Forschung

Forschungsprojekt in Lima: TU Ilmenau-Absolvent entwickelt Algorithmen zur Erkennung von Lecks in Wasserpipelines

Die Versorgung von Menschen mit sauberem Trinkwasser ist eines der globalen Herausforderungen, denen sich nicht nur Wissenschaftler*innen, sondern auch Studierende der TU Ilmenau annehmen. Julius Rußmann hat erst kürzlich seinen Master in Technische Kybernetik und Systemtheorie abgeschlossen. In seiner Masterarbeit entwickelte er in Lima, Peru, im Rahmen des EU-Forschungsprojekts „PUREWATER“ Methoden, um Lecks in Pipelines schnell und exakt zu lokalisieren – mit dem Ziel, Wasserverluste zu minimieren. In UNIonline berichtet er von dem spannenden Forschungsumfeld an der Päpstlichen Katholischen Universität von Peru (PUCP), wo ihn ein Doppelabschlussprogramm an der TU Ilmenau hinführte und er unter anderem mit dem staatlichen Ölkonzern Petroperu zusammenarbeitete.

PUCP
Während des Auslandsaufenthalts in Peru beschäftigte sich Julius Rußmann mit der Erkennung und Lokalisierung von Lecks in Wasserpipelines. Die entworfenen Algorithmen konnte er an einer realen Pilotanlage in Lima testen.

Länger anhaltende Dürreperioden, Ernterückgänge bei Mais und Kartoffeln, drohende Wasserknappheit in Großstädten ­– die Auswirkungen des weltweiten Klimawandels auf unseren Trinkwasserbedarf und unsere Trinkwasserversorgung sind schon heute deutlich spürbar. Zugleich führen Lecks an den Trinkwasserpipelines und illegale Trinkwasserentnahmen zu signifikanten Wasserverlustraten, die selbst in Deutschland noch immer bei über fünf Prozent liegen. Lateinamerikanische Städte wie Lima oder Mexiko-Stadt weisen sogar Raten jenseits der 30 Prozent auf, so dass sich die globalen ökonomischen Kosten des Wasserverlusts auf geschätzt über 39 Billionen US-Dollar belaufen.

Diese eindrücklichen Zahlen motivierten mich, im Rahmen meiner Masterarbeit „Dynamic and Algebraic Observer Design for Leak Detection, Size Estimation and Localization in Water Pipe Systems“ Methoden zu entwickeln, mit denen sich auftretende Lecks in Pipelines schnell und exakt detektieren sowie lokalisieren lassen. Die Masterarbeit ist Teil des Doppelmasterprogramms „Technische Kybernetik und Systemtheorie“ zwischen der TU Ilmenau und der PUCP in Lima. Die Kooperation beider Universitäten, die sich auch auf das EU-Forschungsprojekt „PUREWATER“ zur Mehrwasserentsalzung und Trinkwasseraufbereitung erstreckt, ermöglichte mir eine ertrags- und erfahrungsreiche Kombination aus fachlicher Expertise sowie praktischer Anwendung.

Dank des Doktoranden Matti Noack, der mich intensiv betreute, konnte ich mich tiefer in das Themenfeld modellbasierter Beobachter für sogenannte partielle Differentialgleichungen einarbeiten. Diese Gleichungen modellieren nicht nur die zeitliche, sondern auch die räumliche Dynamik von physikalischen Systemen, die im Falle von Pipelines aufgrund von Reibungseffekten und des räumlichen Transports vom Pipelineeinlass zum Pipelineauslass zwingend berücksichtigt werden sollte.

Zur modellbasierten Parameter- und Zustandsschätzung, unter anderem für solche PDE-Systeme, wird am Fachgebiet Regelungstechnik durch Prof. Johann Reger und einige seiner Doktorand*innen seit mehreren Jahren die Anwendung der sogenannten Modulationsfunktionsmethode erforscht und vorangetrieben. Dieser Ansatz stellt eine Alternative zu etablierten modellbasierten Schätzmethoden wie dem Kalman-Filter dar und verspricht aufgrund seines vollständig algebraischen Beobachterentwurfes eine Verringerung von Rechenzeit sowie eine bessere Unterdrückung von Messrauschen. Mit meiner Masterarbeit konnte ich einen Beitrag zur Erforschung der Vorteile und Grenzen der Modulationsfunktionsmethode leisten sowie das Anwendungsspektrum dieser Methode um die Leckerkennung und -lokalisierung in Trinkwasserpipelines erweitern.

An der PUCP bin ich von Beginn an in die Forschung eingebunden worden. In Zusammenarbeit mit dem staatlichen Ölkonzern Petroperu habe ich mich damit beschäftigt, Lecks in der zentralen nordperuanischen Ölpipeline zu erkennen und zu lokalisieren. Der wöchentliche Austausch mit den Wissenschaftler*innen an der PUCP gab mir somit zusätzliche fachliche Anregungen sowie Einblicke in die Komplexität und Bedeutung des Themas. Darüber hinaus verfügt das Regelungstechniklabor der PUCP über eine Pilotanlange, bei der Wasser durch eine knapp 100 Meter lange Wasserpipeline gepumpt wird. Die Anlage ist mit der kompletten Sensorik ausgestattet, die benötigt wird, um Druck und Volumenstrom an mehreren Messpunkten sowie der Aktuatorik zur Steuerung der einfließenden Wassermenge zu erfassen und Leckageventile zu öffnen. Mit besonderer Freude und Stolz durfte ich somit den Moment erleben, als meine theoretischen Ergebnisse validiert wurden und die von mir entworfenen modellbasierten Algorithmen im Leckagefall den ausströmenden Wasservolumenstrom sowie die tatsächliche Leckageposition mit der gewünschten Genauigkeit ermittelten!

So frühzeitig aktiv in die Forschungsprojekte beider Universitäten eingebunden zu sein, ermöglichte mir vielfältige Einblicke in die internationale Forschungsumgebung der TU Ilmenau und die Entwicklung von innovativen Ansätzen zur Lösung globaler Herausforderungen. Darüber hinaus konnte ich durch die Forschung in meiner Masterarbeit Kenntnisse aus der akademischen Ausbildung an der TU Ilmenau vertiefen.

Für dieses Jahr habe ich geplant, die Ergebnisse meiner Masterarbeit auf einer renommierten Fachkonferenz zu veröffentlichen. Voller Dankbarkeit blicke ich auf das mir gebotene Forschungsumfeld als Masterand und kann jedem Studierenden wärmstens empfehlen, die zahlreichen Angebote zum Einstieg in die Forschungswelt an der TU Ilmenau wahrzunehmen – ob in Form eines Laborpraktikums, als HiWi oder im Rahmen einer Abschlussarbeit!

Kontakt

Prof. Dr.-Ing. Johann Reger

Leiter des Fachgebiets Regelungstechnik