Politik

Forum des Austauschs: „Tag der Ingenieurwissenschaften“ an der TU Ilmenau

Ganz im Zeichen von Lehre und wissenschaftlichem Nachwuchs stand der erstmals ausgerichtete „Tag der Ingenieurwissenschaften“, zu dem die Allianz der Thüringer Ingenieurwissenschaften am 23. Juni eingeladen hatte. Die TU Ilmenau als Gastgeberin konnte dazu rund 200 Lehrende, Studierende, Forschende aus verschiedenen Fachdisziplinen der beteiligten Allianz-Hochschulen sowie Vertreterinnen und Vertreter der Berufspraxis begrüßen.

Junge Ingenieure in Reinraumkleidung laufen durch einen Gang ari

Die Ingenieurwissenschaften bilden einen wichtigen Schwerpunkt der Thüringer Hochschullandschaft. Der Anteil der Studierenden in dieser Fächergruppe liegt in Thüringen mit über 25 Prozent deutlich über dem bundesweiten Durchschnitt. Zudem kommt den Ingenieurwissenschaften eine besondere Bedeutung bei der Deckung des Fachkräftebedarfs und der Zusammenarbeit im Bereich Forschung und Entwicklung mit der Thüringer Wirtschaft zu. Zur Stärkung der Ingenieurwissenschaften in Thüringen wurde 2019 die „THÜRING. Allianz Thüringer Ingenieurwissenschaften“ gegründet, um den strukturierten und regelmäßigen Austausch zu strategischen Entwicklungen in Forschung, Lehre und Marketing der beteiligten Hochschulen, außeruniversitären Forschungseinrichtungen und Partnern aus der Wirtschaft zu befördern. Als ein Instrument in diesem Zusammenhang soll der „Tag der Ingenieurwissenschaften“ als künftig jährlich stattfindende Veranstaltung etabliert werden. Den Auftakt für die neue Reihe gab jetzt die TU Ilmenau.

Spannende Beiträge zur Zukunft der akademischen Lehre

Der „Tag der Ingenieurwissenschaften“ widmete sich am Vormittag der Zukunft der akademischen Lehre in den Ingenieurwissenschaften, während der Nachmittag dem wissenschaftlichen Nachwuchs und damit aktuellen Forschungsthemen vorbehalten war. Nach einem Videogrußwort von Carsten Feller, Thüringer Staatssekretär für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitale Gesellschaft, und der Begrüßung der Gäste durch die Vizepräsidentin für Studium und Lehre der TU Ilmenau, Professorin Anja Geigenmüller, startete der erste Programmteil mit Vorträgen von Lehrenden. In seinem Impulsvortrag setzte sich Prof. Stephan Husung, TU Ilmenau, mit den Chancen und Herausforderungen für die Lehre im Kontext der Digitalisierung von Produkten und Produktentwicklung auseinander. Er arbeitete dabei heraus, dass Synergien beim Lehrangebot der Thüringer Hochschulen genutzt werden sollten und bestehende Redundanzen verringert werden können. In einem vom eTeach-Netzwerk geförderten Impulsprojekt soll das gemeinsam mit der Hochschule Nordhausen erfolgen.

Prof. Dr. Barbara Wieczorek, Ernst-Abbe-Hochschule Jena, stellte unter dem Thema „Ereignisorientierte prüfungsrelevante Kompetenzen“ ein Werkzeug zur Umsetzung des sogenannten Constructive Alignmet vor. Kern des Konzepts ist die Abstimmung nicht nur von Lehr- und Lernmethoden, sondern auch von Prüfungsformen mit den angestrebten Lernzielen. Dabei zeigte sie auf, dass dieses Werkzeug auch für schon bestehende Lehrveranstaltungen erarbeitet und eingesetzt werden kann. Das Feedback der Studierenden zu dem Tool ist positiv, die Prüfungsvorbereitung kann damit effektiver erfolgen.

Prof. Dr. Christian Koch von der Bauhaus-Universität Weimar gab mit seinem Vortrag „Digitalisierung im Bauwesen – Was bedeutet das für die Ausbildung/Lehre?“ einen Überblick über die Entwicklungen im Bauwesen und die damit erforderlichen Weiterentwicklungen der Studienangebote und Lehrinhalte. Vor allem auch durch die zunehmende Digitalisierung werden mehr interdisziplinäre Angebote, Gruppenprojekte und veränderte Kommunikationsformen notwendig, eine Forschungsorientierung in der Lehre gewährleistet die Vermittlung aktuellster Erkenntnisse.

Die Sicht aus der Praxis stellte Tobias Richardt, geschäftsführender Technischer Leiter der Firma TECHNIK in FORM Blechbearbeitung GmbH und DESIGN in Form Fertigungstechnik GmbH, vor. Auf die Frage „Welche Kenntnisse sollten zukünftige Mitarbeiter besitzen?“, berichtete er, dass die Absolventinnen und Absolventen beim Berufseinstieg erfahrungsgemäß sehr gute fachliche Kenntnisse mitbringen und in der Lage sind, diese auf die Praxis zu übertragen. Nachholbedarf bestehe hingegen bei den Englisch-Sprachkenntnissen und Soft Skills, etwa Konflikt- und Kritik- und Kommunikationsfähigkeit. Diese sollten in der akademischen Ausbildung noch stärker Niederschlag finden.

Ingenieure brauchen Problemlösungskompetenz und Blick über den TellerrandI

Dass es der TU Ilmenau mit der Gestaltung des Programms gelungen ist, relevante Themen zur Zukunft von Lehre und Studium spannend zu präsentieren, zeigte die anschließende überaus rege Diskussion der Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Die geschäftsführende Referentin des Zentralinstituts für Bildung der TU Ilmenau, Dr. Claudia Haaßengier, die das Vormittagsprogramm moderiert hatte, freute sich über die große Resonanz:

Die in den Vorträgen vorgestellten unterschiedlichen Perspektiven auf das ingenieurwissenschaftliche Studium in Thüringen verdeutlichte die Vielfalt der Herangehensweisen, der daraus resultierenden Lehreangebote und vorhandenen Expertise. Genau dies wurde auch in der Diskussion deutlich: Im Mittelpunkt standen die fachlichen Kompetenzen, die aber durch überfachliche Kompetenzen begleitet werden sollten. Der Ingenieur von heute arbeitet in interdisziplinären, gegebenenfalls internationalen Teams, braucht Problemlösekompetenz und den Blick über den Tellerrand.

Auch die studentische Perspektive wurde in der Diskussion eingebracht, die Digitalisierung der Lehrangebote in den letzten Semestern war ebenso ein Thema wie der Wunsch nach mehr Praxisprojekten, die am besten interdisziplinär angelegt sind.

„Zukunft – Innovation – Interdisziplinarität“ – Thüringer Nachwuchsforscher stellten Projekte vor

Das Programm am Nachmittag wurde mit einem Grußwort von Prof. Winfried Speitkamp, Sprecher des Vorstandes Allianz Thüringer Ingenieurwissenschaften, eröffnet und stand mit dem Motto „Zukunft – Innovation – Interdisziplinarität“ ganz im Zeichen des wissenschaftlichen Nachwuchses. Den Keynote-Vortrag hielt Prof. Stefan Niessen von der Siemens AG und der TU Darmstadt, zu künftigen Herausforderungen einer nachhaltigen Energieversorgung. Der Vortrag ordnete sich zugleich hervorragend in das aktuelle Themenjahr Energie der Universität ein. Prof. Niessen berät das Präsidium künftig auch als neu gewähltes Mitglied im Hochschulrat der TU Ilmenau.

Große Bandbreite von Forschungsthemen

Nach einer kurzen Diskussionsrunde startete der mit Spannung erwartete Poster-Wettbewerb von Nachwuchswissenschaftlern und -wissenschaftlerinnen aus mehreren Thüringer Hochschulen. Die in zwei Panels jeweils mit einem Pitch und einem Poster vorgestellten Forschungsthemen reichten von unterschiedlichen Beiträgen rund um das Thema Energie und Elektromobilität über die Qualitätssteigerung bei Materialien und die Entwicklung neuer Werkstoffe bis hin zu Fragestellungen auf dem Gebiet der Automatisierung und KI. Der Vizepräsident für Forschung und wissenschaftlichen Nachwuchs der TU Ilmenau, Professor Stefan Sinzinger:

Wir freuen uns, dass sich insgesamt 30 Promovierende von fast allen Allianz-Hochschulen mit einem Beitrag beteiligen. Die große Bandbreite ihrer wissenschaftlichen Arbeiten bietet allen Interessierten aus den Thüringer Hochschulen und darüber hinaus die Gelegenheit, das breitgefächerte Spektrum der Ingenieurwissenschaften in Thüringen kennenzulernen und sich persönlich auszutauschen.

Nachmittagsprogramm in hybriden Format

Während das Vormittagsprogramm als reine Online-Veranstaltung stattfand, wurden die Veranstaltungen am Nachmittag erstmals in einem interaktiven hybriden Format angeboten. Damit war eine Teilnahme sowohl durch Anwesenheit vor Ort als auch online möglich. So konnte das Publikum im Audimax die Pitchs teilweise in Präsenzform und teilweise im zugeschalteten Video erleben. Neben den kurzen Präsentationen konnten sich Interessenten in Poster-Sessions näher zum jeweiligen Projekt informieren und Kontakte aufnehmen. Dabei profitierten sie von modernster Videokonferenztechnik und Wireless-Präsentationssystemen in den Seminarräumen des Humboldtbaus, die 2021 mit Mitteln aus dem Sonderfonds „Hochschullehre-Digital-Extra II“ angeschafft werden konnten.

Beste Poster prämiert

Krönender Abschluss des „Tages der Ingenieurwissenschaften“ war die Auszeichnung der drei Gewinnerbeiträge, die vom Publikum selbst nach den Kriterien Qualität der Präsentation und Verständlichkeit des Vortrages gewählt worden waren. Die Preise für die besten Poster wurden von der Universitätsgesellschaft Ilmenau - Freunde, Förderer, Alumni e.V. gestiftet und von ihrer Vorsitzenden, Prof. Dagmar Schipanski, gemeinsam mit Prof. Sinzinger virtuell übergeben.

Der erste Preis und damit 250 Euro ging an Albrecht Schmidt von der Materialforschungs- und -prüfanstalt an der Bauhaus-Universität Weimar für seinen Beitrag zum Thema „Unschärfemodellierung eines 3D-Betondruckprozesses“. Steffen Schieler, Promovend am Fachgebiet Elektronische Messtechnik und Signalverarbeitung der TU Ilmenau, erhielt den mit 150 Euro verbundenen zweiten Preis für seinen Beitrag „Forschergruppe Drone-Shield“. Platz drei ging mit Elisabeth Feldhoff ebenfalls an eine Nachwuchswissenschaftlerin der TU Ilmenau. Sie erhielt ein Preisgeld in Höhe von 100 Euro für ihren am Fachgebiet Elektrische Energieversorgung angefertigten Beitrag „ZO.RRO – Zero Carbon Cross Energy System“.

Am Ende stellten die Teilnehmer fest, dass die TU Ilmenau Gastgeberin einer rundum gelungenen Premiere des ersten „Tags der Ingenieurwissenschaften“ war. Die zweite Auflage des neuen Formats für den Austausch im Rahmen der Allianz der Thüringer Ingenieurwissenschaften soll 2022 an der Bauhaus Universität Weimar stattfinden.