Menschen

In Memoriam Prof. Hans-Jürgen Schorcht

Das Fachgebiet Maschinenelemente trauert um seinen hochgeschätzten ehemaligen Leiter, Prof. Dr.-Ing. habil. Hans-Jürgen Schorcht, der am 3. November 2023 in Ilmenau verstorben ist. Prof. Schorcht war nach seiner Ausbildung zum Flugzeugmechaniker und seinem Studium der Feingerätetechnik von 1962 bis 1968 an der TH Ilmenau zunächst als wissenschaftlicher Assistent und Oberassistent am „Lehrstuhl für Getriebe- und Antriebstechnik" unter der Leitung von Prof. Bögelsack tätig. In dieser Zeit beschäftigte er sich vornehmlich mit Federantrieben und wurde zu diesem Thema im Jahre 1979 an der TH Ilmenau promoviert. Gleichzeitig war er Mitglied in der Arbeitsgruppe „Dokumentation der Getriebetechnik" der Kammer der Technik (KDT) und dann von 1979 bis 1991 selbst Mitglied der KDT.

1980 wechselte Prof. Schorcht zunächst in die Industrie in den „VEB Relaistechnik Großbreitenbach" und war dort Anfang der 80er Jahre als Auftragsleiter Justageautomatisierung im Direktionsbereich Rationalisierung Mitglied eines äußerst erfolgreichen Forschungsteams, dem es erstmalig gelang, die bis dahin manuell durchgeführte Justage von Relais vollständig zu automatisieren. Seine besondere Leistung war es, den neu entwickelten Justageautomaten in die Industrie zu überführen. Dafür wurde er mit einer hohen staatlichen Auszeichnung geehrt.

Nach dieser Industrietätigkeit ging er zurück an die TH Ilmenau als Oberassistent im Wissenschaftsbereich Konstruktionselemente. 1984 erfolgte die Habilitation, 1985 wurde er zum außerordentlichen Dozenten und 1988 zum außerordentlichen Professor für Konstruktionselemente berufen. Nach Evaluierung, Umstrukturierung und Umwidmung der TH Ilmenau zur Technischen Universität Ilmenau Anfang der 90er Jahre erwarb sich Prof. Schorcht bleibende Verdienste beim Aufbau der neu gegründeten Fakultät für Maschinenbau. 1993 erfolgte seine Ernennung zum Universitätsprofessor. In dieser Position wirkte Prof. Schorcht bis zu seiner Emeritierung Ende Dezember 2005.

Durch seine nationalen und internationalen Forschungsarbeiten und Kontakte gelang es ihm, seinen Lehrstuhl Maschinenelemente auf dem Gebiet der Federntechnik als profilgebend und den Stand der Forschung bestimmend bekannt zu machen. Die theoretischen Forschungsergebnisse und die dazugehörigen Methoden und Maschinentechnik sorgten für seinen herausragenden Ruf als Wissenschaftler in der Fachwelt der Federhersteller und -anwender. Als Leiter der Forschungsgruppe

„Draht und Federn“ entwickelte Prof. Schorcht eine Forschungsstelle an der TU Ilmenau, die zahlreiche Projekte für den Verband der Deutschen Federnindustrie VDFI und die Eisendraht- und Stahldrahtvereinigung ESV realisierte und verantwortete. Nicht zuletzt wurde die vertrauensvolle Zusammenarbeit beider Industrieverbände miteinander maßgeblich befördert.

Seine Forschungsergebnisse haben ihren Niederschlag gefunden in einer großen Zahl von Fachaufsätzen, Konstruktionsinformationen, Patenten und Buchbeiträgen, insbesondere in Form von tragenden Kapiteln im Buch „Metallfedern“ (gemeinsam mit Dr. Manfred Meissner und Klaus Wanke), welches heute als Standardwerk in der Federntechnik etabliert ist. Damit hat Prof. Schorcht als profilierter Fachmann und Buchautor in der Federntechnik einen großen Anteil am Bekanntheitsgrad und am heutigen Ansehen der Technischen Universität Ilmenau in der Federnwelt.

Neben seinen Aufgaben als Leiter eines universitären Lehrstuhls hat Prof. Schorcht auch in zahlreichen Ausschüssen und Gremien gestaltend mitgearbeitet. So prägte Prof. Schorcht ab 1992 durch seine Leitung wesentlich die VDI Bezirksgruppe Ilmenau/Meiningen. Weiter hervorzuheben ist seine Mitgliedschaft in der Wissenschaftlichen Gesellschaft für Maschinenelemente und Konstruktion WGMK, später Wissenschaftliche Gesellschaft für Produktentwicklung und Maschinenelemente WiGeP, wo er an der Weiterentwicklung der Curricula in der Maschinenelemente- und Konstruktionslehre sowie der Gestaltung der Maschinenelementeforschung mitarbeitete. Weiter war er ab 2000 Mitglied der „Forschungs-gemeinschaft Gerätetechnik".

2000 gründete Prof. Schorcht das Steinbeis Transferzentrum Federntechnik an der TU Ilmenau und leitete dieses erfolgreich bis zu seinem Ausscheiden 2010. Hier verantwortete er zahlreiche Projekte mit Federherstellern und -anwendern zur Überführung der Forschungsergebnisse auf dem Gebiet der Federntechnik in die Praxis.

In seinen Lehrveranstaltungen hat er stets an sich und an die Studierenden hohe Anforderungen gestellt. Die zahlreichen Lehrbriefe, Buchbeiträge und ausgearbeiteten Lehrbeispiele zeugen von sehr guter Systematik und didaktischem Verständnis. Groß ist die Zahl der von ihm betreuten Diplomarbeiten und Promotionen. Er war dabei ein sehr guter Motivator und für seine Doktorandinnen und Doktoranden, zu denen auch ich gehören durfte, ein hervorragender Doktorvater im besten Sinne und prägte durch seine engagierte Arbeitsweise und sein Vorbild deren eigenes Wirken.

Auch nach seiner Emeritierung nahm Prof. Schorcht aktiv Anteil an der Entwicklung der Federntechnik. Neben der weiteren Betreuung von Doktoranden und vielfältiger Tätigkeit als Gutachter beschäftigte ihn insbesondere die Arbeit an den weiteren Auflagen des Buchs „Metallfedern“, die 2007 und 2015 erschienen. Auch wenn ihm versagt blieb, die gerade begonnene 4. Auflage noch einmal persönlich maßgeblich mitgestalten zu können, gibt das Buch als sein Lebenswerk reichlich Auskunft und Anregung.

Hans-Jürgen Schorcht war eine herausragende Persönlichkeit, die sich um unser Institut und unsere Universität verdient gemacht und die Welt der Technischen Federn in Forschung und Anwendung maßgeblich weiterentwickelt hat. Mit ihm verlieren wir einen hochgeschätzten Kollegen und empathischen Menschen.

Wir werden ihn in lebendiger Erinnerung behalten und ihm stets ein ehrendes Andenken bewahren. Unsere herzliche Anteilnahme gilt seiner Familie.

 

Univ.-Prof. Dr.-Ing. Ulf Kletzin
Direktor des Instituts Maschinen- und Gerätekonstruktion
im Namen aller Institutsmitglieder