Studium

Hochschullehre durch Digitalisierung stärken: TU mit zwei Anträgen erfolgreich

Die TU Ilmenau war im Rahmen des neu aufgelegten Bund-Länder-Programms „Hochschullehre durch Digitalisierung stärken“ gleich zweimal erfolgreich. Sie erhielt zum einen eine Förderzusage für das Projekt „examING“ zur Entwicklung und Erprobung digitaler Prüfungsinhalte, -formate und zugehöriger digital gestützter Prüfungssysteme insbesondere für ingenieurwissenschaftliche Bachelorstudiengänge. Zum anderen wird ein Verbundprojekt „CrossLabs“ gemeinsam mit der TU Freiberg, der TU Dortmund und der NORD-AKADEMIE gefördert, in dem virtuelle Laborumgebungen oder Simulationen entwickelt und für eine hochschulübergreifende Nutzung zur Verfügung gestellt werden.

Student sitzt am Computer und schreibt online eine Prüfung. iStock.com/StockRocket

 Digitale Lehr- und Lernformate sind aus einer aktuellen Hochschullehre nicht wegzudenken. Mit beiden Projekten wollen wir dieser Entwicklung weitere Impulse geben und damit einen Beitrag für die Attraktivität der TU Ilmenau als modernen Studienstandort leisten“, so die Vizepräsidentin für Studium und Lehre, Professorin Anja Geigenmüller.

Das Bund-Länder-Programm „Hochschullehre durch Digitalisierung stärken“ war im November 2020 vor dem Hintergrund der Corona-Krise aufgelegt worden. Programmträger ist die neu gegründete Bundesstiftung „Innovation in der Hochschullehre“, die auch die Begutachtung der Projekte verantwortete. Von insgesamt mehr als 260 Anträgen wurden nach umfangreicher wissenschaftlicher Begutachtung 139 Projekte zur Förderung empfohlen. Die Vorhaben an der TU Ilmenau werden für die Dauer von drei Jahren mit 2,6 Millionen Euro für das Projekt „examING“ und anteilig mit einer Million Euro für das Projekt „CrossLabs“ gefördert.

Die Leitung des Gesamtvorhabens liegt bei der Vizepräsidentin für Studium und Lehre der TU Ilmenau. Die inhaltliche Erarbeitung der ingenieurwissenschaftlichen Prüfungsformate für die Bachelorstudierenden erfolgt in der Verantwortung der Fakultäten. Die didaktischen und technischen Supportstrukturen sind im Zentralinstitut für Bildung, im Universitätsrechenzentrum der TU Ilmenau sowie beim Chief Information Officer angesiedelt. In allen Projektphasen werden die Studierenden und alle weiteren Akteure der Universität, die in die Prozesse von Lernen, Lehre und Prüfen eingebunden sind, mit einbezogen.

Weiterentwicklung digital gestützter Prüfungsformate

Aufgrund der Corona-Pandemie mussten an der Universität Lernen, Lehren und Prüfen neu gedacht und technische Systeme wie die Moodle-Lernmanagementplattform und das zugehörige „Prüfungs-Moodle“ ausgebaut und weiterentwickelt werden. Diese wertvollen Erfahrungen sollen genutzt werden, eine digital bereicherte Hochschullehre weiterzuentwickeln. Digitale Formate bieten zahlreiche Vorteile, wie beispielsweise eine flexiblere Lernumgebung, die sich individuellen Lernbedürfnissen besser anpassen lässt. Sie stellt Lehrende und Studierende aber auch vor neue Herausforderungen: Digitale Werkzeuge sollen die Wissensvermittlung weder inhaltlich noch strukturell einschränken oder gar banalisieren.

Verschiedene Stufen eines Wissenserwerbs vom ersten bis zum letzten Fachsemester müssen sich auch adäquat in der gewählten Prüfungsform abbilden lassen“, so Prof. Geigenmüller.

Der Erwerb von Wissen, Fähigkeiten, Einsichten und Erfahrungen müsse kompetenzorientiert geprüft werden. Eine bloße Wissensabfrage werde der Komplexität universitären Lernstoffs nicht gerecht. Daher müssten verschiedenen Lehrinhalten in Vorlesungen, Projekten und Seminaren geeignete, digitale Prüfungsmethoden gegenübergestellt werden, die erworbene Kompetenzen unter anderem zur Problemanalyse, zur Entwicklung von Lösungsstrategien, der Reflexion alternativer Lösungswege usw. angemessen überprüfen.

Während es dazu zum Beispiel in den Sozialwissenschaften bereits mehrere Lösungsansätze gibt, fehlen sie zum großen Teil in den Ingenieurwissenschaften. In ingenieurwissenschaftlichen Studiengängen wird Wissen mittels mathematischer Grundlagen, Formeln, Zeichnungen, Programmcodes oder technischer Zeichnungen übermittelt. Studierende müssen Methoden zur Problemlösung kennen und anwenden können. Neben fachlichen Kompetenzen spielen zudem überfachliche Kompetenzen wie Kooperation und Kommunikation eine wichtige Rolle. Allerdings fehlen bisher Prüfungsformate und -systeme für eine digitale Überprüfung spezifisch ingenieurwissenschaftlicher Studieninhalte. Ziel des Vorhabens „examING“ ist daher, Formate und Systeme für kompetenzorientiertes digitales Prüfen in den Ingenieurwissenschaften zu schaffen.

Die Ergebnisse und das examING-Instrumentarium zur Gestaltung digital unterstützter kompetenzorientierter Prüfungen in den ingenieurwissenschaftlichen Bachelorstudiengängen der TU Ilmenau sollen nach Projektabschluss universitätsweit in verschiedenen Kontexten angewandt und auf andere Hochschulen übertragbar sein.

 

Neue Instrumentarien für digital unterstützte Prüfungen

Dafür werden im Projekt zunächst verschiedene Prüfungsformen analysiert. Bei der Betrachtung werden die Prinzipien des Constructive Alignment zugrunde gelegt: Nach diesem Konzept müssen Lernziele, Lehr- und Lernmethoden sowie Prüfungsformen aufeinander abgestimmt sein ebenso wie räumliche und zeitliche Bedingungen sowie die Verfügbarkeit von Lehrmedien und -mitteln. Dabei geht es weniger um die Frage, ob Präsenzprüfungen oder Online-Prüfungen „besser sind“. Vielmehr sollen aus der Synthese analoger und digitaler Prüfungsformen Synergieeffekte entstehen, die das Prüfungssystem der TU Ilmenau studierendenzentrierter, flexibler und somit attraktiver gestalten.

Technologischer Infrastruktur kommt Schlüsselrolle zu

Um die Ziele des Projekts zu erreichen, wurden vier Umsetzungsmodule konzipiert. Im Modul 1 werden die didak-tischen Fähigkeiten Lehrender im Hinblick auf eine kompetenzorientierte, das heißt, auf die Studienfortschritte der Studierenden zugeschnittene Prüfungspraxis erweitert. Auf dieser Basis soll die umfassende Analyse und Abstim-mung von Lehrinhalten und Prüfungsmethoden erarbeitet werden. Modul 2 umfasst die Schaffung der notwendigen Infrastruktur. Im Zuge des Vorhabens soll ein Hörsaal als E-Prüfungs-Hörsaal eingerichtet werden, indem jeder zweite Hörsaalstuhl mit einer 230 V-Steckdose, einem USB-Ladeanschluss und einer LAN-Netzwerkdose ausge-rüstet wird. Weiterhin wird der Raum mit zehn zusätzlichen WLAN-AccessPoints ausgestattet. Parallel werden im Modul 3 digitale ingenieurwissenschaftliche Prüfungsformen entwickelt und erprobt und im 4. Umsetzungspaket begleitendende Supportstrukturen etabliert.

Dadurch wird es beispielsweise möglich, alle Studierenden im fachübergreifenden, gemeinsamen ingenieurwissenschaftlichen Grundlagenstudium der TU Ilmenau hybrid oder synchron online vor Ort zu prüfen“, so Projektleiterin Prof. Anja Geigenmüller.

Makerspace-Lab für praktische Anwendungen

Ein Baustein des Vorhabens ist der Aufbau einer so genannte Makerspace­Lernumgebung. Wie der Name schon sagt, ermöglicht ein Makerspace die praktische Bearbeitung eines Projektes. Dabei wird das in verschiedenen Fächern erworbene theoretische Wissen so angewandt, dass die Zusammenhänge zwischen den Disziplinen, etwa der Informatik und Konstruktionstechnik, für die Studierenden verständlicher werden. Damit erwerben Studierende wichtige Kernkompetenzen für das Berufsbild eines Ingenieurs, wie beispielsweise lösungsorientiertes und disziplinübergreifendes Denken und Agieren. Diese reale Lernumgebung soll um geeignete, digitale Lehr- und Prüfungsformen bereichert werden, zum Beispiel im Rahmen der Vorbereitung von Projekten im Makerspace oder auch in der Überprüfung gewonnener Kompetenzen.

Verbundprojekt Crosslabs: Lernen und Arbeiten 4.0

Mit dem Aufbau digital unterstützter Prüfungsformate ist das Projekt examING auch eng verzahnt mit dem Verbundprojekt „Flexibel kombinierbare Cross-Reality Labore in der Hochschullehre: zukunftsfähige Kompetenzentwicklung für ein Lernen und Arbeiten 4.0“ (CrossLabs). In dem ebenfalls in der Programmlinie „Hochschullehre durch Digitalisierung stärken“ geförderten Vorhaben arbeiten die TU Bergakademie Freiberg, die TU Ilmenau, die TU Dortmund und die NORDAKADEMIE Hochschule der Wirtschaft am Aufbau hochschulübergreifender CrossLab-Module zusammen.

CrossLab ist ein Sammelbegriff für digitale Formate der Laborausbildung wie Remotelabore oder virtuelle Laborumgebungen. Zentraler Unterschied zwischen einem herkömmlichen und einem Cross-Reality-Labor ist die Anbindung der verschiedenen Experimente, etwa aus der Informatik, dem Maschinenbau oder der Chemie, an eine Web-Schnittstelle, um einen entfernten Zugriff zu ermöglicht. Dabei müssen die Rechnerausstattung und eingebetteten Systeme einen sicheren Zugriff gewährleisten, damit das Experiment nicht gefährdet und im schlimmsten Fall eine Maschine zu zerstört werden kann. Darüber hinaus ist eine Nutzerverwaltung und Terminplanung erforderlich, da die realen Experimente jeweils nur von einem Nutzer ausgeführt werden können. Das an der TU Ilmenau bestehende Remote-Labor GOLDi bietet darüber hinaus die Simulation der realen Experimente an, um eine Parallelisierung und intensive Vorbereitung zu ermöglichen, bevor ein Arbeitsergebnis am realen Experiment überprüft wird.

Verbundprojekt für hochschulübergreifende Vernetzung

Obwohl das Potenzial einer hochschulübergreifenden Nutzung von CrossLabs offensichtlich ist, blieben diese bislang hochschullokal isoliert. Trotz inhaltlicher Überdeckungen lassen sich die festgefügten Installationen, die auf die didaktischen Erfordernisse an einem Standort zugeschnitten wurden, nicht ohne Weiteres aus einer anderen Hochschule heraus nutzen. Das Verbundvorhaben zielt nun auf die Etablierung eines hochschulübergreifenden, interdisziplinären Netzwerkes von digitalisierten Labormodulen ab, die vergleichbar mit den Konzepten der Industrie 4.0, bedarfsbezogen in einer Lernumgebung für studierendenzentrierte Lehre kombiniert werden können. Dafür werden die Partner sowohl auf didaktischer, technischer und organisatorischer Ebene Lösungen entwickeln und evaluieren.

Die TU Ilmenau ist im Projekt schwerpunktmäßig mit der technischen Analyse und der Erarbeitung einer neuen Softwarearchitektur betraut. Der Ilmenauer Projektleiter und Leiter der Lehrgruppe Informatik für Ingenieure der TU Ilmenau, Dr.-Ing. Detlef Streitferdt:

Wir werden in Ilmenau auf der Basis unseres Remotelabs GOLDi die Softwarearchitektur für ein Remote-Lab neu erarbeiten. Die neue Softwarearchitektur soll weitere Remote-Labs standortübergreifend integrieren können, so dass schließlich ein Remote-Lab geben wird, dessen einzelne Experimente von unterschiedlichen, weltweit verteilten Partnern stammen können, ohne, dass ein Nutzer dies bemerken würde.

Digitale Unterstützung der Laborausbildung

So wird es in Zukunft zum Beispiel möglich sein, mit einem Mikrocontroller aus Freiberg ein Fahrstuhlmodell in Ilmenau anzusteuern und so die Ausstattung beider Universitäten zu nutzen. Durch die entstehenden Synergien vervielfachen sich die Anwendungen und Entwicklungsmöglichkeiten für Remote-Labor-unterstützte digitale Aus-bildungsformate. Konkret, so Professor Streitferdt, könne in Zukunft die Vorbereitungsphase für neue und ergän-zende Präsenzformate signifikant verbessert werden. „Nach kurzen Vorlesungsphasen kann die Online-Vorbereitung die folgenden Präsenzanteile sehr effizient gestalten, da es dann um die Verknüpfung und Anwendung von Gelerntem geht. In diesen Präsenzphasen können Studierende und Lehrende interaktiv Aufgabenstellungen diskutieren und weiterentwickeln.“ Durch die weltweite Verfügbarkeit können zudem die jeweils besten Angebote in Lehrveranstaltungen eingebunden werden, um so deren Qualität zu steigern. Schließlich erlauben Remote-Labore den Studierenden eine nahezu freie Zeiteinteilung an 24 Stunden an sieben Tagen pro Woche.

Das Gesamtvolumen der Fördersumme für das Verbundprojekt beträgt 4,7 Millionen Euro für die Dauer von drei Jahren. Davon entfallen über eine Million Euro Projektmittel auf die TU Ilmenau.

Kontakt

Prof. Anja Geigenmüller

Vizepräsidentin für Studium und Lehre, Projektleiterin examING

Dr.-Ing. Detlef Streitferdt

Leiter der Lehrgruppe Informatik für Ingenieure, Projektleiter TU Ilmenau im Verbundprojekt CrossLabs