Auszeichnungen

Sichere und energieeffizientere Fahrzeugsysteme: Forschungskooperation ebnet Weg für künftige Entwicklungen im KI-unterstützten Systemdesign

Wissenschaftler der Technischen Universität Ilmenau und der Robert Bosch GmbH sind auf der renommierten IEEE Symposium Series on Computational Intelligence (SSCI) für ihren wegweisenden Beitrag zum KI-unterstützten Systemdesign ausgezeichnet worden. Der Best Paper Award ging an M.Sc. Patrick Hoffmann und Dr. Kirill Gorelik von der Robert Bosch GmbH in Renningen sowie an PD Dr. habil. Valentin Ivanov von der TU Ilmenau. Ihr preisgekrönter Artikel mit dem Titel "Applicability Study of Model-Free Reinforcement Learning towards an Automated Design Space Exploration Framework" unterstreicht die Anwendbarkeit von Reinforcement Learning für eine automatisierte Designraumexploration am Beispiel zukünftiger Fahrzeugarchitekturen und wurde online auf IEEE Xplore© veröffentlicht.

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In ihrem Beitrag zeigen die Wissenschaftler der TU Ilmenau und der Robert Bosch GmbH einen innovativen KI-Ansatz auf, der es ermöglicht, optimale Betriebsstrategien für verschiedene Fahrzeugtopologien automatisiert zu generieren. Dieser könnte in der E-Mobilität zum Einsatz kommen.

Kraftfahrzeuge sollen immer energieeffizienter, umweltverträglicher, sicherer und zuverlässiger sein. Gleichzeitig sollen sie das Fahren aber auch so angenehm und unterhaltsam wie möglich machen und möglichst preiswert sein. In der Automobilindustrie ist die systemübergreifende Integration daher ein bedeutender Trend: Indem im Kontext der Elektromobilität der elektrische Antriebsstrang, Brake-by-wire Bremssysteme und Steer-by-wire Lenksysteme sowie eine zentrale Elektrisch/Elektronische-Architektur (E/E-Architektur) domänenübergreifend miteinander verbunden werden, ergeben sich neue Möglichkeiten, die Fahrzeugdynamik zu verbessern.

Dies führt jedoch dazu, dass moderne Fahrzeuge heutzutage wesentlich komplexer sind als noch vor wenigen Jahren. So wird beispielsweise der Energiebedarf des Gesamtfahrzeugs und somit die Reichweite nicht nur durch die Antriebskomponenten, sondern auch durch weitere Verbraucher wie zum Beispiel die Lenkung oder auch die Klimatisierung bestimmt. In Verbindung mit der bereichsübergreifenden Systemintegration sind daher viele unterschiedliche Designvarianten denkbar.

Optimale Betriebsstrategien für verschiedene Fahrzeugtopologien

Vor dem Hintergrund dieses umfangreichen Gestaltungsspielraums ist vor der Fahrzeugkonstruktion eine Designstudie unerlässlich, um die Fahrzeugfunktionen und Kosten zu optimieren.

Die Herausforderung besteht darin, für jedes denkbare Design eine individuelle Betriebsstrategie zu entwickeln, um alle Aktoren optimal anzusteuern, was bisher nur mit erheblichem manuellen Aufwand möglich ist

erklärt Patrick Hoffmann, Systemingenieur bei der Robert Bosch GmbH und Doktorand an der TU Ilmenau.

In ihrem Beitrag, den Hoffmann stellvertretend für die Forschungsgruppe bei der IEEE Symposium Series on Computational Intelligence in Mexiko präsentierte, zeigen die Wissenschaftler der TU Ilmenau und der Robert Bosch GmbH einen innovativen KI-Ansatz auf, der es ermöglicht, optimale Betriebsstrategien für verschiedene Fahrzeugtopologien automatisiert zu generieren. Dabei greifen sie auf das so genannte Reinforcement Learning (RL, auch bestärkendes Lernen genannt) zurück, das sich in den letzten Jahren als besonders geeignet erwiesen hat, um komplexe Steuerungsaufgaben effizient und mit reduzierter Entwicklungszeit zu bewältigen. Diese Methode des Maschinellen Lernens, bei der ein Software-Agent nach dem “Trial and Error”-Prinzip selbständig eine Strategie erlernt, um erhaltene Belohnungen zu maximieren, ermöglicht es, optimale Aktuatoransteuerungen automatisiert zu identifizieren und so maßgeschneiderte Betriebsstrategien für vielfältige Systemkonfigurationen zu generieren.

In ihrer Arbeit untersuchen die Wissenschaftler nicht nur diverse Fahrzustände sowie verschiedene Lenk-, Brems- und Antriebssystem-Kombinationen und Anordnungsoptionen im Entwurfsraum. Auch die Komponentendimensionierung, redundante Aktuatoren und Fehlerfälle werden betrachtet.

Ziel der Untersuchungen ist es, Alternativen zum klassischen Fahrzeugdesign zu finden, bei denen beispielsweise Bremse oder Antrieb sicherstellen, dass das Fahrzeug sicher in der Spur gehalten wird, auch wenn ein Lenkungsfehler auftritt

erklärt Patrick Hoffmann.

Um für solche Fälle eine Strategie für die richtige Ansteuerung aller Komponenten zu finden, müssen Ingenieurinnen und Ingenieure aktuell viele Einstellungen auf Basis von Methoden der Regelungstechnik manuell vornehmen. Der neue KI-Ansatz der Wissenschaftler vermeidet solche manuellen Aufwände bei der optimalen Ansteuerung sogenannter multiaktuatorischer Systeme und ermöglicht es stattdessen, verschiedene Konfigurationen automatisiert zu untersuchen. Mithilfe einer designspezifischen Betriebsstrategie lässt sich das Systemverhalten umfassend analysieren und verschiedene Systemdesigns können effizient miteinander verglichen werden.

Erfolgreiche Zusammenarbeit im Rahmen der Forschungsoffensive Digitale Mobilität

Die Auszeichnung mit dem Best Paper Award unterstreicht nicht nur die herausragende Leistung der Forscher, sondern auch die erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen dem Thüringer Innovationszentrum Mobilität mit seiner Forschungsoffensive ‚Digitale Mobilität‘, dem Fachgebiet Regelungstechnik an der TU Ilmenau und der Robert Bosch GmbH

so Jochen Walther, Leiter der Abteilung „Advanced Vehicle Systems“ im Bosch Zentralbereich für Forschung und Vorausentwicklung:

Diese wegweisende Forschung ebnet den Weg für künftige Entwicklungen im Bereich des KI-unterstützten Systemdesigns mit dem Ziel sicherer und energieeffizienterer Systeme.

Ihren innovativen Ansatz im Systemdesign wollen die Wissenschaftler nun auch im Rahmen weiterer Projekte demonstrieren:

Unser Ziel ist es, den weiteren Nutzen dieser KI-Methoden in interdisziplinärer Zusammenarbeit mit industriellen und Forschungspartnern in Horizon Europe-Projekten zu neuen Elektrofahrzeugkonzepten wie OWHEEL, EM-TECH oder SmartCorners aufzuzeigen

so Dr. Valentin Ivanov von der Arbeitsgruppe "Smart Vehicle Systems" am Fachgebiet Regelungstechnik.

Die IEEE Symposium Series on Computational Intelligence (SSCI) fand vom 5. bis 8. Dezember 2023 in Mexico City statt. Die jährlich stattfindende Flaggschiff-Konferenz, die von der IEEE Computational Intelligence Society organisiert wird, dient als Forum für die multidisziplinäre Forschung zu Computational Intelligence (CI, auch Soft Computing genannt), einem Teilgebiet der Künstlichen Intelligenz, die sich mit der Informationsverarbeitung in natürlichen, insbesondere biologischen Systemen und ihrer Umsetzung in algorithmische Konzepte für komplexe Problemstellungen beschäftigt, die sich mit herkömmlichen Methoden nur schwer oder noch gar nicht bearbeiten lassen.

Publikation

P. Hoffmann, K. Gorelik and V. Ivanov, "Applicability Study of Model-Free Reinforcement Learning Towards an Automated Design Space Exploration Framework," 2023 IEEE Symposium Series on Computational Intelligence (SSCI), Mexico City, Mexico, 2023, pp. 525-532, doi: 10.1109/SSCI52147.2023.10371864.

Kontakt

Dr. Valentin Ivanov, Patrick Hoffmann

Arbeitsgruppe "Smart Vehicle Systems" Fachgebiet Regelungstechnik