Auszeichnungen

Preis für Patientensicherheit: Neuer Messansatz hilft Risiko für Nervenverletzungen während OPs zu reduzieren

Für ihre Arbeit zu intraoperativem Neuromonitoring des Beckens erhält Ramona Schuler, Doktorandin am Institut für Biomedizinische Technik und Informatik (BMTI) der TU Ilmenau, den Preis für Patientensicherheit in der Medizintechnik 2023. In ihrer von Prof. Jens Haueisen betreuten Dissertation entwickelte sie einen neuen Messansatz, um autonome Nerven im Beckenbereich zu identifizieren, und überprüfte ihn in zwei Studien auf technische bzw. klinische Machbarkeit. Damit trägt sie dazu bei, Folgeschäden für Patientinnen und Patienten durch Operationen an Enddarm, Prostata oder Gebärmutter zu vermeiden. Der Preis ist mit 5.000 Euro dotiert und wird von der Deutschen Gesellschaft für Biomedizinische Technik (VDE DGBMT) und dem Aktionsbündnis Patientensicherheit (APS) vergeben.

Protraitfoto Ramona Schuler privat
Ramona Schuler, a doctoral student at the Institute of Biomedical Engineering and Informatics (BMTI) at TU Ilmenau, has been awarded the 2023 Prize for Patient Safety in Medical Technology

Operationen im Beckenbereich sind ohnehin anspruchsvoll, hinzu kommt eine sehr empfindliche Anatomie: Im Beckenboden befindet sich ein feines, hochkomplexes Geflecht aus autonomen Nerven, welche die glatte Muskulatur der inneren Organe mit Signalen versorgen. Wird dort ein operativer Eingriff durchgeführt, so ist die Gefahr sehr hoch, dieses Geflecht zu verletzen. Folgeschäden sind etwa Inkontinenz oder sexuelle Funktionsstörungen. „Beckennerven sind visuell sehr schwer zu identifizieren, weshalb ein Chirurg technische Hilfsmittel braucht“, erklärt Ramona Schuler.

Meine Motivation war, eine Lösung zu finden, die schnell valide Ergebnisse liefert und den Chirurgen während einer OP bestmöglich unterstützt.

Autonome Nerven über elektrischen Gewebewiderstand der Zielorgane identifizieren

Die bislang einzige kommerziell verfügbare Methode nutzt das sonst für die Untersuchung von Skelettmuskulatur verwendete EMG (elektromyographische Untersuchung), bei der die elektrische Aktivität der Muskeln, die Rückschlüsse auf die zugehörigen Nerven ermöglicht, anhand von Aktionsströmen der Muskeln gemessen wird, in Kombination mit einer Blasendruckmessung. Vor jeder Stimulation muss allerdings die Blase gefüllt und danach wieder abgelassen werden, was mit einigem Zeitaufwand verbunden ist. Der neue Ansatz von Ramona Schuler arbeitet dagegen mit der Bioimpedanzmessung, die auch bei entleerter Blase zu validen Ergebnissen führt. Gemessen wird hierbei der elektrische Gewebewiderstand. „Da wir es mit vielen Impedanzänderungen an den Zielorganen zu tun haben, die interpretiert werden müssen, habe ich ein software-gestütztes Analyse-Tool entwickelt“, so Schuler. AMINA (Automatic Muscle Impedance and Nerve Analyzer) wertet die erfassten Daten aus und hilft dem Chirurgen oder der Chirurgin dabei, während der OP schnell und einfach funktionale autonome Nerven zu erkennen.

Gestartet hat Ramona Schuler ihre berufliche Karriere nach Abschluss ihres Medizintechnikstudiums 2016 beim Neuromonitoring-Spezialisten Dr. Langer Medical in Waldkirch (Baden-Württemberg). Nach ein paar Jahren im Produktmanagement mit Schwerpunkt Forschung und Entwicklung erhielt sie 2019 das Angebot zu promovieren. „Schon in meiner Masterarbeit lag mein Fokus auf Neuromonitoring autonomer Nerven, die Dissertation an der TU Ilmenau zu diesem Thema war die logische Fortsetzung“, so Schuler. „Nach den ersten Machbarkeitsstudien werden wir nun im Team bei Dr. Langer Medical weiter an der neuen Messmethode arbeiten, so dass das Produkt auf den Markt kommen kann.“

Die Deutsche Gesellschaft für Biomedizinische Technik im VDE (VDE DGBMT) ist die wissenschaftlich-technische Fachgesellschaft für Medizintechnik in Deutschland. Sie vernetzt Expertinnen und Experten aus allen Bereichen der Technikanwendungen in der Medizin und bearbeitet das gesamte Themenspektrum der Biomedizinischen Technik.

Im Aktionsbündnis Patientensicherheit e. V. (APS) haben sich Vertreter der Gesundheitsberufe, ihrer Verbände, der Patientenorganisationen sowie aus Industrie und Wirtschaft zusammengeschlossen, um eine gemeinsame Plattform zur Verbesserung der Patientensicherheit in Deutschland aufzubauen. Es setzt sich für eine sichere Gesundheitsversorgung ein und widmet sich der Erforschung, Entwicklung und Verbreitung dazu geeigneter Methoden.

 

Mehr Infos zur neuen Methode des intraoperativen Neuromonitorings des Beckens

Schuler, R., Goos, M., Langer, A. et al. A new method of intraoperative pelvic neuromonitoring: a preclinical feasibility study in a porcine model. Sci Rep 12, 3696 (2022): https://doi.org/10.1038/s41598-022-07576-8

Schuler, R., Marquardt, C., Kalev, G. et al. Technical aspects of a new approach to intraoperative pelvic neuromonitoring during robotic rectal surgery. Sci Rep 13, 17156 (2023). https://doi.org/10.1038/s41598-023-41859-y