Reportage

Eine etwas andere Kinder- und Jugenduni

Wenn die bunten Blätter am Boden liegen und die Bäume langsam kahl werden, wenn es „Ilmenau Himmelgrau“ heißt und die Temperaturen nach unten klettern, dann steht eines der größten Events an der TU Ilmenau vor der Tür: Die Kinder-und Jugenduni. Pandemiebedingt stellte diese 2021 eine besondere Herausforderung dar.

Lina Hermeyer
Das Maskottchen "Juhu" ist für die Kinder jedes Mal ein Highlight.

Jedes Jahr im November wird an sechs Tagen der Altersdurchschnitt am Campus heruntergezogen – und das seit 2003. Seit 18 Jahren kommen Kinder von der 3. bis zur 6. Klasse nach Ilmenau, um einmal in einen Uni-Alltag reinzuschnuppern. Seit 2019 wurde die Veranstaltungsreihe, die unter der Leitung des Referates Marekting und Kommunikation von einem studentischen Projektteam organisiert wird, „erwachsener“: Die Jugenduni war geboren.

Eine etwas andere Kinder- und Jugenduni

Es ist Mittwochmorgen, die Temperaturen sind für Ilmenauer November-Verhältnisse mild und die Sonne blitzt vorsichtig durch die Wolken. Die erste Woche der diesjährigen Kinder-und Jugenduni geht los. Noch ist es ruhig auf dem Campus, vereinzelt laufen Studierende zu ihren Vorlesungen. Die Helfer und Helferinnen, gut erkennbar durch die leuchtend orangenen Westen, und das Organisationsteam stehen schon in den Startlöchern. Normalerweise fahren bereits um 10:00 Uhr die ersten Reisebusse vor den Humboldtbau, voll beladen mit aufgeregten Grundschulklassen. Doch die vierte Welle macht sich bemerkbar. Keine 48 Stunden vor Veranstaltungsbeginn kam der Rückschlag für das achtköpfige Organisationsteam um Teamleitung Jessica Schmid. Aufgrund der kritischen Inzidenz-Lage musste die Veranstaltung, so wie sie ursprünglich geplant war, abgesagt werden. Für das Kinderuni-Feeling darf pro Tag trotzdem noch eine Klasse aus dem Ilmkreis kommen. Jessica sitzt im Audimax und schüttelt den Kopf: „Es war schon eine Schocknachricht. Ich hätte es gerne ein bisschen früher gewusst, wir hatten nur 24 Stunden, um die Klassen zu kontaktieren. Aber wir haben das Beste aus der Situation gemacht. Es war alles sehr knackig, letztendlich hat es aber funktioniert“.

Von draußen hört man Kinderstimmen, die Klasse 3a der staatlichen Grundschule Langewiesen ist am Humboldt-Bau angekommen. „Juhu“, eine riesige Eule und Maskottchen der Kinder-und Jugenduni seit 2019, steht vor den Türen und begrüßt die Schülerinnen und Schüler winkend. Von den Helfern bekommt jedes Kind einen personalisierten Studi-Ausweis. „Student für einen Tag“ steht auf den laminierten Kärtchen, die alle Kinder stolz um ihren Hals tragen. Während die 23 Schülerinnen und Schüler zusammen mit den Helfern den Campus und seine Stationen erkunden, treffen Jessica und ihre Kommilitonen die letzten Vorbereitungen vor der Vorlesung, die am Nachmittag für die Kinder stattfindet. Es sind allerdings nur noch Kleinigkeiten, das meiste ist im Vorhinein schon gut vorbereitet worden. Rasch geht die Studentin mit Desinfektionstüchern durch die Reihen im Audimax:

Wir müssen alles desinfizieren, den Hörsaal vorbereiten und die Geschenke auf den Plätzen verteilen." Sie hält kurz inne. "Zum trockenen Alltag gehört für uns auch, vorher einen Corona-Test zu machen.

Stäbchen rein, sicher sein – um die Veranstaltung durchführen zu können, geht das Team auf Nummer sicher.

Um 13:20 Uhr strömt die 3a in den Hörsaal, gleich beginnt die erste Vorlesung. Mit grünen Punkten auf den Plätzen werden die Kinder zugewiesen – so wird für den nötigen Sicherheitsabstand gesorgt. Das Thema heute: „Welche unsichtbare Kraft steckt in Magneten?“ Kindgerecht aufbereitet, erklärt Dr. Tom Ströhla das Phänomen der elektromagnetischen Kräfte und erzählt von Elektro-Autos, E-Bikes und Robotern. Die Klasse vor Ort darf Experimente durchführen und richtig mit anpacken. Unter ihnen sind die Grundschüler Fabian, Anton und Sandrino. Was die 8-Jährigen später einmal werden wollen, wissen sie auch schon ganz genau: Feuerwehrmann, Profifußballer und Baggerfahrer – nichts, was man hier studieren könnte. Trotzdem waren sie begeistert von der Vorlesung, sagt Anton strahlend, seine Augen leuchten:

Mir hat es heute sehr gut gefallen, vor allem mit den ganzen Experimenten. Daraus hat man auch Sachen gelernt, die man noch gar nicht wusste. Ich durfte bei einem Experiment mitmachen, wo man sich drehen musste. Da haben wir gezeigt, wie sich Magnete anfühlen."

Aber nicht nur im Hörsaal, sondern auch zuhause vor den Bildschirmen, online zugeschaltet, verfolgen ganze Klassen gespannt die Vorlesung. Über 200 Schülerinnen und Schüler nehmen am Live-Stream teil, unter anderem aus Berlin und Hamburg.

Dieses Jahr haben wir aufgrund der Pandemie von vornherein gesagt, dass wir die ganze Veranstaltung hybrid anbieten," erklärt Jessica stolz. "Das hat natürlich einen großen Aufwand mit sich gebracht, aber es hat sich im Nachhinein auf jeden Fall gelohnt.

Wer nicht persönlich vorbeikommen kann, den erwartet trotzdem ein breites Angebot. Neben dem Live-Stream der Vorlesung können die Kinder Experimentier-Videos auf YouTube anschauen und selbst nachmachen. Die benötigten Materialien dafür bekommen sie mit der sogenannten Campus-Box zugeschickt. Eine Sammlung an kleinen Geschenken: Musik- und Vokabelhefte, bedruckte Lineale und Bleistifte, Sticker, Frisbees und Knusperflocken für den kleinen Hunger zwischendurch. Selbst eine digitale Campustour wird den Kleinen und Großen geboten, die auf dem eigenen YouTube Kanal jederzeit abgerufen werden kann. Ein Gewinnspiel mit großen Preisen gibt es auch noch, verrät Jessica:

Wenn die Kinder uns ein Video oder Foto von ihrem Experiment schicken, dann können sie auch etwas Größeres gewinnen, einen Tag in den Feengrotten oder einen  Ausflug in das Jump House. Da sind echt ein paar coole Sachen dabei. 

Um 14:45 Uhr verabschieden sie die Grundschüler von Juhu und dem Team und laufen mit ihren Geschenken, einem breiten Grinsen und einem Haufen neuer Erfahrungen den Ehrenberg herunter. Die acht Studierenden des Organisationsteams, ihre Helfer und Juhu sitzen geschafft, aber glücklich, im Seminarraum. „Wir sind froh, wie es gelaufen ist. Klar, es war der erste Tag, es lief nicht alles perfekt. Aber es war ein schöner Auftakt, ich freue mich auf die nächsten Tage“, sagt Jessica lächelnd in die Runde.

Seit 2019 gibt es nun auch die Jugenduni. An den letzten beiden Veranstaltungstagen besuchen die Klassenstufen 7 bis 9 die TU – mit einem bunten Programm, das darauf ausgelegt ist, sie für die Uni und als zukünftige Studierende zu gewinnen.

An Tag 5 darf wieder nur eine Klasse kommen, die 7a der Gesamtschule im Ilmkreis – der Rest wird online zugeschalten. Der Unterschied zur Kinderuni: Es gibt zwei, altersgerecht aufbereitete Vorlesungen pro Tag, dazwischen findet die Campustour mit Zwischenstopps bei der Binär-Uhr, Bibliothek, Mensa und den Clubs statt. Nach einer kleinen Aufwärm- und Kennenlernrunde vor dem Humboldtbau geht es um 13:30 Uhr für die 16 Schülerinnen und Schüler dann endlich in den Audimax. Das Thema der ersten Vorlesung des Tages ist brandaktuell: „COVID, Lockdown und Verschwörungstheorien: Macht reden (un)gesund?“. Experte für Krisenkommunikation Dr. Andreas Schwarz hat vor, mit den Jugendlichen die aktuellste Krise zu beleuchten.

Mit einem sozialen Experiment, dem „Tok-Tik-Virus Szenario“, führt der Dozent die jungen Hörer und Hörerinnen an das Thema ran. Einblicke in die Kommunikation bei Gesundheitsrisiken und die Verbreitung von Verschwörungstheorien – die Themen schlagen bei den Jugendlichen an. Die Hände sind für Fragen und Antworten oft oben, ganz vorne dabei ist René, 13 Jahre alt. Er verfolgt aufmerksam den Vortrag, seine Locken wippen bei jedem Kopfnicken leicht mit. Der aufgeweckte Schüler hat viel von der Vorlesung mitgenommen:

Es war spannend zu sehen, dass man nicht jede Information glauben soll, die man hört. Dass man sich gut schützen soll und dass man darauf achtet, von wem die Fakten kommen“. Lässig, in jugendlicher Manier, gesteht er: „Ich fand die Vorlesung eigentlich ganz interessant. Ich habe mich auch am Anfang darüber gefreut, dass immer viele Fragen gestellt wurden, die wir beantworten konnten – das fand ich echt cool.

Für ein paar Stunden dem Schulalltag entfliehen und sich vielleicht sogar mit seiner Zukunft beschäftigen: Das ermöglicht die Kinder-und Jugenduni den Schülerinnen und Schülern. Und wer weiß, vielleicht sieht man den einen oder anderen in ein paar Jahren als Studierenden über den Campus laufen – lachend und schlendernd auf dem Weg zum Hörsaal.

Eva Seidl