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Corona-Krise: Ilmenauer Kommunikationsforscher ziehen Zwischenfazit

In einer aktuellen Buchveröffentlichung haben Kommunikationswissenschaftler der TU Ilmenau die Rolle der Medien bei der Bewältigung der Corona-Krise untersucht. Ihre Forschungsergebnisse zeigen, dass die Bevölkerung die Berichterstattung der Medien über die Krise überwiegend positiv beurteilt.

Dieser Befund ist nach Einschätzung der Wissenschaftler alles andere als selbstverständlich, da Medienschelte und zum Teil auch offene Angriffe gegen Journalistinnen und Journalisten in den letzten Jahren zugenommen haben. Die große Mehrheit der Bevölkerung bringt den Medien aber auch während der Krise Vertrauen entgegen und hält die Berichterstattung für korrekt. Die Auswertungen des Forscherteams verdeutlichen, dass es den journalistischen Medien während des gesamten ersten Krisenjahres gelungen ist, den Bürgerinnen und Bürgern glaubhafte Informationen zu vermitteln und deren Erwartungen größtenteils zu entsprechen. Diese Leistung ist – so die Ilmenauer Forscher – auch für die gesellschaftliche Bewältigung der Krise von großer Bedeutung.

Vier Befragungen zur Berichterstattung der Medien

Die Ergebnisse des Buches beruhen auf Analysen einer vierwelligen Panelbefragung aus dem Jahr 2020, in der zu vier Zeitpunkten repräsentativ untersucht wurde, wie die deutsche Bevölkerung die multiple Krise wahrnimmt, welche Emotionen und Einstellungen sie entwickelt und wie sich die Menschen angesichts der Bedrohungen und Einschränkungen verhalten. Zudem wurde analysiert, wie die Bevölkerung die Berichterstattung der Medien genutzt, wahrgenommen und bewertet hat. 

Eine multiple Krise, die alle Bereiche des öffentlichen Lebens durchdringt und selbst vor dem Privatleben der Menschen nicht Halt macht, kann zu einem gefährlichen Sprengstoff für den gesellschaftlichen Zusammenhalt werden. Eine unkalkulierbare Krise des Gesundheitssystems kombiniert mit der Gefahr einer schweren ökonomischen Rezession, erheblichen sozialen Verwerfungen und massiven Eingriffen in bisher selbstverständliche Freiheitsrechte bilden auch für eine relativ stabile Demokratie einen gefährlichen Cocktail. Trotz dieser durchaus explosiven Ausgangslage „hat die Gesellschaft in Deutschland während des ersten Krisenjahres weitgehend zusammengehalten“ so das Resümee der Ilmenauer Wissenschaftler. Allerdings gebe es auch einige kritische Punkte, besonders in Bezug auf die sozialen Aspekte der Krise: Die Politik tue hier zu wenig und die Medien berichten zu wenig, so die Mehrheit der Befragten.

Erwartung an Weiterentwicklung nach der Pandemie: Soziale Gerechtigkeit und Umweltschutz 

Ein weiterer Schwerpunkt der Untersuchung lag auf den Erwartungen an die Weiterentwicklung der Gesellschaft nach der Pandemie. Die Auswertungen zeigen ein großes Einvernehmen darüber, dass die Corona-Krise für gesellschaftliche Veränderungen genutzt werden sollte. Die größte Zustimmung findet ein Zukunftsentwurf, der darauf setzt unser Leben in einer modernen, entwickelten Gesellschaft zu verbessern. Bessere Ausstattung des Bildungs- und Gesundheitssystems, schnelles Internet und (mit Abstrichen) eine Ankurbelung des Konsums gehören dazu. Fast gleichauf mit dieser Zukunftsvision ist allerdings die Zustimmung zu einer Politik der sozialökologischen Erneuerung: Mehr soziale Gerechtigkeit, mehr Umweltschutz und klare Grenzen für einen ungezügelten Markt sind die zentralen Komponenten dieses Zukunftsbildes.

Schon 2020 war damit das politische Spannungsfeld, das die nächste Bundestagswahl prägen wird, klar umrissen. Rückwärtsgewandte Positionen eines populistischen Revisionismus finden hingegen deutlich weniger Anhänger. Eine Politik der Abschottung und die ideologisch motivierte Überbetonung individueller Rechte gegenüber kollektiver Verantwortung sind in Deutschland nicht mehrheitsfähig.

Nach Ansicht der Ilmenauer Wissenschaftler hat die Corona-Pandemie das Potential einen gesellschaftlichen Aufbruch anzustoßen, der dazu beitragen könnte, gesellschaftliche Verkrustungen aufzubrechen.

Das von Prof. Jens Wolling, Privatdozent Dr. Christoph Kuhlmann, Dr. Christina Schumann, Priscila Berger und Dr. Dorothee Arlt verfasste Buch umfasst 139 Seiten und ist im Universitätsverlag Ilmenau als Band 8 der Reihe "Kommunikationswissenschaft interdisziplinär" erschienen. Es ist kostenlos online verfügbar unter: https://doi.org/10.22032/dbt.48770.

Kontakt

Prof. Jens Wolling

Leiter Fachgebiet Empirische Medienforschung und politische Kommunikation