Forschung

Systemoptimierung für nachhaltige Ressourcennutzung in Afrika

Um die soziale und wirtschaftliche Entwicklung in Afrika zu fördern und zu einer nachhaltigen und sicheren Versorgung der Menschen mit Wasser, Energie und Lebensmitteln beizutragen, forschen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in Deutschland und Ruanda gemeinsam an der Optimierung von Prozessen und Systemen für eine nachhaltige Ressourcennutzung. Möglich macht das eine Hochschulkooperation der Technischen Universität Ilmenau und des African Institute for Mathematical Sciences (AIMS) in Ruanda, die von der Alexander-von-Humboldt-Stiftung (AvH) und dem Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) mit Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) für einen Forschungslehrstuhl und vier Postdoktoranden- und Doktorandenstipendien gefördert wird: Bereits seit Sommer 2021 hat der Ilmenauer Forscher Dr. Abebe Geletu den deutschen Forschungslehrstuhl für Mathematik und ihre Anwendung am AIMS Ruanda inne. Am 1. Mai 2022 konnten nun auch die ersten Stipendiaten ihre Forschungstätigkeit in Kigali und Ilmenau aufnehmen.

AIMS Rwanda
Prof. Abebe Geletu möchte gemeinsam mit Prof. Pu Li von der TU Ilmenau Forschungskapazitäten in der Prozessoptimierung am AIMS Ruanda aufbauen

"Die bisherige Forschung zur Optimierung von Prozessen in Wasserverteilungs- und Energiesystemen basiert hauptsächlich auf europäischen Maßstäben und Bedingungen", erklärt Prof. Pu Li, der als Leiter des Fachgebiets Prozessoptimierung der TU Ilmenau die Forschungskooperation auf deutscher Seite leitet: „Die Ergebnisse dieser Arbeiten sind daher nur teilweise auf Länder und Regionen außerhalb Europas übertragbar.“ Doch gerade in den Ländern des Südens sind funktionierende Systeme besonders wichtig zur Versorgung der Menschen mit Wasser, Lebensmitteln und Energie, wie sein Kollege Abebe Geletu aus persönlicher Erfahrung in seinem Heimatland Äthiopien weiß: Vor allem die ländliche Bevölkerung ist – nicht zuletzt durch den fortschreitenden Klimawandel und die Zunahme von extremen Wetterereignissen – von Dürre, Ressourcenknappheit, Armut und Hunger betroffen. „Das ist eine Katastrophe“, so der Wissenschaftler.

Spätestens seit Beginn seiner Promotion in deterministischer Optimierung 1999 an der TU Ilmenau ist es Dr. Geletu deshalb eine Herzensangelegenheit, die Verteilung von Lebensmitteln, Wasser und Energie durch angewandte Mathematik zu optimieren. Auf dem Weg dorthin konnte der Wissenschaftler seine Expertise unter anderem durch die federführende Mitarbeit an Projekten der Deutschen Forschungsgemeinschaft zur Optimierung und dem Betrieb komplexer Systeme mithilfe stochastischer Programmierung weiter ausbauen und 2018 seine Habilitation in stochastischer Optimierung abschließen. Zu seinen Schwerpunkten in Forschung und Lehre gehören seitdem auch die Regelungstechnik und die Künstliche Intelligenz (KI). Diese Expertise im Bereich Optimierung will er nun am AIMS anwenden und weiterentwickeln, denn er ist überzeugt:

Die Optimierung von Systemen spielt einen entscheidenden Beitrag in der Modernisierung und Technologisierung Afrikas

Intelligente Systeme für erneuerbare Energien, Wasserverteilungsnetze und nachhaltige Lieferketten

Gemeinsam mit Professor Pu Li hat es sich der Optimierungsexperte jetzt zum Ziel gesetzt, Forschungskapazitäten im Bereich der Prozessoptimierung am AIMS Ruanda aufzubauen und durch gemeinsame Forschung und Lehre den länderübergreifenden Transfer von Wissen auf diesem Teilgebiet der angewandten Mathematik zu fördern. Das Institut in Kigali ist eines von derzeit sieben Exzellenzzentren für die Postgraduierten-Ausbildung, Forschung und Beratung in Mathematik und verwandter Wissenschaften in Afrika. Den wissenschaftlichen Nachwuchs vor Ort mit den Anwendungsmöglichkeiten der „auf den ersten Blick vielleicht theoretisch erscheinenden mathematischen Optimierung“ zur Lösung wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Probleme vertraut zu machen, ist deshalb auch eines der Hauptanliegen von Prof. Geletu.

Den Fokus seiner Tätigkeit legt der Wissenschaftler dabei auf mathematische Ansätze zur Optimierung und Steuerung von intelligenten Systemen für erneuerbare Energien, Wasserverteilungsnetze und nachhaltige Lieferketten in der Agrar- und Ernährungswirtschaft insbesondere in entlegenen Gebieten ohne Netzanschluss. Die langjährigen Erfahrungen des AIMS Rwanda Lehrstuhlinhabers an der TU Ilmenau und die Expertise des Fachgebiets Prozessoptimierung, wo bereits entsprechende Optimierungsansätze entwickelt und in verschiedenen industriellen Prozessen angewendet worden sind, bilden dafür eine hervorragende Basis. Zudem ist Prof. Geletu durch seine engen Beziehungen nach Ilmenau und Äthiopien, wo er als Gastprofessor an der Haramaya Universität und der Addis Abeba Universität unterrichtet, nicht nur international gut vernetzt. Um seine Expertise in die praktische Anwendung zu bringen, wird er auch eng mit lokalen und regionalen Universitäten und Ingenieuren aus der afrikanischen Industrie zusammenarbeiten.

Auch die vier PhD-Studierenden und Postdoktoranden, die im Mai 2022 ihre Tätigkeit am AIMS in Ruanda aufgenommen haben, werden von einer parallelen Ausbildung in Kigali und Ilmenau und modernen Forschungsansätzen beider Seiten profitieren, ist Prof. Pu Li überzeugt:

Aus insgesamt 47 Bewerbungen konnten wir im Frühjahr drei Stipendiaten und eine Stipendiatin auswählen, die jetzt mit großer Motivation ihr Projekt beginnen werden.

Die Nachwuchswissenschaftler haben ihren Hauptsitz am AIMS-Zentrum in Kigali, kommen aber auch für Forschungsaufenthalte nach Ilmenau und werden gemeinsam von der TU Ilmenau und AIMS Ruanda betreut. Bei ihrer Arbeit werden sie sich vor allem darauf konzentrieren, fortschrittliche Methoden und Spitzentechnologien für eine optimale Nutzung von Microgrids für eine nachhaltige Energieerzeugung und -verteilung und eine intelligente Steuerung und Überwachung von Wasserverteilungsnetzen zu entwickeln.

Zugleich sollen die Forschungsaufenthalte der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in Deutschland und Ruanda dazu dienen, internationale Kontakte zu knüpfen, unterschiedliche Kulturen kennen zu lernen und Lehrveranstaltungen in beiden Ländern zu besuchen, so Prof. Li:

Forschung lebt von Austausch und Dialog. Mit dem länderübergreifenden akademischen Austausch wird die Grundlage für multidisziplinäre und vielfältige Forschungsbeiträge vor unterschiedlichen kulturellen, persönlichen und wirtschaftlichen Hintergründen gelegt, die moderne Ansätze hervorbringen werden, um die gesellschaftlichen und infrastrukturellen Probleme in Afrika besser zu verstehen und zu einer nachhaltigen, qualitativ hochwertigen, sicheren und kostengünstigen Versorgung der Menschen mit lebenswichtigen Ressourcen beizutragen.

Prof. Dr.-Ing. habil. Pu Li

Leiter Fachgebiet Prozessoptimierung