Forschung

TU Ilmenau als Impulsgeber: „Nachhaltigkeit und Universität gehen Hand in Hand“

Nachhaltigkeit gewinnt immer mehr an Gehör – und das in allen Bereichen. Auch an der TU Ilmenau hat die Thematik einen hohen Stellenwert. Mit dem Themenjahr Nachhaltigkeit und der Gründung einer Task Group Nachhaltigkeit forciert die Universität ihre Aktivitäten auf dem Weg zu einer „Sustainable Community“. Jens Wolling, Leiter des Fachgebiets Empirische Medienforschung und Politische Kommunikation sowie Mitglied der Task Group Nachhaltigkeit, ist seit vielen Jahren engagierter Umweltschützer und legt einen Schwerpunkt auf Nachhaltigkeit in Lehre und Forschung.  Im Interview erfährt Lennert Lifka, Student der Angewandten Medien und Kommunikationswissenschaft, wie Prof. Wolling nach Ilmenau kam, was Nachhaltig-Sein für ihn bedeutet und warum gerade Universitäten sich dem Thema mehr annehmen sollten.

Profilbild Jens Wolling Ivan Guevara
Der Kommunikationsexperte Prof. Jens Wolling begleitet die TU Ilmenau auf dem Weg zu einer Sustainable Community.

Prof. Wolling, welche Schwerpunkte behandeln Sie in Ihrer Forschung?

In den letzten Jahren habe ich mich immer mehr auf die Erforschung der Kommunikation über Nachhaltigkeit, Umwelt und Energie konzentriert. Klar ist aber auch, dass es durchaus andere Gebiete gibt, die ebenso wichtig sind und die wir auch bearbeiten. Beispielhaft wären da Migration, Bildung, Digitalisierung oder aber auch Gesundheit zu nennen. Auch bei diesen Themen spielt Kommunikation eine große Rolle.  


Man könnte meinen, Themen dieser Wichtigkeit werden zum Großteil in den Ballungszentren erschlossen und diskutiert. Nun ist Ilmenau doch vergleichsweise klein. Warum also die Stadt mitten im Thüringer Wald?

Ich war zunächst wissenschaftlicher Mitarbeiter in Dresden und dort gab es einen Gastprofessor, der meine Arbeit offenbar schätzte. Als er den Ruf nach Ilmenau bekam, fragte er mich, ob ich nicht als Mitarbeiter mitkommen wolle und das tat ich dann auch. Nach erfolgreicher Bewerbung und einigen Jahren als Mitarbeiter führte mich der Weg nach München, wo ich eine Professur vertreten durfte. Die Stelle in Ilmenau wurde frei und ich kehrte als Professor zurück in die Kleinstadt.

Für diese Entscheidung gab es verschiedene Gründe. Zum einen schätze ich durchaus die kurzen Wege in der Stadt und die Natur in der direkten Umgebung, und auch die Lebenshaltungskosten sind hier im Vergleich zu München deutlich niedriger. Zum anderen ist die Ausstattung der Technischen Universität Ilmenau gut und das gerade auch im Vergleich zu München. Das klingt im ersten Moment vielleicht komisch, aber tatsächlich: Sowohl hinsichtlich der personellen als auch der materiellen Ressourcen sind wir sehr gut aufgestellt. Das Gesamtpaket hier hat mich einfach überzeugt.


In Ihrer Lehre und Forschung befassen Sie sich stark mit Nachhaltigkeit. Wie gehen Sie das Thema im privaten Umfeld an und welche Bedeutung hat die Thematik für Sie ganz persönlich?

Seit rund 40 Jahren bin ich Mitglied beim NABU. Angefangen habe ich damals zusammen mit anderen Naturbegeisterten Kopfweiden zu schneiden, wobei mir meine Fähigkeiten als gelernter Zimmermann sehr zugutekamen (Prof. Wolling schmunzelt). Gerade wegen des Berufs war ich dann jedoch lange Zeit nur zahlendes Mitglied und konnte nicht direkt mit anpacken. Seit einigen Jahren bin ich dort aber wieder aktiver. Ein Projekt des NABU bei dem ich mitmache ist „FairPachten“. Hierbei geht es vor allem darum zu beraten und zu informieren: Welche Naturschutzmaßnahmen sind für Acker und Grünland sinnvoll? Wie können sie in einem Pachtvertrag vereinbart werden? Und vieles mehr.

Für die Thematik sensibilisiert haben mich auch zwei Jahre in Nicaragua. Dort betreute ich in der 80er Jahren Wasserprojekte, um die Trinkwasserversorgung der ansässigen Bewohner aufzubauen. In dem Projekt konnte ich sehen, wie soziale Ungerechtigkeit in der Welt mit ökologischer Zerstörung zusammenhängen. Die Bilder von den verheerenden Umweltzerstörungen auf früherem Urwaldgebiet sind mir dabei besonders im Kopf geblieben. 

Das färbte auch auf meinen heutigen Alltag ab. Vor ca. 30 Jahren entschied ich mich dazu, kein Auto mehr zu besitzen. Eine Entscheidung, die ich bis heute nicht bereue. Beim Hausbau hier in Ilmenau war es mir außerdem wichtig, in der Stadt zu bauen, um keine unnötige Fläche außerhalb zu versiegeln und Solarenergie und Erdwärme zu nutzen. Umgeben haben wir unser Haus mitten in der Stadt mit einem kleinen, aber feinen ökologischen Garten. Meine Tätigkeit bei den Grünen, die Organisation von Müllsammelaktionen (siehe umweltkampagnen.de) oder die Teilnahme am „Wattbewerb“ ergänzen das Ganze noch etwas weiter.


Mit dem Themenjahr „Nachhaltigkeit“ möchte die TU Ilmenau nicht nur Forschungsprojekte mit Nachhaltigkeitsbezug einer breiten Öffentlichkeit vorstellen, sondern auch Initiativen in den Fokus rücken, die die Universität nachhaltiger machen. Warum ist es wichtig, dass Menschen an der Universität und in der Region für Nachhaltigkeit sensibilisiert werden?

Generell sind Universitäten die Ausbilder von Führungskräften. Setzt man dort an und vermittelt frühzeitig die Wichtigkeit der Thematik, kann man vieles verändern. Auch ist die Bedeutung einer Uni auf ihre jeweilige Umgebungsregion nicht zu unterschätzen. Da geht es zum einen um Vorbild-, zum anderen aber auch um Orientierungsfunktionen. Politische Diskurse und Entscheidungen hier in der Region berücksichtigen nicht zuletzt was für die Universität wichtig ist. Ist die Uni also nun stark verbunden mit Nachhaltigkeit, kann sich das positiv auf die Umgebung auswirken und notwendige Veränderungen bewirken. Außerdem sind gerade wir als Technische Universität Innovationstreiber und Impulsgeber.


Sie sind Mitglied der Task Group, die sich mit Nachhaltigkeit an der TU Ilmenau beschäftigt.

Der Hintergrund des Ganzen ist ein Forschungsprojekt. Dabei handelt es sich um einen Verbund von vier Thüringer Hochschulen. Die TU Ilmenau, die Universität Erfurt, die FH Erfurt und die FH Nordhausen wollen sich im Zuge dessen vernetzen und gemeinsam unterschiedliche Aspekte von Nachhaltigkeit bearbeiten. Unser Teil ist insbesondere die Nachhaltigkeitskommunikation.

In der TU Ilmenau wurde eine Taskgroup Nachhaltigkeit gegründet in der engagierte Mitarbeitende der Universität zusammenarbeiten um die Nachhaltigkeit an der Universität zu fördern. Die Mitglieder vertreten alle Bereiche der Institution Universität. Das bedeutet nicht nur Forschung und Lehre, sondern auch Beschaffungswesen und das Campusleben werden mit einbezogen. Das hilft uns, strategisch arbeiten zu können und Vernetzungen zwischen den unterschiedlichen Bereichen herzustellen. Wir haben regelmäßige Vernetzungstreffen, um Ideen zu sammeln und das Vorgehen abzusprechen. Ein Thema das wir zusammen mit der Stadt gerne voranbringen möchten ist das Sharing. Wir denken, dass Sharing-Angebote den Campus lebenswerter und gleichzeitig nachhaltiger gestalten können. Dabei geht es zunächst einmal um den Bereich Mobilität. Hierbei sind Angebote in Richtung von Fahrrädern, aber auch Autos denkbar und notwendig.
 

Das alles klingt nach sehr positiven Entwicklungen und Ausblicken. Fällt es Ihnen im Hinblick auf die aktuellen Krisen der Welt schwer, diese Einstellung aufrecht zu erhalten?

Es gibt keine Alternative zum Optimismus, so viel lässt sich auf jeden Fall sagen. Ich bin froh, dass es genügend andere Menschen gibt, die genauso denken. Meine Botschaft ist: Wir brauchen eine Mischung aus Geduld und Ungeduld. Geduld heißt in dem Kontext, wir müssen einen langen Atem haben. Lang deshalb, weil es Dinge und Prozesse gibt, die nicht von heute auf morgen passieren können. Die Ungeduld wiederrum ist notwendig, weil wir darauf drängen müssen, dass es schneller geht. Wir dürfen den Mut nicht verlieren und müssen vor allem ehrgeizig sein. Ich denke, Ehrgeiz, Unerschrockenheit und Zusammenarbeit sind angesichts der Thematik entscheidende Eigenschaften, um diese Mammutaufgabe zu meistern.

 

Zur Person

Prof. Dr. Jens Wolling ist gelernter Zimmermann und studierte Publizistik und Geschichte an der FU Berlin. 1999 promovierte er mit dem Thema „Politikverdrossenheit durch Massenmedien. Der Einfluss der Medien auf die Einstellungen der Bürger zur Politik“ an der TU Dresden. Nach seiner Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der TU Ilmenau und einer Professur-Vertretung an der Ludwig-Maximilians-Universität München wurde Jens Wolling 2005 an der LMU zum Professor für Online-Kommunikation am Institut für Kommunikationswissenschaft und Medienforschung ernannt. Seit 2006 ist er Professor für Empirische Medienforschung und Politische Kommunikation am Institut für Medien und Kommunikationswissenschaft der TU Ilmenau. Zwischen 2010 und 2018 fungierte er phasenweise als Direktor des Instituts für Medien und Kommunikationswissenschaft und Studiendekan der Fakultät für Mathematik und Naturwissenschaften, sowie Prodekan und Dekan der neu gegründeten Fakultät Wirtschaftswissenschaft und Medien. Mit seinem Fachgebiet engagiert sich Prof. Wolling an Forschungsprojekten rund um Nachhaltigkeitsthemen wie etwa dem vom BMBF geförderten Ausstellungsprojekt „Wissenschaftskommunikation Energiewende“. Auch sein aktuelles Projekt „KLIMA-Netzwerk für mehr Nachhaltigkeit in Thüringen. Bildung für nachhaltige Entwicklung“ wird vom BMBF gefördert und beschäftigt sich mit der Konzipierung einer nachhaltigen Gesellschaft. Bereits 2022 richtete das Fachgebiet von Prof. Wolling eine Onlinekonferenz zu dem Thema „Klima(wandel) Kommunikation“ aus. Schwerpunkt war die öffentliche Kommunikation über den Klimawandel. Er ist zudem Mitherausgeber einer Buchreihe zum Themenfeld Nachhaltigkeit-, Energie- und Umweltkommunikation (www.neu-kommunikation.de). Neben seiner Arbeit in der Forschung engagiert sich Prof. Wolling in der Kommunalpolitik als Mitglied des Kreistages im Ilm-Kreis und organisiert zweimal im Jahr einen „Frühjahrsputz“ sowie den „Clean Up Day“ bei denen Freiwillige aus Stadt und Universität die Natur von Müll befreien.

 

Hintergrund der Interviews

Im Rahmen des Seminars „Berufsfeldorientierung Journalismus“ haben Studierende der TU Ilmenau Angehörige der Universität interviewt. Die Interviews befassen sich mit Themen, die die TU Ilmenau stark beschäftigen – darunter Nachhaltigkeit, E-Learning oder Internationalität. Im Gespräch mit den Studierenden geben Dozierende, Forschende und Mitarbeitende auch ganz persönliche Einblicke preis und erzählen, was sie antreibt, wie sie berufliche und private Herausforderungen bewältigen und wie ihr Arbeitsalltag an der TU Ilmenau aussieht.