Studium

Online-Lehre an der TU Ilmenau: „Für die Zukunft sind wir sehr gut vorbereitet“

Die COVID-19 Pandemie hat die Art, wie wir arbeiten und lernen, grundlegend verändert. Eine der größten Herausforderungen an der TU Ilmenau war die Umstellung der Lehre auf Online-Formate. Wie hat sich die Online-Lehre auf die Lehrenden und Studierenden ausgewirkt? Um dies zu erfahren, hat Hanna Kulmus, Studentin der Angewandten Medien- und Kommunikationswissenschaft, Martin Backhaus, Mitarbeiter am Zentralinstitut für Bildung der TU Ilmenau und Ansprechperson der Universität für das eTeach-Netzwerk Thüringen, interviewt. Im Gespräch teilt er seine Erfahrungen, die Herausforderungen und Erfolge während der Online-Lehre in der Pandemie und wirft einen Blick in die Zukunft.

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Martin Backhaus ist Mitarbeiter am Zentralinstitut für Bildung der TU Ilmenau und Ansprechperson für das eTeach-Netzwerk Thüringen.

Herr Backhaus, wie haben Sie die Umstellung von der Präsenzlehre auf die Online-Lehre in der Pandemie erlebt?

Im Sommersemester 2020 ging es mit der Pandemie richtig los und alles musste komplett online stattfinden. Zu der Zeit haben ich und mein damaliger Chef, Prof. Günter Schäfer, uns dazu entschieden, die Vorlesungen und Seminare in Lehrvideos umzuwandeln. Diese haben wir in einem kleinen Studio im Zusebau produziert. Und weil Videos selbstverständlich keine vernünftige Lehre ersetzen, konzipierten wir passende Moodle-Kurse, welche wochenaktuell gepflegt wurden. Dort konnten die Studierenden den Lernstoff einsehen. Darüber hinaus fanden circa alle zwei Wochen online Konsultationen statt, in denen die Studierenden Fragen zu den Vorlesungen und Seminaren oder weitergehende Fragen stellen konnten.
 

Ab wann war Ihnen klar, dass die Pandemie eine größere Umstellung bedeuten würde?

Ich hatte immer eine drastische Sicht auf die Situation, das liegt möglicherweise daran, dass ich Informatiker bin und mit IT-Sicherheit zu tun habe – man denkt immer an den schlimmsten Fall. Als COVID-19 in China ausbrach und man sah, welche Auswirkungen es hatte, war für mich klar, dass es hier exakt dieselben Folgen haben würde. Es war nur die Frage wann. Im Wesentlichen war es für mich nicht überraschend, als dann der Lockdown kam.


Wie haben Sie sich auf die Umstellung von Präsenzlehre auf Online-Lehre während der Pandemie vorbereitet?

Während der ersten Wochen nach offiziellem Beginn der Pandemie hatten wir noch genug Zeit, die notwendige technische Ausstattung zu kaufen. Das beinhaltete einige Kameras, Grafik-Tablets, Studiolichter, einen dedizierten Rechner für das Studio und einiges mehr. Damals haben wir vom Bundesland Thüringen Corona-Hilfen in finanzieller Form bekommen, die auf die Fakultäten aufgeteilt wurden. Deshalb hatten wir in kurzer Zeit alles, was wir brauchten, um Online-Lehre zu betreiben. Neben den Beschaffungen haben wir uns mit verschiedenen Tools auseinandergesetzt, wie zum Beispiel „Open Broadcaster Software Studio“ (OBS-Studio), welches wir für die Produktion der Lehrvideos verwendeten. Wir waren der Meinung, dass Videos „On Demand“ auf längere Zeit nützlicher sind als Live-Veranstaltungen über WebEx, da die Studierenden sich diese auch in der Prüfungszeit ansehen konnten.


Wie haben sich die Themen, die Sie in Ihren Seminaren behandelt haben, im Vergleich zur Präsenzlehre verändert?

Die Themen haben sich grundsätzlich gar nicht verändert. Die universitäre Lehre kann ich inhaltsäquivalent auf verschiedene Art und Weise darbieten. Es ist mein Job, Informatiker:innen in den Grundlagen auszubilden, egal ob Pandemie oder nicht.


Gab es Unterschiede in der Teilnahme und dem Engagement der Studierenden in Online-Vorlesungen und -Seminaren im Vergleich zu Präsenzlehrveranstaltungen?

Größtenteils war die Teilnahme gleichbleibend. Mein Kollege war der Meinung, dass zum Beispiel die Abgabe von Hausaufgaben wie vor der Pandemie war. Das einzige, was mir persönlich fehlte, war: Wenn jemand in der Vorlesung oder dem Seminar eine schwerwiegende Frage hat, kommt man klassischerweise nach der Veranstaltung zum:r Dozent:in. Das hat ein wenig gefehlt.


Konnten Sie feststellen, ob sich das nach der Pandemie verändert hat?

Nach der Pandemie war wieder alles so wie vorher.

Welche Tools und Methoden haben Sie neben Moodle und WebEx verwendet, um die Lehre effektiver zu gestalten?

Neben diesen Zweien haben wir OBS-Studio bei der Produktion der Lehrvideos verwendet und ein Whiteboard Tool, OpenBoard. Alle bis auf WebEx sind Open Source Tools. Es war meinem Chef sehr wichtig, dass wir die Lehre weitestgehend auf Open Source Tools aufbauen.


Wie konnten Sie bei der Online-Lehre Menschen mit einer Behinderung unterstützen?

Insbesondere online ist es schwer zu erkennen, ob Menschen mit einer Behinderung in dem Kurs sind. Ich hätte gehofft, dass die Inhalte, die wir im Moodle-Kurs haben, weitestgehend barrierefrei sind. Ich gebe zu, dass ein Lehrvideo nicht barrierefrei ist, weshalb ich darauf angewiesen wäre, dass sich jemand, der vor Barrieren steht, separat bei uns meldet. Das ist sicherlich nicht der beste Weg, denn das sollte gar nicht sein müssen.

Die Lehre sollte barrierefrei sein und wir sollten nicht gesondert auf Bedürfnisse eingehen, die uns dann erst irgendwann kommuniziert werden.


Hatten das E-Learning und die hybride Lehre in Ihren Augen einen großen Einfluss auf den Unterricht?

Zeitweise mussten wir den 3G-Nachweis im Präsenzunterricht prüfen, das bringt natürlich zusätzlichen Aufwand mit sich. Außerdem waren die Räume bezüglich der Auslastung nicht mehr so groß. In Seminarräumen, in denen normalerweise circa 20 Personen passen, hatten plötzlich nur noch zehn Personen Platz. Im Zweifel hätte man Studierende nach Hause schicken müssen. Wenn das öfter passiert wäre, wäre ich auch so weit gegangen und hätte ein System eingeführt, wo jede:r Studierende wenigstens alle zwei Wochen mal im Seminarraum sitzt.


Jetzt wo wir gelernt haben mit diesen Tools umzugehen, werden diese weiter in der Lehre eingesetzt?

Ich befürchte, dass Tools wie OBS-Studio und OpenBoard vermutlich nicht mehr häufig verwendet werden. Was auf jeden Fall noch verwendet wird, sind die Lehrvideos, insbesondere in der Prüfungsvorbereitung. Moodle ist noch da, um die Videos und die Vorlesungs-/Seminarunterlagen zur Verfügung zu stellen, aber auch um Abgaben von zum Beispiel  Hausarbeiten, Belegen oder Hausaufgaben zu organisieren.


Welche neuen Tools würden Sie sich in Zukunft in der Lehre wünschen?  

Technologien, die in der Lehre nützlich sein könnten, sind Virtual Reality und Augmented Reality. Hier haben wir zunächst das Problem sie großflächig zur Verfügung zu stellen, könnten sie später aber beispielsweise in einem internationalen Studiengang einsetzen. Hochschulübergreifende Vereinheitlichungen von beispielsweise Videokonferenztools oder kollaborativen Online Whiteboards wären weitere Entwicklungen, von deen wir profitieren könnten.


Denken Sie, dass die Pandemie besonders für Studierende eine große Herausforderung war?

Die größte Herausforderung war tatsächlich auf der Seite der Studierenden. Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber ich fand die schönsten Momente in meinem Studium waren jene, die man nach der Vorlesung oder dem Seminar mit seinen Kommiliton:innen hatte. Das gab es in Pandemiezeiten nicht.


Was haben Sie aus der Erfahrung mit der Online-Lehre während der Pandemie gelernt?

Dass die Lehre auch in Extremsituationen funktioniert. Das ist für die Zukunft ein gutes Kredo, da wir wissen, wir kriegen das wieder hin, sollte es nochmal zu einer solchen Situation kommen. Ich denke, dass das, was wir zusammen in der Pandemie gelernt haben, im Sinne der Bedürfnisse von Studierenden und Mitarbeitenden, sehr wertvoll ist.

 

Zur Person

Martin Backhaus (M.Sc.) ist studierter Informatiker. Seit 2015 arbeitet er als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der TU Ilmenau am Fachgebiet Telematik/Rechnernetze und ist seit April 2022 am Zentralinstitut für Bildung. Er ist die Kontaktperson für das eTeach-Netzwerk an der TU Ilmenau. Das eTeach-Netzwerk ist ein Verbundprojekt von allen Thüringer Hochschulen zur kooperativen Weiterentwicklung der digital bereicherten Hochschullehre. In seiner Position entwickelt Martin Backhaus neue digitale Anwendungen und „Best Practices“ und unterstützt Dozent:innen dabei, diese didaktisch aufzubereiten und in ihre Lehre einzubinden.

Hintergrund der Interviews

Im Rahmen des Seminars „Berufsfeldorientierung Journalismus“ haben Studierende der TU Ilmenau Angehörige der Universität interviewt. Die Interviews befassen sich mit Themen, die die TU Ilmenau stark beschäftigen – darunter Nachhaltigkeit, E-Learning oder Internationalität. Im Gespräch mit den Studierenden der Angewandten Medien- und Kommunikationswissenschaft geben Dozierende, Forschende und Mitarbeitende auch ganz persönliche Einblicke preis und erzählen, was sie antreibt, wie sie berufliche und private Herausforderungen bewältigen und wie ihr Arbeitsalltag an der TU Ilmenau aussieht.