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Kleine Schritte, große Wirkung: Auf dem Weg zu einer nachhaltigen Ressourcenoptimierung

Solarbetriebene Lebensmittellager intelligent zu steuern und zusammengeschaltete, aus erneuerbaren Energien gespeiste lokale Stromnetze mathematisch zu optimieren: Das haben sich Marcy Audrey Demafo und Inezy Remy Mugenga von der University of Rwanda und der Nelson Mandela African Institution of Science and Technology in Tansania vorgenommen. Im Rahmen einer Hochschulkooperation der Technischen Universität Ilmenau und des African Institute for Mathematical Sciences (AIMS) in Ruanda waren die Doktorandin und der Doktorand im Sommer 2024 in Ilmenau zu Gast. Ziel ihrer Forschungen ist es, zu einer Transformation der Agrar-, Ernährungs- und Energiesysteme in ihrer Heimat beizutragen. Insgesamt werden im Rahmen der Kooperation drei Doktorandinnen und Doktoranden und ein Postdoktorand von der Alexander-von-Humboldt-Stiftung (AvH) und dem Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) mit Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert.

Zwei Personen stehen neben Schild vor Gebäude Barbara Aichroth
Über Promotionsstipendien im Rahmen einer Hochschulkooperation der Technischen Universität Ilmenau und des African Institute for Mathematical Sciences (AIMS) in Ruanda verbrachten Inezy Remy Mugenga und Marcy Audrey Demafo im Sommer 2024 mehrere Monate in Ilmenau.

„Unser Kontinent hat sich in den letzten Jahren stark verändert und entwickelt und hat großes Potenzial“, erzählt Audrey Demafo. Zu verdanken hat das Afrika nicht zuletzt einer jungen wachsenden Bevölkerung, die sich wie Audrey und ihr Kollege Remy Mugenga aufgemacht hat, eben jenes Potenzial zu heben, Herausforderungen wie die Folgen des Klimawandels zu adressieren und eine stabile Energieversorgung zu sichern.

Sowohl Dürren als auch Hochwasser und Bodenerosion haben in den vergangenen Jahren in Ruanda, aber auch in anderen Ländern Afrikas zugenommen. Ernten fallen aus, Böden verschlechtern sich und eine instabile Stromversorgung für die Lagerung von Lebensmitteln führt zu zusätzlichen Lebensmittelverlusten. „Diese Ernährungsunsicherheit hat zur Folge, dass insbesondere die ländliche Bevölkerung verarmt und unter Hunger leidet“, erklärt Audrey.

Deshalb suchen wir im Rahmen der Hochschulkooperation zwischen dem AIMS Rwanda und der TU Ilmenau gemeinsam nach nachhaltigen Lösungen, um Lebensmittelverluste zu verringern, Stromkosten zu senken und eine hohe Lebensmittelqualität und -quantität zu sichern.

"Der beste Bereich, um schnell und nachhaltig etwas zu bewirken"

Der Schwerpunkt ihrer Forschungen liegt dabei auf mathematischen Ansätzen zur Optimierung und Steuerung intelligenter Systeme für erneuerbare Energien und nachhaltige Lebensmittelversorgungsketten insbesondere in abgelegenen Gebieten ohne Netzanschluss. Ihre Untersuchungen startete Audrey wie auch Remy im Mai 2022. Im Sommer 2024 waren die Promovierenden schon zum zweiten Mal in Ilmenau zu Gast, um ihre Forschungsarbeiten voranzutreiben und sich mit Forschenden des Fachgebiets Prozessoptimierung unter Leitung von Prof. Pu Li auszutauschen.

Den Hunger zu beenden, Ernährungssicherheit zu sichern, eine bessere Ernährung erreichen und eine nachhaltige Landwirtschaft zu fördern gehört auch zu den 17 Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen (SDGs). „Die Prozessoptimierung ist der beste Bereich, wenn man solche gesellschaftliche Herausforderungen adressieren und schnell und nachhaltig etwas bewirken möchte“, findet Remy. Während er selbst sich in seiner Promotion auf die mathematische Optimierung so genannter verteilter Microgrids für eine stabile Stromversorgung im Netzbetrieb konzentriert, untersucht Audrey, wie sich solarbetriebene Lebensmittellager mit Hilfe mathematischer Methoden intelligent steuern lassen, um eine hohe Qualität der Agrarprodukte zu sichern:

Die Nacherntekette umfasst mehrere Schritte, angefangen bei der Ernte der Pflanzen bis hin zur Lieferung der Nahrungsmittel an die Verbraucherinnen und Verbraucher. Dabei müssen viele Schritte ordnungsgemäß überwacht und kontrolliert werden, damit die Verbraucherinnen und Verbraucher am Ende ein hochwertiges Produkt erhalten. Wenn sich der Landwirt nicht gut mit diesem Prozess auskennt, kommt es zu Lebensmittelverlusten, Lebensmittelverschwendung und minderwertigen Produkten. In meiner Arbeit arbeite ich an der Optimierung des Lagerungsprozesses für die Agrarprodukte - das ist mein Beitrag, um den Landwirten in meiner Heimat zu helfen.

"Bei Forschung geht es immer um kleine Schritte"

Während sich Audrey und Remy während ihres ersten Aufenthalts in Ilmenau 2022 zunächst mit dem Stand der Technik in ihren jeweiligen Bereichen beschäftigten, verbringen sie aktuell viel Zeit mit der Entwicklung geeigneter Algorithmen, um ihr jeweiliges Problem zu lösen. Betreut werden sie dabei von Dr. rer. nat. habil. Abebe Geletu, Inhaber des Forschungslehrstuhls für Mathematik und ihre Anwendung am African Institute for Mathematical Sciences (AIMS) in Ruanda, und Prof. Pu Li, Leiter des Fachgebiets Prozessoptimierung der TU Ilmenau: “Wir befinden uns aktuell in der zweiten Phase unserer Doktorandenreise und müssen erste Ergebnisse liefern”, erzählen Audrey und Remy. Nicht immer sei es leicht, sich zu motivieren, so Audrey:

Während der Promotion ist man gezwungen, Dinge zu lernen, die man vorher nicht kannte und die über das eigene Thema hinausgehen. Zum Beispiel muss ich mich jetzt mit Elektronik beschäftigen und eine neue Programmiersprache lernen. Wenn ich das, was ich tue, nicht so lieben würde, hätte ich sicher nicht die Energie, um diese Herausforderungen zu bewältigen.

Sie betont: „Ich bin in den letzten zwei Jahren auf jeden Fall gewachsen und wachse immer noch – auch wegen der guten Verbindung zu meinen Betreuern. Ich habe gelernt: Es ist normal, dass man mal nicht weiterkommt. Doch wenn man darüber redet, findet man zwar vielleicht nicht sofort eine Lösung, erhält aber zumindest neue Ideen für einen Lösungsweg. Nur durch Diskussionen und Zusammenarbeit kommt man auf diesem Weg weiter."

Die Tatsache, dass ich auf dieser einzigartigen Reise meines Lebens von guten Menschen umgeben bin, hilft mir sehr und hält mich motiviert.

Remy ergänzt:

Am Anfang fühlt man sich wie Superman, weil man große gesellschaftliche Probleme lösen möchte. Das ist wirklich motivierend. Aber wenn man erstmal angefangen hat, stellt man fest, dass es bei Forschung immer um kleine Schritte geht, das heißt darum, immer wieder einen kleinen Stein zu einem bereits bestehenden Haufen von Steinen hinzuzufügen.

Er habe gelernt, dass Forschung deshalb mehr sei als nur Motivation: „Es ist ein Beruf, der harte Arbeit, viel Ausdauer und Referenzen erfordert.“

Neben dem wissenschaftlichen Austausch bei Konferenzen in Marokko oder Italien, wo die beiden Promovierenden ihre Forschungsergebnisse beim 12th IFAC Symposium on Control of Power and Energy Systems und dem 22nd World Congress of Food Science and Technology präsentierten, halfen ihnen auch ein Alumni-Workshop und ein Workshop zur modellprädiktiven Regelung an der TU Ilmenau, sich auf die nächste Phase ihrer Doktorarbeit vorzubereiten. Remy ist begeistert:

Dieser Austausch mit anderen Wissenschaftlern, die Mathematik genauso lieben wie ich, in einer der besten Ingenieurregionen der Welt, hat mich sehr inspiriert und mir eine Menge Input gegeben, um weiter an mathematischen Methoden zur Optimierung des Energiesektors zu arbeiten.

Aktuell gehen die beiden davon aus, im kommenden Sommer für einen weiteren Forschungsaufenthalt an die TU Ilmenau zu kommen.

Kontakt

Prof. Pu Li

Fachgebietsleiter Prozessoptimierung