Forschung

„Ich möchte einen Beitrag zum Fortschritt leisten“

Als Leiter des Fachgebiets Elektronische Messtechnik und Signalverarbeitung an der TU Ilmenau erforscht Prof. Giovanni Del Galdo moderne Kommunikationstechnologien und treibt den neuen Mobilfunkstandard 6G voran. Im Interview erklärt der Wissenschaftler, warum er großen Wert auf anwendungsorientierte Forschung legt und worin sich das deutsche Hochschulsystem vom italienischen unterscheidet.

TU Ilmenau/Eleonora Hamburg
Im Digitalfunklabor erforscht und entwickelt Prof. Giovanni Del Galdo moderne Funktechnologien.

Guten Tag Prof. Del Galdo, Sie forschen im Bereich der Mobilkommunikation und Signalverarbeitung. Was hat Ihr Interesse an ihrem Fachgebiet geweckt?

Ich hatte Interesse an unterschiedlichen Fachrichtungen. Darunter fielen Medizin, Ingenieurswissenschaften und Philosophie. Die Entscheidung für „Telecommunications Engineering“ war eher zufällig. Aber als ich angefangen habe, mochte ich es und habe es weitergemacht.

Wollten Sie schon immer im Ausland arbeiten und forschen?

Ich wurde dahin orientiert, dass die Auslandsaufenthalte meiner Eltern ihnen bei der Persönlichkeitsentwicklung enorm geholfen haben. Ich selbst habe ein Jahr in den USA gelebt und dort mein Abitur gemacht. Mein Plan war, länger in den USA zu bleiben. Damals war die politische Lage eine andere und alles, was ich gesehen habe, hat mir gefallen. Länger zu bleiben war im Jahr 2001 durch die Situation mit den Terroranschlägen jedoch nicht möglich, da mein Visum gestoppt wurde. In der Zeit war meine Frau mit einem Erasmus-Programm in Deutschland und ich dachte mir: „warum nicht Deutschland?“. Während meiner Suche bin ich auf eine Masterarbeit an der TU in Ilmenau gestoßen. Mein erster Gedanke war „Ilmenau – wo?“. Aber am Ende bin ich nach Ilmenau gekommen, habe meine Promotion unter Professor Haardt gemacht und es hat mir immer mehr in Deutschland gefallen. Ich bin sehr froh, dass ich in Europa geblieben bin.

Gab es zu Beginn eine Sprachbarriere?

Ohne langfristige Pläne dafür zu haben, habe ich angefangen, jeden Samstag für drei Stunden am Goethe-Institut in Mailand Deutschkurse zu belegen. Ich dachte, dass die Sprache später im Berufsleben von Vorteil sein könnte. In Europa hat Deutschland eine wichtige wirtschaftliche Macht und Relevanz, deshalb war die Sprache neben der Englischen interessant für mich. Den größten Sprung habe ich gemacht, als ich Doktorand geworden bin. Ich habe sieben Seminargruppen unterrichtet und mich von Gruppe zu Gruppe meinen Wortschatz entwickelt. Um Missverständnissen vorzubeugen, drücke ich mich auf Deutsch nur klar und deutlich aus. Aber das passt gut zu mir als Person.

Abgesehen von der Sprache, gab es andere Veränderungen bei dem Ortswechsel? Wie kann man die TU Ilmenau zur Uni Mailand vergleichen?

Ich vergleiche die zwei Standorte gerne, allerdings muss man berücksichtigen, dass ich den Vergleich zwischen der aktuellen Lage in Ilmenau und meiner Zeit als Student in Italien ziehe. Dazwischen liegen einige Jahre und mindestens eine Reform, also ist es möglich, dass Sachen heutzutage in Mailand anders laufen. Die Universität in Mailand ist groß, mein Studiengang war beliebt und ich saß im Hörsaal mit über 200 anderen Studierenden. Der Kontakt zu den Professoren war deswegen ein anderer. Mein Studium umfasste zehn Semester, kein Praktikum und eine Diplomarbeit. Ein großer Unterschied sind die Prüfungen. In Italien hat man sieben Mal im Jahr die Möglichkeit, für eine Prüfung anzutreten, jeweils drei Mal nach dem Sommer- und Wintersemester und einmal im September. Es gibt keine Regel, dass man nach einer gewissen Anzahl an Fehlversuchen durchgefallen ist. Ich finde das System besser, weil man immer wieder versuchen kann, seine Note zu verbessern. Ein anderer Vergleichspunkt: Alle Materialien und mündlichen Prüfungen waren öffentlich zugänglich. Daraus folgt, dass es kein Recycling bei den Klausuren gab und jede völlig neu war. Die mündlichen Prüfungen in Italien sind auch öffentlich. Abgesehen von dem Prüfenden ist man mit 40 weiteren Studierenden in einem Hörsaal und alle können zusehen. Wenn man selbst in einigen Tagen geprüft wird, kann man die Fragen selbst für sich beantworten und das finde ich richtig gut. Italien ist außerdem viel theorieorientierter in der Lehre.

Was war ihr Ansporn, in die Forschung auf Ihrem Fachgebiet zu gehen?

Es hat sich ein bisschen zufällig ergeben, weil es hat sich festgestellt, dass meine Fähigkeiten gut für die Forschung geeignet sind. Man benötigt Verständnis von Mathematiktheorie und eine Arbeitsweise, die kaum Praxisbezug hat. Ich bin nicht beunruhigt, wenn etwas nicht funktioniert. Dafür habe ich die richtige Neigung und es macht mir Spaß.

An welchen Projekten möchten Sie gerne noch forschen?

Das Leben ist zu kurz, um alles zu machen und ich liebe jede Art von Wissenschaft. Abgesehen von dem Gebiet des Mobilfunks, auf dem wir gerade die Standardisierungen für 5G und 6G anpassen, liegt meine Forschung zurzeit in der Frage, wie man Menschen managt. Zu meinen Aufgaben beim Fraunhofer-Institut für Integrierte Schaltungen gehört die Abteilungsleitung. Dafür muss ich mich psychologisch auskennen und Problematiken mit Menschen lösen können. Mir gefällt es am meisten, komplizierte Probleme zu lösen und eine Gruppe voller Individuen zu leiten, ist herausfordernd. Das macht mir Spaß. Bis jetzt habe ich keine großen Probleme gehabt, neue herausfordernde Themen zu finden, die ich gerne angegangen bin. Daher mache ich mir keine Gedanken, dass in der Zukunft anders sein wird. 

An welchen Punkten kommen Menschen im Alltag mit Ihrer Forschung in Berührung?

Elektronische Messtechnik und Signalverarbeitung ist ein sehr zentrales Thema für die Gesellschaft, da es weit über typische Kommunikation hinausgeht. Es geht darum, dass Maschinen selbst miteinander kommunizieren. Es gibt kaum eine Industrie, mit der wir im Alltag in Berührung kommen, die nicht von Kommunikation und Messtechnik abhängig ist. Daraus folgt die hohe Relevanz für die Gesellschaft.

Mehrantennensysteme (MIMO-Systeme) sind im Bereich der kabellosen Kommunikation eines der aktivsten Forschungsgebiete seit 2015. Wie kamen Sie im Jahr 2007 auf das Interesse an der Kanalmodellierung für ihre Doktorarbeit?

Die Forschung liegt darin, Technologien mit Potential zu untersuchen, die nicht genügend ausgearbeitet sind. Zu meiner Zeit war bei MIMO-Systemen nicht klar, wie groß die Kapazität sein wird oder was die besten Algorithmen sind, um eine Kapazität zu erschöpfen.

Mit welchem Ergebnis haben Sie damals gerechnet?

Ich habe es in meiner Promotion so erlebt, dass man weiß, wo man mit der Forschung startet, aber nicht weiß, wo sie endet. Die Wahrscheinlichkeit ist gering, dass man wie Leibniz in die Geschichte eingeht. Wenn man eine Idee hat, muss man schauen, was es zu dem Thema bereits gibt. Es ist kein schlechtes Zeichen, wenn das Thema bereits veröffentlicht wurde, weil es bestätigt, dass die Idee gut war. Ich nehme das persönlich sehr locker, weil ich mir wünsche, einen großen Beitrag zu leisten, aber mit jedem Fortschritt zufrieden bin. Um die Frage abschließend zu beantworten: Ich hatte eine Idee, in die ich eintauchen wollte, aber kein Ziel, das ich angestrebt habe.

Welche neuen Arbeitsweisen haben sich beim Fraunhofer-Institut für Integrierte Schaltungen für Sie ergeben?

Das sogenannte Fraunhofer-Modell strebt an zu einem Drittel aus der Industrie finanziert zu sein. Daraus folgt der Anspruch und der Druck, praxisfähige Technologien zu schaffen. Das zwingt den Fokus zu liegen, bei Technologien die das Potential haben, praxisrelevant zu werden. Diese klare Balance zwischen Theorie und Praxis habe ich beim Fraunhofer näher kennengelernt.

Welchen Fortschritt erhoffen Sie sich in den nächsten fünf bis zehn Jahren auf Ihrem Fachgebiet?

Das ist eine schwierige Frage, weil man an Grenzen zu anderen Forschungsfeldern arbeiten muss und es kaum einschätzen kann, welche Möglichkeiten sich dadurch ergeben und wann diese ausgeschöpft sind. Zwei Themen, die klar definiert werden können, sind Künstliche Intelligenz und die Quantenkommunikation. Hier werden aber ganz andere Spielregeln gelten, die wir erforschen müssen.

Interview: Jacqueline Züchner

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Prof. Giovanni Del Galdo

Leter des Fachgebiets Elektronische Messtechnik und Signalverarbeitung