Forschung

Großangelegtes DFG-Projekt: DDR-Formenschatz erstmals digitalisiert

Im Rahmen eines von der Deutschen Forschungsgemeinschaft DFG geförderten Projektes ist es dem PATON I Landespatentzentrum Thüringen gemeinsam mit der Universitätsbibliothek und dem Fachgebiet Graphische Datenverarbeitung der TU Ilmenau gelungen, den Formenschatz von DDR-Designs zu erschließen und zu digitalisieren. Damit wurde ein bedeutender Teil ostdeutschen Kulturgutes effektiven Design-Recherchen zugänglich gemacht.

Warenzeichen- und Geschmacksmusterblatt

Sie gelten als Designklassiker und genießen heute sogar Kultstatus: die von Karl Clauss Dietel designten Simson-Krafträder, die von Franz Ehrlich entworfene Hellerauer Möbelserie 602 oder das von Margarete Jahny und Erich Müller gestaltete stapelbare Hotel-Porzellan RATIONELL, das als Mitropa-Geschirr in die ostdeutsche Geschichte einging (siehe Foto oben). Nur drei Beispiele von tausenden Designs, die den Formenschatz der DDR-Geschmacksmuster bilden.

Bis vor kurzem bestand dieser nur physisch in Form von Karteikarten, Fotos, Zeichnungen, Produktmustern und Warenzeichenblätter-Heften. Er war damit für die Öffentlichkeit kaum zugänglich. Im Rahmen des von  der DFG mit 320.000 Euro über drei Jahre geförderten Projektes „Erschließung und Digitalisierung des DDR-Formenschatzes (Geschmacksmuster)“ wurden unter der Leitung von PATON-Direktor Dr. Christoph Hoock die Daten aus dem Karteikarten-Archiv des Informations- und Dienstleistungszentrums des Deutschen Patent- und Markenamtes in Berlin (DPMA-IDZ) und den im Magazin des PATON gesammelten Warenzeichen- und Geschmacksmusterbättern (in Heftform) zusammengeführt und elektronisch aufbereitet. 

Unser Ziel war es, die bisher lediglich in Papierform vorhandenen Veröffentlichungen des Designs aus der Zeit der DDR zusammenzuführen und eine Datenbank für eine effektive Nutzung dieser Informationen für Forschungszwecke und die interessierte Öffentlichkeit aufzubauen“, so Dr. Hoock. „Das Projekt beinhaltete sowohl anspruchsvolle Forschungsarbeit als auch eine enorme Fleißarbeit, für die ich allen am Projekt beteiligten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern hohe Anerkennung aussprechen möchte.

Bestände aus DPMA-IDZ und PATON erfasst

In der Universitätsbibliothek wurden an Spezialarbeitsplätzen die vom DPMA-IDZ für die Arbeiten bereitgestellten Karteikarten, Fotos, Stoff- und Produktmuster über einen optischen Abtastprozess digitalisiert. Insgesamt 187 Kästen mit Karteikarten und mehrere Kästen mit Fotos, Stoffmustern, Kleidungsstücken wie Damenhandschuhe, Strümpfe, Babylätzchen, Verpackungsmaterial, Plänen, Zeichnungen, Skizzen und Dias wurden dabei gescannt.

Hinzu kamen als 2. Quelle die Warenzeichenblätter in 271 Heften, teilweise zu Büchern gebunden, aus dem Bestand des PATON. Insgesamt wurden rund 56.000 Scans angefertigt und bibliografisch aufbereitet. Insgesamt bilden beide Bestände den Zeitraum von 1952 bis 1993 ab. Die besondere Herausforderung lag dabei nicht nur in der enormen Menge, sondern auch – wie so oft - im Detail: "Einige Angaben auf den Karteikarten waren unleserlich, Muster und gebundene Ausgaben des Warenzeichenblatts teilweise schwierig zu scannen“, berichtet Dr. Johannes Wilken aus der Universitätsbibliothek. „Wir sind sehr stolz darauf, diese Mammutaufgabe erfolgreich bewältigt zu haben."

Die Textdaten und Abbildungen aus den verschiedenen Quellen wurden im Anschluss im PATON zusammengeführt und durch Datenstrukturierung erschlossen und bereinigt.

Fehlerbereinigt können wir feststellen, dass über 90 Prozent aller Geschmacksmuster erfasst werden konnten“, so Sabine Milde, Projektkoordinatorin vom PATON. „Das ist ein hervorragendes Resultat.

DDR-Formenschatz erstmals online recherchierbar

Das Fachgebiet Graphische Datenverarbeitung sorgte schließlich für die Verarbeitung der veröffentlichungsreifen Daten in eine maschinenlesbare Form. Dabei konnten die Forscher auf die Erfahrungen aus der ebenfalls im Rahmen eins DFG-Projektes erarbeiteten Digitalen Mechanismen- und Getriebebibliothek DMGLIB aufbauen, in der ebenfalls Daten aus heterogenen Quellen zusammengeführt, digitalisiert und so öffentlich zugänglich gemacht wurden. Der Zugang zum Formenschatz der DDR wird schließlich über einen Server des PATON erfolgen, in Anlehnung an PATONline, über das bereits jetzt 43 Millionen Patent-Dokumente abgerufen werden können. "Wir freuen uns sehr", betont Dr. Ulf Döring vom Fachgebiet Graphische Datenverarbeitung, "dass es uns im Rahmen des Projekts in intensiver Zusammenarbeit gelungen ist, den DDR-Formenschatz nunmehr über eine leicht zu bedienende Suchmaschinen für alle Interessenten und Recherchen zugänglich zu machen."

Hohe Anerkennung vom Deutschen Patent- und Markenamt

Zum Projektabschluss trafen sich die Partner in einer Hybridveranstaltung am 21. September teilweise vor Ort im Senatssaal der TU Ilmenau und teilweise per Video zugeschaltet zur Auswertung der Ergebnisse. Projektleiter Dr. Hoock konnte dabei auch Experten vom Deutschen Patent- und Markenamt und der Deutschen Gesellschaft für Information und Wissen e.V. begrüßen. Die Gäste zeigten sich beeindruckt von der an der TU Ilmenau geleisteten Arbeit. Der Leitende Regierungsdirektor beim Deutschen Patent- und Markenamt, Markus Ortlieb, sagte:

Die Designs sind ein Kulturgut, das ein Stück Zeitgeist der DDR widerspiegelt und nun für die Öffentlichkeit erstmals zugänglich gemacht wurde.

Neben der historischen Bedeutung wird der Bestand auch aus rechtlicher Sicht genutzt werden: Der neu erschlossene Formenschatz der DDR-Muster kann dann erstmals auch dahingehend digital durchsucht werden. Auch wenn die Schutzdauer aller Geschmacksmuster und industriellen Muster der DDR bereits abgelaufen ist und dadurch keine Verletzungen Dritter gegen diese Muster bestehen können, so spielen sie trotzdem für die Beurteilung der Neuheit und Eigenart von zukünftigen Mustern eine Rolle und können bei Design-Nichtigkeitsverfahren einbezogen werden.

Einig waren sich alle Beteiligten, ein Nachfolgeprojekt anzustoßen. Hier sollen weitere Registerdaten, die allerdings als Handschriften vorliegen, und neu entdeckte Fotos in hoher Qualität mit den bestehenden Daten zusammengeführt werden. Darüber hinaus soll eine Schnittstelle zum Recherche-System DPMA-Register geschaffen werden, um die Recherchemöglichkeiten bundesweit zu erweitern. Auch eine Kooperation mit der Thüringer Landesbibliothek ThULB ist geplant, um über deren Schnittstellen die Daten der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, natürlich unter Wahrung der Rechte der ursprünglichen Urheber.

Kontakt

Dr. Christoph Hoock

Leiter PATON | Landespatentzentrum Thüringen