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„Ich werde die Geschehnisse mit Interesse aus der Distanz verfolgen“

27 Jahre leitete Günter Springer das Universitätsrechenzentrum (UniRZ) der TU Ilmenau. Mit dem Rechenzentrum verbindet er viele Erinnerungen, denn bereits nach der Schule fing er als Lehrling an der damaligen Technischen Hochschule an. Zu seiner Verabschiedung in den Ruhestand nimmt Günter Springer UNIonline auf eine Zeitreise durch 50 Jahre seiner Tätigkeit mit und blickt auf die Entwicklung des UniRZ – von der DDR-Zeit bis zum Bau des neuen IT-Dienstleistungszentrums.

TU Ilmenau
Nach mehr als 50 Jahren an der TU Ilmenau verabschiedete sich Günter Springer in den Ruhestand.

Guten Tag Herr Springer, seit mehr als 50 Jahren sind Sie an der TU Ilmenau tätig. 1971 haben Sie als Lehrling an der damaligen Technischen Hochschule angefangen, als das jetzige alte Rechenzentrum noch in seinen Kinderschuhen steckte.

Als ich hier als Lehrling im Rechenzentrum anfing, das damals „Organisations- und Rechenzentrum“ (ORZ) hieß, begann ich eine Ausbildung zum „Facharbeiter für elektronische Datenverarbeitung", was ich als dreijährige Ausbildung mit Abitur kombinieren wollte. Das wurde dann aber kurzfristig abgeschafft, sodass ich die Ausbildung ohne Abi in zwei Jahren machte. Glücklicherweise gab es dann im Anschluss einen Abiturlehrgang zwei Jahre, drei Abende die Woche mit sechs Schulstunden  an der Volkshochschule. Abi an der EOS (Erweiterte Oberschule) durften aus meiner Klasse mit 30 Schülern nur zwei Mitschüler machen. Zu dieser Zeit war das nun hoffentlich bald alte Rechenzentrum gerade neu gebaut. Ich schloss übrigens mit der Spezialisierungsrichtung „Programmierassistent“ ziemlich gut ab, arbeitete aber auch als Operator und wurde 1986 Abteilungsleiter dieser Abteilung „Produktion“. Dazu gibt es auch eine Geschichte! Der ZRA 1, der im Helmholtzbau, dem alten Standort des „Instituts für maschinelles Rechnen“ installiert war, wurde durch die ODRA 1204 und den R300 ersetzt. In den darauffolgenden Jahren erlebte ich die Installation verschiedener ESER Anlagen. Mit all diesen Anlagen durfte ich als „Operator“ unmittelbar arbeiten. Als Job-Queue diente die Belegannahme, die später als IT-Service-Desk wiedereröffnet wurde. Das Rechenzentrum hatte noch echtes Herrschaftswissen.

Sie haben Ihr Studium der Mathematik an der TH Ilmenau 1976-1981 in der damaligen „Sektion MARÖK“ Mathematik, Rechentechnik und Ökonomische Kybernetik abgeschlossen. Im Anschluss haben Sie Ihre Arbeit im Rechenzentrum aufgenommen. Was hat sich seitdem am Stand der Technik verändert?

Der Computer-Pionier Gordon Moore sagte vor fast 60 Jahren für die dann kommenden zehn Jahre voraus, dass sich die Zahl der Schaltkreise auf einem Chip jährlich verdoppeln könnte. Auch in den folgenden Jahrzehnten bestätigte sich immer wieder, dass sich die Komplexität von Computerbauteilen in kurzen Abständen verdoppelt. Ich selbst habe mit Rechnern zu arbeiten begonnen, die einen Ferritkernspeicher von 32 bzw. 64k-Byte hatten und gut 15-20qm Stellfläche benötigen. Graphische Datenverarbeitung und Kommunikation zwischen Rechnern gab es nicht. Programmiert wurde in Assembler, was der Maschinensprache sehr nah kam. Jetzt haben wir weltweit vernetzte Computer unterschiedlichster Leistungsklassen, alle haben graphische Oberflächen, die Speicherkapazitäten sind mindestens millionenfach größer und die Anwendungsgebiete sehr vielfältig.

Das Ende meines Studiums fiel mit der Revolution der Mikroelektronik auch in der DDR zusammen. Bereits Anfang der achtziger Jahre hatte ich Zugang zum Quellcode von Unix-Systemen, arbeitete an der Anpassung an Computern des „sozialistischen Wirtschaftsraums“ mit. Viele Nächte verbrachte ich am PDP11-Nachbau, der für die „Schaltkreisentwickler“ im Helmholtzbau installiert war. Nach dem Mauerfall erlebte ich die nächste revolutionäre Veränderung meines Arbeitsumfeldes, die dank meiner Tätigkeit an der TU Ilmenau viel positiver als bei vielen anderen Mitbürgern der DDR verlief. Es wurden neue PC-Pools als „Rechentechnische Kabinette“ eingerichtet, die TU erhielt einen erWin-Anschluss (erweitertes Wissenschaftsnetz) und die Campusvernetzung begann. Bald gab es nicht nur Internet-News, Gopher als alphanumerischen Vorläufer des WWW und den ersten Hacker der TU Ilmenau, den wir noch ertappten.

Von 1995 bis 2022 haben Sie das Universitätsrechenzentrum geleitet und waren zudem seit 2014 Chief Information Officer der Universität und damit verantwortlich für die Weiterentwicklung, Umsetzung und Kontrolle der IT-Strategie der gesamten Universität einschließlich der IT-Sicherheit. Wie haben Sie diese Zeit erlebt?

Als ich am 01.11.1995 die Leitung des UniRZ übernehmen durfte, war noch überall eine unbürokratische Aufbruchsstimmung zu verspüren. Ich empfinde es als großes Geschenk, mein Arbeitsleben mit der Fast-Fertigstellung des UniRZ-Neubaus, dem Grace-Hopper-Bau, abschließen zu können.

Als Leiter des Rechenzentrums haben Sie die Entwicklung dieses neuen IT-Dienstleistungszentrums aktiv mitgestaltet. Was lag Ihnen dabei besonders am Herzen?

Der effektive Einsatz der mir anvertrauten Ressourcen, die Abstimmung der gemeinsamen Ziele zwischen Mitarbeiter:innen und Hochschulleitung, die Gestaltung der Zusammenarbeit des UniRZ mit allen Bereichen der Universität und der Zusammenarbeit der Rechenzentren bundesweit. Ich war Mitglied und auch Vorsitzender entsprechender Gremien (ZKI, DFN, DINI und weitere). Ganz besonders lag mir die Zusammenarbeit der Thüringer Hochschulen am Herzen.

Während Ihrer Karriere haben Sie viel erlebt und viele unterschiedliche Menschen getroffen. Welche Momente und Begegnungen sind Ihnen besonders lebhaft in Erinnerung geblieben?

Die Zeit der Wende mit allen ihren Herausforderungen hatte aber auch Chancen. Ich durfte mit vielen interessanten Persönlichkeiten zusammentreffen. Ich nenne hier nur drei, die leider inzwischen verstorben sind. Der erste Nachwenderektor Prof. Köhler, Frau Prof. Schipanski und Eike Jessen, einer der Gründerväter des DFN-Vereins. Darüber hinaus gab es noch viele besondere Menschen, besonders im Umfeld der Hochschul- und IT-Administration, die erfreulicherweise noch am Leben sind.

Viele von uns kennen Sie als Fußballfan und Radfahrer, der stets umweltfreundlich mit Bus und Rad unterwegs ist. Wofür wollen Sie sich im Ruhestand Zeit nehmen, wofür bisher die Zeit gefehlt hat?

Natürlich möchte ich mir mehr Zeit für die Familie nehmen. Gemeinsam mit meiner Frau bin ich 2017 wieder in mein Elternhaus gezogen. Dort gibt es auch noch etliches zu tun. Dann möchte ich einiges zeitnah ordnen, was die letzten Jahre liegen geblieben ist. Und dann schwirrt mir da noch ein Projekt im Kopf herum, über das ich noch nicht sprechen möchte.

Sie haben sich ja Stück für Stück aus dem aktiven Berufsleben zurückgezogen. Werden Sie auch künftig immer mal wieder an Ihrer Arbeitsstätte vorbeischauen?

Na klar werde ich das und nicht nur im Grace-Hopper-Bau. Vor allem aber werde ich ein Beobachter sein und die Informationen über die sozialen Netzwerke und die Web-Seite der Uni verfolgen.

Wenn ich nun meine aktive Zeit an der TU Ilmenau beende, möchte ich mich bei allen, die mich in meiner Arbeit unterstützt haben, bedanken und bitte alle, denen ich vielleicht Unrecht getan habe, um Vergebung. Den Aktiven an der TU Ilmenau, besonders dem UniRZ und dem HS-ITZ, wünsche ich große und auch kleine Erfolge. Gern und ganz sicher werde ich das in Zukunft aus der Distanz verfolgen!

Impressionen aus Günter Springers Zeit an der TU Ilmenau und seine Verabschiedung