Campus

Ingenieure ohne Grenzen: Studierende bauen eine Photovoltaikanlage für ein Schulzentrum in Uganda

Die Regionalgruppe Ilmenau von Ingenieure ohne Grenzen unterstützt seit mehreren Jahren die Entwicklungszusammenarbeit in Afrika. Nachdem die Regionalgruppe 2021 eine Zisterne für die sichere Wasserversorgung für Schulen in einem kenianischen Dorf fertigstellte, startete sie kurz darauf in ein neues Vorhaben: Den Bau einer Photovoltaikanlage für eine Schule in Uganda. Clemens Hellmig, Projektleiter und Student im Diplom Maschinenbau, nimmt UNIonline mit auf eine spannende Reise - von der ersten Idee in Deutschland bis zur Umsetzung in Afrika.

Engineers Without Borders East Africa/Regionalgruppe Ilmenau
Die Photovoltaikanlage versorgt das Schulzentrum mit genug Energie, um die Wasserversorgung aufrecht zu erhalten, die Nutzung von Computern im Unterricht zu ermöglichen sowie Beleuchtung und Ventilatoren für bessere Lernbedingungen zu betreiben.

Sie alle sind bestimmt schon einmal über einen Spendenaufruf für Entwicklungszusammenarbeit gestolpert. Entwicklungszusammenarbeit lebt aber nicht nur von finanzieller Unterstützung, sondern auch von persönlichem Engagement – wie beispielsweise im Verein Ingenieure ohne Grenzen e.V.

Als Regionalgruppe Ilmenau hatten wir das Glück über die letzten zwei Jahre ein eigenes Projekt in der Entwicklungszusammenarbeit umzusetzen. In diesem haben wir mit einem Team – hauptsächlich Studierende verschiedener Fachrichtungen der TU Ilmenau – eine Photovoltaikanlage für ein Schulzentrum in Uganda geplant und errichtet. Kommen Sie mit auf eine Reise durch das Projekt und erleben Sie mit uns, welche Hürden wir zu meistern hatten und welche Erfolge wir feiern konnten.

Wir springen ins Frühjahr 2021 an den Beginn des Projekts. Nachdem die vorherige Projektgruppe erfolgreich eine Zisterne in Kenia errichtet hat, war klar, dass wir als Regionalgruppe Ilmenau ein neues Projekt umsetzen wollen. Für nahezu alle Teammitglieder, die sich für dieses Unterfangen gefunden haben, war es das erste Projekt bei Ingenieure ohne Grenzen. Das heißt, neben inhaltlichen Aspekten mussten wir auch lernen, wie so ein Projekt überhaupt abläuft.

Dazu mal ein kleiner Exkurs: Bei Ingenieure ohne Grenzen besteht ein Projekt aus drei Phasen – Erkundung, Implementierung und Evaluation. Über all dem steht der Gedanke der (sozialen) Nachhaltigkeit. Dies bedeutet bei der Erkundung, dass wir zwar eine Idee haben, was wir später umsetzen wollen, aber falls vor Ort ein dringender Bedarf für ein anderes Problem festgestellt wird, wird dieses stattdessen priorisiert. Bei der Implementierung wird die technische Lösung, die entwickelt wurde, umgesetzt. Für den Aufbau wird immer ein lokales Unternehmen beauftragt, da so ein gegenseitiger Wissenstransfer ermöglicht wird. Zuletzt soll mit der in einem Abstand von ca. ein bis zwei Jahren erfolgenden Evaluation gewährleistet werden, dass nicht nur etwas aufgebaut, sondern auch für eine lange Dauer sinnvoll genutzt werden kann.

Partnerschaft mit TH Nürnberg

Relativ bald kristallisierte sich heraus, dass unser Projekt eine Photovoltaikanlage für ein Schulzentrum werden würde. Allerdings sollte es kein für Ingenieure ohne Grenzen typisches Projekt werden, denn eine Kooperation mit der TH Nürnberg sowie weiteren Partnern in Deutschland war geplant. Der Ansatz dahinter ist, dass wir als Ingenieure ohne Grenzen die Umsetzung unterstützen und die TH Nürnberg später für ihre Forschung Messdaten von der Photovoltaikanlage zur Verfügung erhält. Neben der Tatsache, dass wir auf Expertise aus der Solarbranche zurückgreifen konnten, war ein großer Vorteil, dass das gesamte Projekt von der Klaus-Tschira-Stiftung finanziert wurde und wir somit nicht auf eine Fundraising-Kampagne angewiesen waren.

Nach dem Kennenlernen von Projekt und Partnern ging es dann darum, die Erkundung vorzubereiten. Während dieser sollte einerseits geklärt werden, ob eine Photovoltaikanlage die beste Maßnahme zur Behebung der Probleme mit der instabilen Stromversorgung ist. Andererseits sollten alle Informationen gesammelt werden, die später zum Planen und Auslegen der Photovoltaikanlage von Nöten sind. Eine nicht zu unterschätzende Herausforderung war, dafür eine Liste mit allen zu beantwortenden Fragen und durchzuführenden Aufgaben aufzustellen. Dafür haben wir uns als Team eingearbeitet, unter anderem in die Auslegung einer Photovoltaikanlage zur Deckung der täglichen Lastprofile und optimalen Orte zum Aufstellen der Anlage.

Keinesfalls außer Acht gelassen werden durften aber auch die Wünsche und Vorstellungen der SchülerInnen, LehrerInnen sowie MitarbeiterInnen. Zwar können wir uns aus der Ferne Gedanken machen, wie wir es in Deutschland umsetzen würden; allerdings können wir uns nicht in die Lebensrealität vor Ort hineinversetzen. Deswegen ist es wichtig auch hier Gespräche zu suchen, da selbst die technisch beste Anlage nichts nützt, wenn diese nicht dem Nutzverhalten entspricht.

Durch die vorherrschende Corona-Lage war schnell klar, dass kein Team von uns nach Uganda reisen kann. Mit Engineers Without Borders (EWB) East Africa sitzt jedoch ein Partnerverein in Kampala, der Hauptstadt von Uganda, der für uns die Erkundung durchführen konnte. In Vorbereitung darauf fanden einige Gesprächsrunden mit EWB East Africa sowie der Leiterin des Schulzentrums statt, um die Aufgaben zu besprechen und einen reibungslosen Verlauf der Erkundung zu gewährleisten.

Suche nach technischen Konzepten

Schließlich war es im Februar 2022 soweit und EWB East Africa führte für uns die Erkundung durch. In den zwei folgenden Wochen, während wir auf den Bericht von EWB East Africa warteten, wuchs die Anspannung und wir fragten uns, ob die Erkundung mit unserer Vorbereitung so von statten ging wie gehofft. Als endlich der Erkundungsbericht ankam, waren wir einerseits erleichtert, da EWB East Africa einen sehr guten Job gemacht hatte und alles so wie besprochen dokumentiert war. Gleichzeitig mussten wir aber feststellen, dass eine neue Herausforderung auf uns wartete: Wir hatten zwar das Budget für eine autarke Photovoltaikanlage in der Größenordnung zur Verfügung, in der wir nach Gesprächen das Schulzentrum einschätzten – nur stellte sich heraus, dass der Stromverbrauch viermal so hoch ausfiel. Dieser Dämpfer beflügelte aber nur unsere Motivation auf verschiedenen Wegen nach Lösungen zu suchen. Einerseits konnten wir dank der Mithilfe der TH Nürnberg eine Lösung finden, um Gelder umzuwidmen und so das Budget für die Anlage zu verdoppeln. Dies allein reichte aber nicht aus, sodass wir auch auf technischer Seite neue Konzepte suchten.

Da keine vollkommen autark laufende Photovoltaikanlage umsetzbar war, standen wir vor folgendem Dilemma: Setzt man auf mehr Module, ergibt sich in der Summe mehr verfügbare elektrische Energie, was eine finanzielle Entlastung für das Schulzentrum bedeutet. Auf der anderen Seite gewährleistet eine größere Batterie eine bessere Versorgungssicherheit. Nun galt es für uns in klassischer Ingenieurmanier eine möglichst ideale Lösung zwischen den beiden Extremen zu finden. Unterstützung bekamen wir dabei auch von unseren Partnern im Projekt. Dabei nutzten wir das Tool PVGIS, um die aufzubauende Anlage zu simulieren. Mit diesem ließen sich die einzelnen Anlagenparameter variieren, sodass wir das Verhalten dieser gut einschätzen konnten und darauf aufbauend ein Konzept entwickelten. Schnell war klar, dass wir bestimmte Verbraucher priorisieren und komplett autark versorgen wollen, um diese im Fall der immer wieder vorkommenden Ausfälle des Stromnetzes trotzdem betreiben zu können. Diese Verbraucher dienen entweder der Sicherheit, wie Lichter, die nachts das Gelände beleuchten, oder der Versorgung, wie der Wasserpumpe. Schlussendlich sah unsere Lösung so aus, dass die angesprochenen Geräte sowie die Wohngebäude komplett autark versorgt werden können, während die restlichen Gebäude tagsüber mit Strom von den Photovoltaikmodulen und nachts über das Stromnetz versorgt werden. Viel Unterstützung bei der Planung sowie dem Erstellen eines Lastenheftes, in dem die Photovoltaikanlage skizziert ist, bekamen wir von der vereinsinternen Kompetenzgruppe Erneuerbare Energien. Zu dieser gehören einige Ehrenamtliche, die selbst in dem Bereich beruflich tätig sind und uns mit ihrem Wissen weiterhelfen.

Bauarbeiten in Uganda

Die nächste große Aufgabe war nun Unternehmen zu finden, die die Photovoltaikanlage gemäß unserem Konzept aufbauen. Insgesamt erhielten wir von vier Unternehmen Angebote, die allerdings noch nicht komplett passten. Daher suchten wir Gespräche, um diese Details zu klären sowie den Preis nachzuverhandeln. Dabei war unser Entwurf der Anlage relativ ungewöhnlich (insbesondere, da keine Netzrückspeisung erlaubt ist), sodass auf technischer Ebene noch Gespräche mit den Ingenieuren stattfanden, um sicherzustellen, dass die Anlage wie geplant funktioniert. Schließlich stach ein Unternehmen mit seinem Konzept und den verwendeten Komponenten heraus, welches wir dann auch beauftragten. Damit war der nächste Meilenstein erreicht.

Als nächstes stellte sich die Frage, wann der Aufbau terminiert werden soll. Da wir an diesem Punkt für die Ausreisevorbereitung etwa vier Monate veranschlagten, einigten wir uns auf Mitte Februar. Für die Ausreise stellten wir ein Team von drei Leuten sowie zwei weiteren als Backup auf. Alle aus dem Team hatten dazu in Workshops von Ingenieure ohne Grenzen wichtige Methoden und Kompetenzen erlernt, wie man so eine Mission erfolgreich durchführt und sich auch insbesondere an die lokalen Gegebenheiten anpasst. Es ist wichtig, die lokalen Gepflogenheiten zu respektieren und ein gutes Verhältnis zu den Gastgebern aufzubauen.

Leider brach im November eine Ebola-Epidemie in Uganda aus und machte uns einen Strich durch die Reisepläne. Es galt nun eine Entscheidung zu treffen – verschieben wir den Aufbau der Photovoltaikanlage um eine unbestimmte Zeit oder engagieren wir EWB East Africa erneut, um diesmal die Implementierung zu begleiten. Schweren Herzens entschieden wir uns für die zweite Variante, um das Projekt nicht unnötig zu verzögern.

Mit der nun herrschenden Klarheit konnten wir uns auf die Vorbereitung stürzen. Da wir nun gar nicht vor Ort sein würden, sind wir auf die Dokumentation von EWB East Africa angewiesen, um uns ein Bild zu machen. Dementsprechend detailliert waren auch unsere Aufgaben an unsere Partner, da wir im Falle von potentiell auftretenden Problemen in der Zukunft auch aus der Ferne einen Überblick haben wollen. Nachdem in Videokonferenzen alle Details besprochen wurden, konnte schließlich der Beginn der Implementierung auf Ende Februar 2023 festgelegt werden.

Entsprechend der Pläne ging es dann auch mit den Bauarbeiten los. Dabei durften wir auch wieder die andere Mentalität erleben, die in Uganda herrscht – spontan wurde beschlossen, dass der Raum, in dem Batterie und Inverter untergebracht werden sollten, doch weiter als Lager genutzt werden soll. Aber kein Problem – innerhalb von einer Woche wurde schnell von Bauarbeitern und Angehörigen eine kleine 3,5x3,5 m messende Hütte gemauert. Während des Aufbaus der Photovoltaikanlage hatten wir mit einigen Verzögerungen zu kämpfen, die wir aber alle gut bewältigt bekamen.

Seit Anfang April 2023 lief die Anlage in einem Testbetrieb und begann mit der Stromversorgung für das Schulzentrum, während letzte Installationen parallel dazu vorgenommen wurden. Bis Anfang Mai waren dann auch die restlichen Komponenten verbaut und das Remote Monitoring eingerichtet, welches später von der TH Nürnberg für wissenschaftliche Untersuchungen genutzt wird. Somit konnte dann auch Anfang Mai eine symbolische Übergabe der Photovoltaikanlage an das Schulzentrum erfolgen, der wir per Videokonferenz beiwohnten.

Allerdings zeigten sich im Remote Monitoring, was auch von den SchülerInnen sowie dem Personal während der Übergabe bestätigt wurde, dass die Photovoltaikanlage noch an ein paar Kinderkrankheiten leidet. Bedingt durch mehrere Faktoren (schlechtes Wetter sowie eine ungünstige Programmierung der Anlage) war es nachts zu einem Stromausfall gekommen. Natürlich war unser Ziel diese zu beheben, weshalb wir in Kontakt mit der Installationsfirma traten, um die Ursachen zu diskutieren und nach Lösungen zu suchen. Neben softwareseitigen Optimierungen soll nun noch ein neuer Stromsensor verbaut werden, der eine bessere Steuerung der Versorgung für den nicht autark versorgten Teil gewährleisten soll.

Ilmenauer Wissenschaftsnacht

Möchten Sie mehr über die Arbeit der Regionalgruppe Ilmenau Ingenieure ohne Grenzen e.V. erfahren? Dann besuchen Sie den Stand des Vereins im Ernst-Abbe-Zentrum, Raum 1337/1338. Die Studierenden helfen Ihnen im Repariertreff, Ihre defekten Elektrogeräte wieder funktionsfähig zu machen. Probieren Sie sich bei einem Krerativwettbewerb als Ingenieur:in aus oder setzen Sie sich beim Weltverteilungsspiel mit globaler Gerechtigkeit auseinander. Mehr Informationen unter: www.ilmenauer-wissenschaftsnacht.de

 

 

Kontakt

Carsten Gatermann

Leitung Public Relations und Fundraising Regionalgruppe Ilmenau Ingenieure ohne Grenzen e.V.