Politik

Studium digital: Wie die TU Ilmenau die Corona-Herausforderung bewältigt

Eigentlich hatten im Februar 2020 noch alle gehofft, dass das Corona-Virus bald wieder eingedämmt sein würde. Doch schon bald hatte die Pandemie sich über Ländergrenzen hinweg verbreitet und die Welt vor vollkommen neue Herausforderungen gestellt. Auch an der TU Ilmenau war wie über Nacht alles anders ...

Studentin sitzt am Schreibtisch und schaut auf den Computer, auf dem die Teilnehmer einer Videokonferenz zu sehen sind. iStock.com/Andrey Popov

„Im März 2020 kam der erste Lock-Down und wir mussten uns auf eine ganz neue Situation einstellen,“ erinnert sich TU-Präsident Kai-Uwe Sattler. „Am 23. März 2020 ging die TU in den Notbetrieb und stellte die Präsenzlehre vorläufig ein.“

Umstellung auf Online-Lehrbetrieb in kürzester Zeit

Sofort war ein Krisenstab mit Vertreterinnen der Fakultäten und zentralen Struktureinheiten gebildet worden, der so effektiv und schnell wie möglich alle notwendigen Beschlüsse für die weitere Arbeit im gesamten Universitätsbetrieb fasste. Eine Corona-Webseite wurde eingerichtet, der Studierendenrat eröffnete einen Telegram-Kanal, auf dem tagesaktuell alle Informationen für die Studierenden bereitgestellt wurden.

Vor allem aber wurde an allen Fakultäten und Fachgebieten fieberhaft am Auf- und Ausbau von digitalen Lehrangeboten gearbeitet, um das Sommersemester 2020 als komplettes Online-Semester bestreiten zu können. „Glücklicherweise hatte sich die Universität bereits vor der Corona-Pandemie mit dem Thema der Digitalisierung von Lehrangeboten für Studierende beschäftigt“, so der Präsident. „Dies betrifft sowohl die Bereitstellung von IT-Services durch das Universitätsrechenzentrum und die Beratung für deren Einsatz in der Lehre durch das Zentralinstitut für Bildung als auch die Lehrformate der Fakultäten. „Dennoch lag der Anteil an digitalen Lehrangeboten zu dieser Zeit bei nur rund 30 Prozent, denn normalerweise sind wir eine Präsenzuniversität.“

Mit großen Anstrengungen wurde der Ausbau digitaler Formate vorangetrieben, um den Lehrbetrieb im Sommersemester 2020 vollständig abzusichern.

Dabei wurden verschiedene Nutzungsszenarien der Online-Lehre etabliert:

  • Vorlesung als Videoaufzeichnung,
  • Vorlesung per Live-Videostream,
  • virtuelle Übungen/Seminare mit Interaktionsmöglichkeiten wie Chats, Breakout-Rooms oder Abstimmungstools
  • virtuelle Lernräume für Studierende
  • virtuelle Einzel- oder Gruppensprechstunden bei Lehrenden.

Die technischen Voraussetzungen einschließlich Streaming-Möglichkeiten in den Hörsälen waren an der TU Ilmenau in Grundzügen vorhanden und ermöglichten das Aufzeichnen von Vorlesungen, Übungen und Praktika. Darüber hinaus wurden die folgenden technologischen Plattformen universitätsweit bereitgestellt oder neu angeschafft:

  • Moodle (als Online-Lernplattform),
  • OpenCast (als Videomanagementplattform mit Moodle-Integration),
  • NextCloud (als Dateiaustauschplattform),
  • Cisco WebEx (als Kollaborationsplattform für Online-Lehre, Video-/Audiokonferenzen, Online-Schulungen, Online-Meetings, Online-Veranstaltungen) und
  • Vimeo (als Videomanagementplattform).

Um diese technologischen Möglichkeiten schnell und umfassend für die Lehre nutzen zu können, erhielten die fünf Fakultäten Sondermitteln des Landes Thüringen in Höhe von je 40.000 Euro, um das notwendige Equipment für die Durchführung digitaler Lehrveranstaltungen beschaffen zu können.

Wirksames Infektionsschutzkonzept

Parallel zum Aus- und Aufbau der neuen Lehrangebote wurde an einem nachhaltigen Infektionsschutzkonzept gearbeitet. Abstands- und Hygieneregelungen folgten Schutzmaskenpflicht in allen Gebäuden, die Kennzeichnung der belegbaren Sitzkapazität in den Hörsälen und Seminarräumen und eine elektronische Kontaktdatenerfassung mittels QRonitron. Mensa und Cafeterien verkauften über Monate nur außer Haus oder waren geschlossen. Im Wintersemester konnte die Mensa unter Auflagen wie Mundschutz, Abstandsregelungen und bargeldloser Bezahlung mit der Thoska-Karte wieder eine Mittagsversorgung anbieten. Um den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Universität mobiles Arbeiten von Zuhause zu ermöglichen, wurden entsprechende Dienstvereinbarungen geschlossen und die Virtual-Desktop-Infrastruktur, mit denen die Beschäftigten von zu Hause aus auf ihre gewohnte Desktop-Umgebung zugreifen können, kontinuierlich ausgebaut. 500 Dienstlaptops wurden bereitgestellt, Schutzmasken für alle Beschäftigten und für Studierende ausgegeben. „Damit konnte trotz vereinzelter CoVid19-Fälle bis heute eine Entwicklung von Infektionsketten an der Universität vermieden werden“, so der Kanzler der TU Ilmenau, Dennys Klein.

Hoffnung auf Präsenzlehre im Wintersemester

Die von Bund, Ländern, Kreisen, Städten und Betrieben ergriffenen Maßnahmen zeigten zunächst Erfolge, und nach einem Rückgang der Infektionsrate wurden über die Sommermonate 2020 in ganz Deutschland Lockerungen erlaubt. Auch an der TU Ilmenau keimte erneut die Hoffnung auf, stufenweisen wieder zum Präsenzstudium zurückkehren zu können. „Die Erfahrungen aus dem Sommersemester 2020 hatten gezeigt, dass einerseits digitale Lehre neue Möglichkeiten eröffnet, andererseits aber der persönliche Austausch zwischen Lehrenden und Studierenden bzw. zwischen Studierenden untereinander fehlt. Gerade Studierende im ersten Semester hatten so kaum Möglichkeiten, Kommilitoninnen und Kommilitonen oder Lehrende persönlich kennenzulernen“, so die Vizepräsidentin für Bildung, Prof. Anja Geigenmüller. „Zudem gibt es Lehrinhalte, die sich virtuell nur begrenzt vermitteln lassen. Das gilt vor allem für die in Ingenieurstudiengängen typischen Praktika und Laborarbeiten. Deshalb haben wir das Wintersemester 2020/21 zunächst nach dem Grundsatz ‚Präsenz vor Online‘ geplant, ein vollständiges digitales Studienangebot aber vorgehalten, sodass wir jederzeit in der Lage waren, uns der Situation anzupassen.“ Das Prinzip „Präsenz vor Online“ wurde insbesondere für die ersten bis dritten Semester der Bachelorstudiengänge und das erste Semester der Masterstudiengänge verfolgt.

Die Lehrenden wurden aufgefordert, ihre Lehrveranstaltungen als Moodle-Kurse vorzuhalten. Über das elektronische Stundenplanungssystem Open Timetable wurden die Module und Modulbeschreibungen sowie die Zugänge zu den Moodle-Kursen verlinkt, so dass Studierende jederzeit und von überall her Zugang zu Lehrinhalten hatten.

Keine Nachteile für Studierende

Doch schon bald zeichnete sich ab, dass der nächste Lock-Down unausweichlich ist, und Anfang Dezember hieß es: alles zurück auf Online-Lehre. Um zumindest die Prüfungen in Präsenzform abhalten zu können, mussten die Infektionsschutzregelungen strengstens eingehalten werden. Der Beginn des Prüfungszeitraum wurde um drei Wochen verschoben, der Prüfungszeitraum bis zum 24. April 2021 verlängert. Die Satzung zu den „Besonderen Bestimmungen für Studium, Prüfungswesen und Promotion aufgrund der Virus SARS-CoV-2-Pandemie“ wurde aktualisiert, die im Sommersemester 2020 eingeführte so genannte „Annullierungsregel“ beibehalten. Danach können Studierende auf Antrag und ohne Angabe von Gründen ihre Prüfungsleistungen als „nicht unternommen“ erklären lassen. Professorin Geigenmüller: "Nicht nur für alle Bereiche der Universität, auch für die Studierenden stellt die Corona-Pandemie eine große Herausforderung dar. Sie fordert von Studierenden sehr große Anstrengungen, verschiedene Kurse, technische Anforderungen, Inhalte, Aufgaben und Fristen im Auge zu behalten. Online zu studieren verlangt ein hohes Maß an Motivation und Selbstdisziplin, insbesondere, wenn man wenig Kontakt zu anderen Studierenden hat und stets auf sich allein gestellt ist. Besonders problematisch ist die Situation für unsere internationalen Studierenden. Sie haben kaum Chancen, ihr Auslandsstudium so zu gestalten, dass sie Deutschland wirklich erfahren. Den großen Fortschritten in einer digitalen Hochschullehre steht die Erkenntnis gegenüber, dass Universität mehr ist als Vorlesungen und Übungen. Es ist ein Ort, an dem Lehrende und Lernende miteinander Wissen erwerben, ausbauen und anwenden. Und dieses Miteinander kann eine rein virtuelle Welt nicht ausreichend bieten."

Da sich die Pandemielage in Deutschland im März 2021 erneut verschärfte, wurden ab dem 12. April Prüfungen nur noch in Ausnahmefällen in Präsenz erlaubt. Dank des Engagements der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Universitätsrechenzentrum, im Sachgebiet Recht, im Bereich Datenschutz und in den Fakultäten wurde sehr zügig ein „Prüfungs-Moodle“ aufgesetzt, das die Durchführung von Prüfungen in Form von Haus- oder Seminararbeiten von zu Hause aus erlaubten. Die Umstellung auf diese Prüfungsszenarien waren nicht in allen Fällen problemlos. Aber auch hier ergaben sich neue Perspektiven, wie das Repertoire an kompetenzorientierten Prüfungsformen durch digitale Formen zumindest für einige Fachdisziplinen bereichert werden könnte.

Drittes Corona-Semester beginnt mit Notbremse

Nach zwei überwiegend digitalen Semestern begann am 26. April 2021 das dritte Semester unter Corona-Bedingungen – mitten in der dritten Welle der Pandemie und kurz nach Inkrafttreten der bundeseinheitlichen Notbremse. Während den Schulen der Präsenzunterricht ab einem Inzidenzwert von 165 untersagt wurden, blieb die Situation an den Hochschulen unklar. Hochschulpräsidenten und Wissenschaftsminister der Länder appellierten an die Bundespolitik, zum einen Klarheit für die Hochschullehre zu schaffen und zum zweiten Forschungstätigkeiten, Tätigkeiten in Laboren und praktische Ausbildungsbestandteile weiterhin in Präsenzform zuzulassen. Die Dienstvereinbarung zum mobilen Arbeiten während der Corona-Pandemie wurde den bundesweit geltenden Vorgaben angepasst. Arbeitgeber haben danach die Pflicht, ihren Beschäftigten Home Office anzubieten, diese wiederum müssen für den Fall, dass sie das Angebot nicht wahrnehmen wollen oder können, eine Begründung abgeben.

Am 24. April öffnete in der Campus-Sporthalle ein Corona-Testzentrum, das auch Studierenden, Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der offen steht. Damit konnten vor allem Laborpraktika wieder ermöglicht werden, weil alle Beteiligten Zugang zu entsprechenden Testmöglichkeiten haben.

Abwägung zwischen Gesundheitsschutz und Studienfortschritt

Die TU Ilmenau plante das neue Semester vor dem Hintergrund der unklaren Regelungen für den Hochschulbereich in Abwägung zwischen dem Schutz der Gesundheit von Beschäftigten und Studierenden und den Interessen des Studienfortschrittes. Vorlesungen, Übungen und Seminare in Präsenz wurden bis auf weiteres untersagt und durch Online-Angebote ersetzt. Prüfungen, insbesondere Abschlussprüfungen, und Praktika, die eine Tätigkeit in einem Labor oder einer ähnlichen Einrichtung erfordern, blieben unter der Auflage der strengen Einhaltung der geltenden Infektionsmaßnahmen weiterhin in Präsenzform gestattet. Sie müssen nun jedoch zuvor im jeweiligen Dekanat angezeigt werden.

Herausragendes geleistet

Die Herausforderung „Corona-Pandemie“ besteht auch zu Beginn des Sommersemesters 2021 weiter, im Unterschied zum Vorjahr kann die Universität aber auf dem Erreichten aufbauen. Der Präsident: "Dank des unermüdlichen Einsatzes unserer Mitarbeiterinnen, Mitarbeiter und Studierenden ist es der Universität gelungen, die schwierige Situation in den zurückliegenden zwei Semestern zu meistern. Wir haben es geschafft, die Digitalisierung in kürzester Zeit so voranzutreiben, dass wir Lehre, Forschung und den gesamten Universitätsbetrieb nicht nur absichern, sondern auch auf hohem Niveau halten konnten. Das war eine großartige Leistung, für die Ihnen allen Dank und Anerkennung gebührt."

Die Hoffnung, zu normalen Bedingungen in Lehre, Forschung und Verwaltung und Technik zurückkehren zu können, ruht nun auf dem zweiten Halbjahr bzw. dem Wintersemester 2021/22. Doch dieses Mal sind die Aussichten signifikant besser, denn nach der Devise Impfen, Testen, Nachverfolgen rückt die Trendwende näher. Von den während der Pandemie gesammelten Erfahrungen und den in gemeinsamen großen Anstrengungen erzielten Fortschritte auf dem Feld der Digitalisierung wird die TU Ilmenau auch in der Zeit nach Corona profitieren. Mehrere Fachgebiete haben sich erfolgreich um Förderprojekte zur Weiterentwicklung einer digital bereicherten Lehre beworben. Daraus können wertvolle Impulse stehen, den Anspruch der Universität an eine zeitgemäße und qualitativ hochwertige Lehre zu erfüllen.

Kontakt

Prof. Kai-Uwe Sattler

Präsident