Politik

Transformationspfade mitdenken: Bundestagsvizepräsidentin informiert sich über Stand der Energieforschung an der TU Ilmenau

Wie können wir die Herausforderungen der Energiewende bewältigen? Welchen Beitrag können Thüringen und die TU Ilmenau zum Klimaschutz und zu einer nachhaltigen Stromerzeugung auf Basis erneuerbarer Energien leisten? Und wie ist der aktuelle Stand der Forschung zur direkten solaren Wasserstofferzeugung, der künstlichen Photosynthese? Darüber diskutierte die Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages und Abgeordnete für Thüringen Katrin Göring-Eckardt gestern mit Vizepräsident für Forschung und Wissenschaftlichen Nachwuchs Prof. Stefan Sinzinger, Prof. Thomas Hannappel, Fachgebietsleiter Grundlagen von Energiematerialien, und weiteren Wissenschaftlern der TU Ilmenau. “Es ist beeindruckend zu sehen, dass es für viele Herausforderungen der Energiewende bereits Lösungen und Ideen gibt. Die TU Ilmenau leistet einen enorm wichtigen Beitrag diese Lösungswege weiter voranzutreiben“, so Göring-Eckardt.

Mann und Frau in Reinraumanzügen und mit Schutzbrille unterhalten sich in Labor TU Ilmenau/Barbara Aichroth
Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt informierte sich bei Prof. Thomas Hannappel über die aktuellen Stand der Forschung zur direkten solaren Wasserstofferzeugung, der künstlichen Photosynthese

Bei einem Gang durch das Zentrum für Mikro- und Nanotechnologien (ZMN), dem größten Technologischen Zentrum der TU Ilmenau für die grundlagenorientierte und angewandte Forschung u.a. in den Materialwissenschaften, informierte sich die Bundestagsabgeordnete bei Prof. Thomas Hannappel  insbesondere über den aktuellen Stand der Forschung für die effiziente, direkte solare Wasserstofferzeugung, auch 'Sunlight to X', 'photoelektrochemische Wasserstofferzeugung' oder 'photokatalytische Wasserspaltung' genannt – ein Bereich, der aktuell international intensiv erforscht wird. Prof. Hannappel:

Auf diesem Forschungsfeld sind wir gemeinsam mit verschiedensten Fachgebieten an der TU Ilmenau und herausragenden nationalen und internationalen Partnern an vorderster Forschungsfront.

Um Sonnenlicht in Wasserstoff umzuwandeln und den Brennstoff der Zukunft künftig möglichst günstig und mit wenig Aufwand herstellen können, imitieren die Wissenschaftler in den Laboren und Reinräumen des Zentrums mit Hilfe von Halbleitern, so genannten „künstlichen Blättern“, die Photosynthese. Wie genau das funktioniert, demonstrierte Prof. Hannappel anhand eines Versuchs: Hält man den dünnen Halbleiter in eine wässrige Lösung und bestrahlt die Zellen mit Licht, steigen Bläschen mit Wasserstoff und Sauerstoff auf. Mit dieser Technologie erreichten die Ilmenauer Wissenschaftler mit dem internationalen Forschungsteam bereits so genannte 'solar-to-hydrogen'-Effizienzen von über 19 Prozent und sind damit aktuell Weltrekordhalter. Das heißt aus 1000 Watt Sonnenenergie lassen sich mit Hilfe des künstlichen Blatts nahezu 200 Watt Energie in Form von Wasserstoff erzeugen. Prof. Hannappel: „Unser Ziel ist es, dieser Technologie weiter auf den Grund zu gehen. Es fehlt noch viel Verständnis für die hochkomplexen Bauelemente. Über Industriereife kann man vielleicht in zehn bis fünfzehn Jahren sprechen. Für diese Forschungs- und Entwicklungsrichtung sind wir hier an der TU Ilmenau jedenfalls hervorragend aufgestellt, sowohl experimentell als auch wissenschaftsstrategisch.“ Um weitere Herausforderungen wie die Tandemstrukturen sowie die Grenzflächen, insbesondere die Fest-flüssig-Grenzflächen der Halbleiter zu erforschen, plane die TU Ilmenau unter anderem die Einrichtung eines Sonderforschungsbereichs, in den die Wissenschaftler schon viel Kraft und Zeit hineingesteckt hätten.

Diskutiert wurden während des Besuchs am ZMN auch Technologien, die den zunehmenden Energie- und Ressourcenverbrauch, den die digitale Revolution und der immer weitreichendere Einsatz von Elektronik und künstlicher Intelligenz mit sich bringt, adressieren, so genannte Green Electronics. Sie bilden einen weiteren Schwerpunkt der Grundlagenforschung am ZMN.

Netzunabhängige, rein aus erneuerbaren Energien gespeiste Ladeinfrastruktur

Im Anschluss besichtigte die Bundestagsvizepräsidentin die Outdoor-Prüf- und Versuchsanlage (OPAL) für Forschung und Lehre an Photovoltaik-Komponenten und -systemen, einem Forschungsschwerpunkt der TU Ilmenau am Thüringer Energieforschungsinstitut (ThEFI). Der Verbund von 13 Fachgebieten der Universität vereint interdisziplinär die wissenschaftliche Kompetenz der TU Ilmenau in der Energie- und Umwelttechnik. Prof. Karl Worthmann, stellvertretender Direktor des Instituts, stellte unter anderem das Projekt Microgrid-Forschungs- und Experimentierplattform für zukünftige Netze – MIGRO vor. Prof. Worthmann:

Die Anzahl an Elektrofahrzeugen steigt stetig an. Ziel der Bundesregierung ist es, bis 2030 mindestens 15 Millionen vollelektrische Pkw auf Deutschlands Straßen zu bringen. Emissionen im Verkehr sollen dabei im Vergleich zu 1990 um mindestens 65 Prozent und bis 2040 um mindestens 88 % sinken. Größere Parkplätze wie die auf dem Campus der TU Ilmenau müssen daher künftig mit einer entsprechenden Ladeinfrastruktur ausgestattet werden..

Mit dem Forschungsvorhaben MIGRO startet die TU Ilmenau im Juli den ersten Feldtest für eine netzunabhängige, rein aus erneuerbaren Energien gespeiste Ladeinfrastruktur ohne Langzeit-Energiespeicher, so dass eine effektive, aber vergleichsweise kostengünstige Alternative entstünde.

Bei diesem wie auch bei vielen anderen Projekten der TU Ilmenau arbeiteten Fachgebiete verschiedener Fakultäten interdisziplinär zusammen, so Prof. Albrecht Gensior, Fachgebietsleiter Leistungselektronik und Steuerungen in der Elektroenergietechnik. Als Beispiel nannte er die Entwicklung eines ressourceneffizienten Energieverteilnetzes für Deutschland, das auf Gleichstrom basiert und auf die zunehmende dezentrale Erzeugung und Nutzung regenerativer Energie zugeschnitten ist. Bei dem von der Carl-Zeiss-Stiftung geförderten Projekt VERNEDCT arbeiteten insgesamt sechs Fachgebiete der TU Ilmenau fächerübergreifend zusammen. Dabei untersuche unter anderem das Fachgebiet Empirische Medienforschung und Politische Kommunikation die Akzeptanz der neuen Technologie in der Bevölkerung und in Unternehmen, sodass der Transformationspfad auch auf gesellschaftlicher Ebene bereits in der Entwicklungsphase mitgedacht werde. Katrin Göring-Eckardt:

Wir erleben, dass es bei der Energiewende nicht nur auf die technische Seite ankommt, sondern auch auf die Kommunikation darüber, was das für jeden Einzelnen bedeutet. Die TU Ilmenau denkt genau das von Anfang an mit, indem verschiedenste Fachbereiche zusammenarbeiten und auch die Kommunikation Teil dieses Netzwerks ist.