiert, die den Repariertreff tatkräftig bei der Öffentlichkeitsarbeit und Akquise unterstützt: „Ich finde es gut, dass man erstmal versucht Sachen zu reparieren, statt sie gleich wegzuwerfen. Im Repariertreff kann ich selbst noch etwas lernen.“ Auch Studentin Lena Kaiser half beim Sonderrepariertreff einer Ilmenauer Bürgerin, deren Smartphone-Bildschirm nicht mehr funktioniert und die durch eine Freundin vom Repariertreff erfahren hatte. Von Lena Kaiser lernte sie, wie sie mit Hilfe einer Software die Daten auf ihrem defekten Smartphone sichern und auf ein anderes Gerät übertragen kann. Ein anderer Ilmenauer vereinbarte einen gesonderten Termin, um sich bei der Reparatur des Inverters seines Balkon-Solarkraftwerks helfen zu lassen.

Geleitet wird das Repariertreff von Jan Lemmen, Student der Ingenieurinformatik an der TU Ilmenau: „Hier kann ich mein Wissen in Informatik und Elektrotechnik sinnvoll nutzen und Sachen ausprobieren, für dich ich zuhause nicht das nötige Werkzeug habe.“ Möglich machen das die Zusammenarbeit mit dem Technologie- und Gründerzentrum Ilmenau (TGZI), das kostenfrei Räume zur Verfügung stellt, und Spenden von Ilmenauer Bürger*innen sowie Unternehmen. So stehen im Repariertreff u.a. Schrauben aller Art, zwei Lötstationen, aber auch Spezialwerkzeug für Smartphones zur Verfügung. Als nächstes möchten die Studierenden ein Oszilloskop und einen Trenntransformator anschaffen, um die Reparaturarbeiten noch sicherer zu machen. Dafür sind sie auf weitere Spenden angewiesen.

„Eine Gemeinschaft ist nur so stark, wie sie gemeinsam schafft!“ Dieses Motto von Michael Heftrich war auch bei seinem Besuch im Repariertreff zu spüren, bevor er sich wieder auf sein Velorad setzte, um seine Tour fortzusetzen. Das nächste Sonderrepariertreff von Ingenieure ohne Grenzen findet bereits am 10. Juni von 13 bis 16 Uhr im Unverpacktladen lose & lecker, Straße des Friedens 5 in der Ilmenauer Fußgängerzone statt. In dieser Zeit können alle Interessierten mit defekten Kleingeräten vorbeikommen. Vor Ort werden die Geräte begutachtet, mögliche kleinere Reparaturen vorgenommen oder Softwareprobleme behoben.

Eine weitere Gelegenheit zum Kennenlernen gibt es bei der Ilmenauer Wissenschaftsnacht am 1. Juli: An ihrem Stand im Ernst-Abbe-Zentrum informiert die Regionalgruppe von Ingenieure ohne Grenzen über ihre Projekte in Deutschland und Afrika. Erwachsene und Kinder können sich bei einem Weltverteilungsspiel mit dem Thema globale Gerechtigkeit auseinandersetzen. Der Repariertreff berät zudem zu defekten Elektroartikeln. Bringen Sie Ihr kaputtes Handy doch einfach mit! Oder kommen Sie für die Reparatur zu einem der regulären Repariertreffs am letzten Samstag eines Monats von 13 bis 16 Uhr im TGZ, Ehrenbergstraße 11 in Ilmenau.

Kontakt

Jan Lemmen

Projektleiter Repariertreff Ingenieure ohne Grenzen - RG Ilmenau