Forschung

„Wir optimieren die Wasserqualität mit Mathematik“

Wasser ist eine der essenziellen Ressourcen allen Lebens. Allen Menschen einen Zugang zu sauberem Trinkwasser zu gewährleisten und dessen Qualität zu sichern, ist nicht nur Aufgabe der Politik. Auch Wissenschaftler wie Prof. Pu Li, Leiter des Fachgebiets Prozessoptimierung an der TU Ilmenau, leisten mit ihrer Forschung einen wichtigen Beitrag für unsere Wasserversorgung. Anlässlich des Weltwassertags berichtet Prof. Li, wie er durch mathematische Modellierung und Optimierung nicht nur Wasser vor Verunreinigungen schützt, sondern auch den Energieverbrauch in Wasserwerken reduzieren möchte.   

Prof. Li, der Zugang zu sicherem und bezahlbarem Trinkwasser für alle gehört zu den 17 Nachhaltigkeitszielen der UN. Wie tragen Sie mit Ihrer Forschung zur Erreichung dieses Zieles bei?

Mit der Forschung an unserem Fachgebiet nutzen wir die mathematische Modellierung und Optimierung, um z.B. den Wasserverlust in der Wasserversorgung zu minimieren, die Wasserqualität zu verbessern sowie den Energieverbrauch der Wasserversorgung und die damit verbundenen Kosten zu reduzieren. In verschiedenen Forschungsprojekten arbeiten wir mit universitären Forschungspartnern, aber auch Partnern aus der Industrie zusammen. In Reallaboren werden unsere Forschungsergebnisse dann in der Anwendung erprobt.

Um eine saubere Trinkwasserversorgung zu gewährleisten, greifen Sie auf die mathematische Optimierung bzw. Prozessoptimierung zurück. Wie gehen Sie dabei vor?

Es reicht nicht aus, einzelne Stichproben zur Bestimmung der Wasserqualität durchzuführen. Man muss das gesamte Wasserverteilungssystem untersuchen. Wir beschreiben dieses mit Hilfe von Mathematik, d.h. wir bilden es mit Formeln und Gesetzmäßigkeiten ab – modellieren es also. So können wir das Versorgungsnetz an vielen Stellen optimieren, z.B. können wir besser bestimmen, wo Ventile zur Reduzierung des Wasserdrucks eingebaut werden sollten oder an welchen Stellen die Rohre mit frischem Wasser durchgespült werden müssen. Die Optimierungsmethodik verbessert also die Wasserqualität und die Bewirtschaftung.

Ihre Forschung hat einen praktischen Bezug. Zum Beispiel kooperiert Ihr Fachgebiet mit dem „African Institute for Mathematical Sciences“ (AIMS) in Ruanda, um durch mathematische Optimierungsansätze Lösungen für die dortige Wasserversorgung zu entwickeln.

Das Projekt ist auf fünf Jahre ausgelegt und wird vom DAAD und dem BMBF gefördert. Wir pflegen einen engen Austausch. Durch regelmäßige Projekttreffen in Kigali und Ilmenau vertiefen wir unsere Zusammenarbeit. Drei Doktoranden und ein Post-Doc vom AIMS Ruanda forschen derzeit an der TU Ilmenau. Sie sollen unsere Forschung über Optimierungsmethoden kennenlernen und in Ruanda in der Praxis weiterentwickeln.

Warum ist der Zugang zu sauberem Trinkwasser in diesem Land so schwierig?

Die Sicherung der Wasserqualität ist ein Problem in Ruanda. Dort darf man das Wasser aus dem Wasserhahn nicht trinken, bei unserem Besuch im letzten Jahr haben wir daher nur abgepacktes Wasser aus Flaschen getrunken - denn der Wasseraufbereitungsprozess ist komplex und teuer: Trinkwasser wird aus einem Reservoir oder aus dem Grundwasser entnommen. Durch einen sehr feingliedrigen Prozess muss dieses aufbereitet werden, bis es bedenkenlos trinkbar ist. Dieser Prozess funktioniert in Ruanda nicht so gut wie in Deutschland. Auch die Rohrleitungen haben Mängel. Es gibt also noch viel zu tun. Unsere Arbeit setzt bei der Untersuchung der Wasserversorgung an. Zunächst müssen wir Probleme identifizieren und finden dann Lösungen, um den Menschen vor Ort zu helfen.

Bei der Kooperation betrachten Sie auch die Agrarproduktion. Wie soll diese nachhaltiger gestaltet werden?

Die Landwirte in Ruanda müssen ihre Güter aufwändig mit dem Fahrrad zum Markt transportieren, um diese zu verkaufen. Wir wollen ihnen helfen, ihr Supply Chain Management zu verbessern und effizienter zu machen. Es gibt dort kaum adäquate Lager, die z.B. Kartoffeln lange frisch halten können – auch, weil diese eine entsprechende Kühlung benötigen, welche viel Energie verbraucht. Ein Ansatz, Ressourcen zu sparen, ist die Installation einer Solaranlage auf dem Dach der Lagergebäude. Wie diese Systeme optimal ausgelegt werden können, ist eine weitere Fragestellung, mit der wir uns im Rahmen der Forschung und Zusammenarbeit befassen.

Derzeit ist Ihr Fachgebiet Teil von mehreren spannenden Forschungsprojekten mit Bezug zur Wasserversorgung, darunter „MoDiCon“, das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert wird. Mit Hilfe eines Online-Systems soll die Wasserqualität automatisiert überwacht werden.

Im Verbundprojekt arbeiten wir mit dem Technion Israel Institute of Technology, der Technischen Universität Hamburg Harburg sowie den Wasserwerken „Hamburg Wasser“ und der bbe Moldaenke GmbH, einem Hersteller für Produkte der Umwelttechnologie, zusammen. Ziel ist das Real-Time-Monitoring des Trinkwassers. Faktoren, wie die Konzentration von Schadstoffen im Wasser oder die Verweildauer des Wassers im Rohrleitungssystem, bestimmen den Grad der Verunreinigung. Sensoren, die entlang des gesamten Leitungsnetzes installiert werden, melden sofort, wenn eine solche Verunreinigung gemessen wird, und wo genau. Mit dem Know-how unseres Fachgebiets berechnen wir entsprechende Maßnahmen und können sofort reagieren. Typischerweise wird dann das Netzsegment schnell isoliert, gespült und das abgestandene Wasser abgepumpt, damit die Verunreinigung örtlich begrenzt bleibt und sich die Kontamination nicht über das gesamte Netz verbreitet. In den nicht betroffenen Netzteilen ist dadurch die Trinkwasserversorgung nicht gefährdet.

In einem DFG- Projekt, „Optimales Druck- und Wasserverweildauer-Management in Wasserversorgungssystemen“, beschäftigen Sie sich mit Wasserverteilungssystemen. Was ist das Ziel dieses Vorhabens?

Wir wollen den Energieverbrauch und damit auch die Kosten in Wasserwerken senken. Das soll uns gelingen, indem wir den Wasserverlust minimieren. In Deutschland haben wir etwa 10 Prozent Verlust, in Entwicklungsländern sogar 30 Prozent. Ziel des Vorhabens ist es, den Betriebsdruck zu reduzieren, sodass das Wasser insgesamt langsamer fließt und der Wasserverlust so reduziert wird. Hierzu installieren wir Druckreduzierventile in die Wasserverteilungsnetze. Eine Herausforderung dabei ist es, die Positionen, an denen die Ventile angebracht werden sollen, optimal zu berechnen, sodass der größtmögliche Nutzen entsteht. Wir wollen den Wasserverlust auf nur noch z.B. fünf Prozent reduzieren. Zugleich soll die Wasserverweildauer, also wie lange das Wasser im Rohr verbleibt, minimiert werden, sodass die Wasserqualität verbessert wird.

Zur Person:

Prof. Pu Li leitet seit 2005 das Fachgebiet Prozessoptimierung an der TU Ilmenau. In seiner Forschung beschäftigt sich Prof. Li mit der mathematischen Modellierung und Optimierung – bezogen auf verschiedene Anwendungen wie Autonomes Fahren, Energiesystemtechnik, Wasserbewirtschaftung, und Systembiologie. Der Wissenschaftler promovierte an der TU Berlin, sein dortiger Forschungsschwerpunkt lag auf der verfahrenstechnischen Prozesstechnik.

Kontakt

Prof. Pu Li

Leiter des Fachgebiets Prozessoptimierung