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Herausforderung Energieversorgung: Jugendliche erforschen Möglichkeiten und Grenzen der Stromerzeugung

Ob Photovoltaik, Geothermie, Elektrolyse für die Wasserspaltung oder eine selbstgebaute Windturbine: Bei einem viertägigen Science Camp an der TU Ilmenau beschäftigten sich 20 Schülerinnen und Schüler des nationalen Excellence-Schulnetzwerks MINT-EC vom 19. bis 22. Juni mit verschiedenen Aspekten der Energieversorgung. In Kleingruppen und unterstützt von Mitarbeitenden und studentischen Tutoren erforschten sie aus verschiedenen technischen Perspektiven, wie wir unsere Energieressourcen künftig optimal und verantwortungsvoll nutzen können.

Junge Leute an einem Tisch beim Löten Dino Junski
Zum Auftakt des Camps nahmen die Teilnehmenden an einem interdisziplinären Workshop zum Löten und Programmieren mit Arduino teil

Die 16-jährige Liliana reiste aus der Nähe von Münster zum MINT-EC-Camp an der TU Ilmenau an: „Etwas von Grund auf recherchieren zu müssen, zu entwerfen und zu sehen, wie sich das Projekt langsam entwickelt – das finde ich super interessant.“ Wie bei anderen Camps zuvor wollte sie als Schülerin einer MINT-EC-Schule die Chance nutzen, mit Hands-on-Mentalität über mehrere Tage vertiefend zu einem MINT-Thema zu forschen und dabei ihr Schulwissen durch reale Problemstellungen aus Forschungs- und Arbeitswelt zu vertiefen. "Aber dieses Camp war anders als die anderen beiden, bei denen ich war“, so Liliana:

Diesmal haben wir ein wirklich großes Projekt bekommen, an dem wir arbeiten und in das wir uns richtig reindenken konnten. So ist die Zeit nur so verflogen.

Als Auftakt erhielten Liliana und die anderen Teilnehmenden zunächst einen interdisziplinären Workshop zum Löten und Programmieren mit Arduino durch Studierende im Projekt practicING. Dr. Jan Schnabel vom Fraunhofer‐Institut für Produktionstechnik und Automatisierung in Stuttgart führte die Jugendlichen zudem mit einem Vortrag zur "Anwendung von Quantencomputing in der Wasserstoffforschung" in das Thema Energieversorgung ein. Auch besuchten die Jugendlichen während des Camps das Thüringer Innovationszentrum für Mobilität (ThIMo) und das Zentrum für Mikro- und Nanotechnologien (ZMN) der TU Ilmenau, wanderten gemeinsam und tauschten sich beim Studytalk und Grillen mit Studierenden aus.

Ab dem zweiten Tag näherten sich die Schülerinnen und Schüler dann in Kleingruppen dem Thema Energieversorgung. Während Liliana, Dominik, Juri und Marlon erforschten, wie viel Energie sich aus einer selbstgebauten Windturbine gewinnen lässt, programmierte und implementierte die Gruppe Leistungselektronik eine Software für die optimale „Stromernte“ mit Solarmodulen. Weitere Schülerinnen und Schüler beschäftigten sich aus Sicht der Thermodynamik damit, wie sich Geothermie, das heißt Erdwärme, effektiv für die menschliche Energieversorgung nutzen lässt, erforschten die Grundlagen von Energiematerialien, indem sie untersuchten, welche Alternativen zu Silizium es gibt, um Solarzellen zu produzieren, oder begaben sich mit Hilfe der Elektrochemie und Galvanotechnik auf die Suche nach einem Katalysator für Wasserspaltung, der besonders günstig und effizient ist. Angeleitet wurden sie dabei von studentischen Tutoren wie Adrien, der im zweiten Mastersemester Regenerative Energietechnik studiert:

Alle Jugendlichen waren sehr motiviert, und es hat Spaß gemacht, ihnen zu zeigen, wie wissenschaftliches Arbeiten funktioniert.

Davon profitierten auch Liliana und ihr Team: Wie können wir mit einem selbstgebauten LowTech-Windrad die größte Ausgangsleistung erzielen und damit die Bevölkerung in den Ländern des Globalen Südens unterstützen, sich autonom, günstig und klimaneutral mit Strom zu versorgen? Um diese Frage zu beantworten, beschäftigten sich die Jugendlichen zunächst mit verschiedenen Arten von Windenergieanlangen und Energieumwandlung. „Zu unserer Überraschung entschied sich die Gruppe für einen Vertikalachser mit vier Flügeln, der, wie in der Challenge vorgegeben, auch bei geringen Windstärken funktioniert und leicht zu warten ist, so dass wir einiges improvisieren und am Dienstag erstmal Materialien im Baumarkt kaufen mussten“, erzählt Carsten Gatermann, der das Team zusammen mit Jakob Pflugbeil als studentischer Tutor und Mitglied im Ingenieure ohne Grenzen e.V. betreute. Da beide Tutoren auch Mitglied bei Ingenieure ohne Grenzen e.V. sind, stand die Projektidee für das Low-Tech-Windrad schnell fest:

Es war sehr spannend, mit dem Team zu arbeiten und mich auf eine Arbeit einzulassen, bei der wir alle nicht wussten, wie das Ergebnis aussieht. Aber es hat funktioniert und die Teamdynamik hat mir super gefallen.

Herausgekommen ist der Prototyp einer Windenergieanlage, der zwar nicht den höchsten Wirkungsgrad erzielt, jedoch die Anforderungen an ein Low-Tech-Windrad voll erfüllt. Unterstützt wurden die Jugendlichen beim Bau des Modells auch von der Studierendenwerkstatt UNIKAT und der Werkstatt der Fakultät Elektrotechnik und Informationstechnik.

„Es ist toll, am Ende des Camps etwas zu haben, was man anschauen und einsetzen kann und was wirklich eine Leistung erbringt“, so Liliana. „Meistens geht es ja darum, industrielle Prozesse effizienter zu machen“, ergänzt Juri, 17, aus der Nähe von Frankfurt.

Hier dagegen konnten wir etwas erforschen, was Menschen wirklich eine Lebensgrundlage erschafft.

Auch wie es nach dem Ende des Camps mit ihrem Prototyp weitergehen könnte, haben sich die Jugendlichen schon überlegt: Vorstellen können sie sich zum Beispiel eine Kooperation mit dem Projekt „Water is Light“ von Ingenieure ohne Grenzen, um mit Hilfe eines Bausatzes einen eigenen Generator herzustellen. Auch wollen sie die Stoffwahl für die Bespannung der Flügel und die Dimensionen der Windenergieanlage weiter verbessern, Baupläne und 3D-Modelle spezifizieren und untersuchen, welchen Einfluss der Anstellwinkel der Flügel und der Abstand zur Achse auf die Leistung der Windturbine haben.

Marlon, 18, ist sehr zufrieden mit den Ergebnissen des Camps:

Ich interessierte mich sehr für Physik und versuche immer, so viele Erfahrungen wie möglich zu sammeln. Das ist mir hier eindeutig gelungen.

Auch Dominik, ebenfalls 18 Jahre alt, fährt mit vielen Eindrücken in seine Heimat in der Nähe von Frankfurt zurück:

Es war sehr cool, ein Projekt zu machen, bei dem ich mit einem praktischen Ergebnis rausgehen und dabei auch Einblicke in ein mögliches Studium bekommen und mich selbst weiterbilden konnte.

Camp-Koordinatorin Jenny Gramsch ist begeistert, wie viel Interesse die Jugendlichen mitbrachten und wie offen sie ihre Fragen stellen: „Sie wollen den Dingen auf den Grund gehen und fragen so lange, bis sie es wissen. Und sie sind sich ihrer eigenen Expertise bewusst“, so die Leiterin des Schülerforschungszentrums der TU Ilmenau: „Das zeigt, wie viel Potenzial in der nachwachsenden Generation steckt trotz aller Unsicherheit, was ihre Zukunft betrifft. Aber genau da können wir sie stärken: Indem wir ihnen anhand aktueller Themen zeigen, wie sich die Ingenieurwissenschaften mit verschiedenen Methoden der Herausforderung Ressourcenknappheit stellen und dass nur gemeinsam Lösungen geschaffen werden, gewinnen sie Selbstvertrauen. Auch unseren studentischen Tutoren hat der Perspektivwechsel geholfen und die Rolle als Lehrende ihre Kompetenz gestärkt.“

Weitere Stimmen von Teilnehmenden

Mir hat der Austausch mit Professoren, Tutoren, Teilnehmenden besonders gefallen.

In Ilmenau ist man nah an den Menschen UND nah an der Wissenschaft.

Durch den Fokus auf Technik ist die fachliche Tiefe sehr reizvoll für mich.

Ich habe den Eindruck, dass man schon als Student nah an der Forschung sein kann, wenn man das
möchte.

Das Beste war definitiv die Projektarbeit und das Kennenlernen von wissenschaftlichem Arbeiten.

Kontakt

Jenny Gramsch

Koordinatorin ProTELC/Leiterin des Schülerforschungszentrums