Studium

Apps für die Lehre in der Mikrosystemtechnik: Wissen nachhaltig vermitteln und interdisziplinär verknüpfen

Wissenschaftler der Technischen Universität Ilmenau entwickeln im Rahmen eines soeben gestarteten Projekts ein neues, innovatives Format für die digitale Hochschullehre: Apps für die steuerbare Simulation komplexer Mikrosysteme, von der Studierende aller Ingenieurstudiengänge profitieren sollen. Das Projekt MikroApp unter Leitung von Prof. Steffen Strehle, Fachgebietsleiter Mikrosystemtechnik, wird im Rahmen des gemeinsamen Programms „Fellowships für Innovationen in der digitalen Hochschullehre“ des Stifterverbandes für die Deutsche Wissenschaft und des Thüringer Ministeriums für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitale Gesellschaft mit 50.000 Euro für 12 Monate gefördert. Mit den Fellowships werden hoch engagierte Lehrpersonen und ihre Ideen für die digitale Lehre ausgezeichnet.

TU Ilmenau/Sarah Günther-Müller
Für seine Idee einer steuerbaren Simulation komplexer Mikrosysteme wurde Prof. Steffen Strehle, Fachgebietsleiter Mikrosystemtechnik an der TU Ilmenau, ein Fellowship für Innovationen in der digitalen Hochschullehre verliehen.

Ob Smart Home, Fahrassistenz oder Internet of Things: Mikrosysteme wie Druck- und Beschleunigungssensoren, Mikroschalter, Mikrophone oder Mikrokameras haben sich in den vergangenen Jahren rasant entwickelt. Sie sind in zahlreichen technischen Bereichen nicht mehr wegzudenken und bilden eine wesentliche Grundlage für technische Innovationen und die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland und weltweit: Sie sorgen dafür, dass technische Geräte immer kleiner, leichter, mobiler und vielseitiger einsetzbar werden, sparen Produktionskosten und Energie und tragen so auch dazu bei, gesellschaftliche Herausforderungen zu meistern, die zum Beispiel durch den steigenden Energiebedarf, die Digitalisierung oder die veränderte Demographie entstehen. Auch in der medizinischen und patientennahen Diagnostik wie der Krebs-Früherkennung, der sogenannten „Point-of-care“-Diagnostik, und der minimal-invasiven Chirurgie können Mikrosysteme eingesetzt werden. Miniaturisierte 3D-Zellkultursysteme könnten sogar Tierversuche in Zukunft überflüssig machen.

Die zugehörige mikro- und nanotechnologische Forschung stellt daher mit mehreren Professuren, dem Zentrum für Mikro- und Nanotechnologien und zahlreichen Forschungs- und Unternehmenskooperationen einen Forschungs- und Ausbildungsschwerpunkt der TU Ilmenau dar. Um der steigenden Nachfrage nach Mikrosystemen gerecht zu werden, müssen vor allem die benötigten Fachkräfte bestmöglich ausgebildet werden“, erklärt Fellow Prof. Steffen Strehle:

Hierbei geht es nicht nur darum, das komplexe Themenfeld Mikrosystemtechnik nachhaltig zu vermitteln, sondern die Studenten auch zu befähigen, kritisch und kreativ zu denken und Wissen interdisziplinär zu verknüpfen, damit sie im späteren Berufsleben bestmöglich effiziente und innovative Lösungen finden können.

Im Rahmen des Projekts „Steuerbare Simulation komplexer Mikrosysteme (MikroApp)“ möchten Prof. Strehle und sein Team daher bewährte digitale Lehrmaterialien und haptische 3D-Vorlesungsmodelle um interaktiv steuerbare Apps ergänzen. Über eine Softwareschnittstelle kann so ein multiphysikalischer Funktionsraum erprobt werden, ohne dass große Rechenleistung oder eine spezielle Software erforderlich sind – ein Smartphone genügt. So sollen die Studierenden auch ohne tiefe Kenntnisse über komplexe, numerische Simulationen das Systemverhalten von Mikrosystemen und -komponenten spielerisch steuern und bewerten können, indem sie zum Beispiel verschiedenste Parameter des Systems wie Geometrien, Signalfrequenzen oder Materialkenngrößen selbst einstellen können. „Das Besondere ist hierbei, dass einzelne Komponenten und Systeme auch disziplinübergreifend beschrieben werden können“, so Prof. Strehle: „So können zum Beispiel Aspekte der Elektrotechnik, Mechanik und Fluidik auch für komplexe Geometrien und Materialkombinationen miteinander verknüpft und studiert werden.“

Dabei soll die Simulation nicht nur idealisierte Funktionen einzelner Komponenten und ganzer Mikrosysteme wie Druck-, Kraft- oder Bewegungssensoren beinhalten, sondern auch Effekte der Miniaturisierung sowie technologiebedingte Geometrieabweichungen und unerwünschte Effekte wie Rauschen veranschaulichen. Zudem sollen im Rahmen des Projekts auch neue Prüfungs- und innovative Lehrformate erprobt werden, welche auch die Selbstreflexion und das Selbststudium unterstützen. Prof. Strehle:

Ich bin davon überzeugt, dass wir durch das aktive, spielerische Erleben beim Nutzen der App insbesondere komplexe Sachverhalte und Technologien sowie das Zusammenspiel verschiedener Disziplinen deutlich effizienter, anschaulicher und nachhaltiger vermitteln können.

Das neue Lehrformat soll zunächst in den Bachelor- und Master-Studiengängen Maschinenbau, Mechatronik, Technische Physik und Micro- and Nanotechnologies auf Deutsch und Englisch eingesetzt werden. Auch die Austausch- bzw. Doppelabschlussprogramme, beispielsweise mit der Universität Pontifica Universidad Católica del Perú in Lima und der der École Nationale Supérieure de Mécanique et des Microtechniques de Basancon in Frankreich, sollen davon profitieren. Später soll es auch auf weitere Fachdisziplinen und Studiengänge übertragen werden.

Über die Fellowships für Innovationen in der digitalen Hochschullehre Thüringen

Seit 2018 vergeben das Thüringer Ministerium für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitale Gesellschaft und der Stifterverband Fellowships für Innovationen in der digitalen Hochschullehre an Lehrende, die an Hochschulen in staatlicher Trägerschaft des Freistaats Thüringen tätig sind. Über die Auswahl der Fellows entscheidet eine Jury, die aus Lehrenden und Studierenden verschiedener Fachrichtungen und Vertreterinnen und Vertretern der Hochschuldidaktik gebildet wird. Auswahlkriterien sind der zu erwartende Beitrag der geplanten Lehrinnovation zur Weiterentwicklung der Lehre im jeweiligen Studienfach, die angestrebte Verstetigung und das Transferpotenzial. Ein weiterer Fokus liegt auf dem persönlichen Engagement der Bewerberinnen und Bewerber im Programm.

Kontakt

Prof. Steffen Strehle

Leiter Fachgebiet Mikrosystemtechnik