Serie

"Vielfalt verbindet": Brücken zwischen den Kulturen bauen − Semesterabschluss im Language Club

„Engineering for a Sustainable Future“ – mit diesem Ziel studieren und arbeiten Menschen aus knapp 100 Nationen an der TU Ilmenau zusammen. Fachliche, aber auch menschliche Begegnungen, erfolgreiche Kooperationen und ein friedvolles Miteinander zeichnen das Zusammenleben auf dem Campus der Universität aus. In unserer neuen Serie "Vielfalt verbindet" stellen wir Studierende und Mitarbeitende aus verschiedenen Kulturen vor, die in Ilmenau angekommen sind und sich auf verschiedenste Weisen an der Universität engagieren. Zum Auftakt haben wir einige von ihnen bei ihrem Semesterabschluss im Language Club getroffen.

Stefan Riehmer
Zum Semesterabschluss teilt Kamila Costa (2.v. rechts) ihre Freude am Singen und Musizieren mit den anderen Mitgliedern des Language Clubs.

Sprachliche und soziale Barrieren überwinden, voneinander lernen und spielerisch Deutsch lernen – dieses Ziel verfolgen 65 Sprachinteressierte aus Polen, Litauen, Afghanistan, der Ukraine, China, Indonesien, Kasachstan, Pakistan, Iran, Kenia, Brasilien, Marokko, Zimbabwe, Irak oder Indien. Im Language Club, einer Initiative von TU Ilmenau-Angehörigen, kommen sie jeden Mittwoch zum Deutsch üben zusammen. Im Internationalen Begegnungszentrum auf dem Campus haben sie nun gemeinsam den Semesterabschluss des Projekts gefeiert.

Initiiert wurde das Angebot von Universitätsangehörigen als Ergänzung zu den Sprachkursen: „Wir haben festgestellt, dass die Sprache das größte Hindernis für die Integration darstellt, und sowohl die Universität als auch die Stadt sollten sie als wichtiges Thema betrachten, das zu Harmonie und Frieden in unserer Stadt beitragen kann“, erklärt Dr. Sukhdeep Singh, Leiter der Forschungsgruppe Bioorganische Chemie bioaktiver Oberflächen und Initiator des Language Clubs, die Motivation: „Das hier ist aber kein Klassenzimmer und das Ganze kein Sprachkurs mit Anwesenheitspflicht, sondern eine lockere Diskussionsgruppe.“

„Den Menschen die Scheu vor dem Sprechen nehmen“

Hervorgegangen ist der Club aus der indischen Community. Inzwischen erstreckt er sich über alle Bereiche und Kulturen. Auch die Organisation ist mittlerweile auf mehrere Schultern verteilt: Neben Dr. Sukhdeep Singh leiten Dr. Jialan Cao-Riehmer, Leiterin der Forschungsgruppe Microfluid Biotechnique, Mira Rochyadi-Reetz, Doktorandin am Fachgebiet Empirische Medienforschung und Politische Kommunikation, und Fabian de Planque, Mitglied im ISWI e.V., die Diskussionsrunde mit – ehrenamtlich: „Weil sich so viele engagieren, müssen wir nicht alle jedes Mal da sein“, freut sich Dr. Singh: „Wenn ich zum Beispiel mal nicht kann, übernimmt jemand anders, der gerade Zeit hat.“ Sie alle berichten in der Gruppe auch von ihren eigenen Erfahrungen als Neuankömmlinge in Ilmenau vor vielen Jahren. Oft bringen sie ihre Familien mit zu den Treffen. Ihr Angebot haben sie bewusst Language Club und nicht Sprachkurs genannt, so Dr. Singh:

Es geht nicht so sehr darum, Grammatik zu vermitteln, sondern den Menschen die Scheu vor dem Sprechen zu nehmen und ihnen das Gefühl zu geben, nicht allein zu sein. Wenn sie hier als Studierende oder Mitarbeitende angekommen sind, sollen sie so schnell wie möglich raus in die Gesellschaft gehen können, sich sozial integrieren und selbständig werden.

Dafür steht jedes Mal ein anderes gesellschaftliches Thema auf der Agenda – von Mülltrennung über Behördengänge und Arbeitsrecht bis hin zur Wohnungssuche und dem Vereinsleben. Viele weitere Universitätsangehörige und Menschen aus Ilmenau unterstützen das Angebot mit Beiträgen. So luden im vergangenen Semester unter anderem der we4you Karriereservice, das Studentische Gesundheitsmanagement, der Gleichstellungsrat und Kursleitende des Universitätssportzentrums die Clubmitglieder zu sich ein, aber auch in die Universitätsbibliothek, zum Ilmkubator Gründerservice oder in die Freikirchliche Gemeinde. Dort kamen sie beim vorweihnachtlichen Musizieren mit Einheimischen zusammen. Gemeindemitglied und Arzt Dr. Stefan Mohr gab den Neuankömmlingen zudem eine Einführung in alles, was man über Arztbesuche in Deutschland wissen muss. Umgekehrt sang und tanzte die chinesische Community im Oktober bei "MiteinanderStärken", einer Veranstaltungsreihe des House of Resources Thüringen, des Kreisjugendring Ilm-Kreis e.V. und des Kuko e.V., unterstützt durch die Stadt Ilmenau, die sich für ein lebendiges, kosmopolitisches Ilmenau und gegen Gewalt und Diskriminierung stark macht. Denn auch die Vernetzung zwischen Menschen in der Stadt Ilmenau und den internationalen Studierenden ist ein Ziel des Language Clubs.

„Wir sind fast eine Familie“

Eine Teilnehmerin, die schon länger dabei ist, ist Kamila Costa, Promotionsstudentin am Fachgebiet Blitz- und Überspannungsschutz:

Der Language Club war für mich zuerst eine Gelegenheit, neue Leute kennenzulernen, die die gleiche Herausforderung wie ich haben: ein neues Leben in Ilmenau aufzubauen.

Dazu ermutigt wurde sie von Dr. Jialan Cao-Riehmer, die sich um die Finanzierung des Angebots durch das Ministerium für Migration, Justiz und Verbraucherschutz des Freistaats Thüringen über das Projekt „Connecting humans“ gekümmert hatte: „Ich habe Jialan bei einer Veranstaltung kennengelernt. Seitdem bin ich da, wenn möglich jede Woche.“

Mir geht es darum, mein Deutsch zu verbessern, aber nicht nur das. Hier geht es auch um Kultur: die deutsche Kultur, aber auch die Kulturen der anderen. Heute haben wir zum Beispiel Speisen aus vielen verschiedenen Ländern mitgebracht. Das gefällt mir sehr. Wir sind fast eine Familie.

Unterstützung bekommt Kamila aber auch von ihren Kollegen und Kolleginnen:

In meinem Fachgebiet sind alle sehr offen und immer da, um zu helfen. Vor allem, wenn sie merken, dass wir uns für die deutsche Kultur interessieren, beantworten sie uns alle Fragen: von Mülltrennung bis zur Krankenversicherung.

Zum Semesterabschluss teilte Kamila ihre Freude am Singen und Musizieren mit den anderen im Club. Dafür hatte Mira Rochyadi-Reetz Instrumente aus ihrer Heimat Indonesien mitgebracht: „Das Angklung ist ein traditionelles Instrument aus Bambus, das man nur zusammen mit anderen spielen kann“, so die Wissenschaftlerin. Gemeinsam übte sie mit den Clubmitgliedern eine einfache Melodie. Anfangs klang es noch etwas holprig, aber mit der Zeit immer harmonischer. Gesprochen und gesungen wurde dabei auf Deutsch:

Es gibt viele internationale Studierende an der TU Ilmenau, aber zu wenige Gelegenheiten für sie, Deutsch zu sprechen, und nicht genug Plätze in den Sprachkursen. Und auch diejenigen, die einen Platz haben, haben anfangs oft nur wenige Kontakte zu Deutschen.

Was das bedeutet, weiß Mira Rochyadi-Reetz aus eigener Erfahrung als Neuankömmling in Ilmenau. Auch wenn sie selbst inzwischen mit einem Deutschen verheiratet ist, ist es ihr nach wie vor eine besondere Herzensangelegenheit, anderen den Einstieg in Ilmenau zu erleichtern und Brücken zwischen den Kulturen zu bauen. Ihr Motto dabei: „Nicht meckern, sondern machen.“

„Ich möchte auch im Studium mitdiskutieren können“

Geholfen hat sie damit auch Yifei Zhu, Masterstudent im ersten Semester Maschinenbau. Auch er hat sich dem Language Club angeschlossen, um sein Deutsch zu verbessern: „Ich habe viele deutsche Freunde. Sie sind sehr freundlich, aber manchmal verstehe ich sie nicht. Außerdem möchte ich auch im Studium mitdiskutieren können.“

Aufmerksam geworden auf den Kurs ist er durch Dr. Jialan Cao-Riehmer:

Obwohl ich nicht jedes Mal kommen kann, macht es mir viel Spaß, denn ich lerne im Kurs auch neue Freunde aus anderen Kulturen kennen und gemeinsam machen wir viele Aktivitäten.

Zum Semesterabschluss erklangen im Begegnungszentrum nicht nur indonesische Instrumente, sondern auch ein afghanisches Harmonium, und beim gemeinsamen Pizzaessen galt es, per Pantomime deutsche Begriffe darzustellen und zu erraten. Yifei Zhu und seine Freunde wollen auf jeden Fall im nächsten Semester wieder dabei sein:

Auch wenn mein Unitag lang ist, weil ich schon morgens um 7 Uhr meine erste Vorlesung habe, komme ich abends gerne hierher, um gemeinsam mit den anderen Spaß zu haben.

Auch das Organisationsteam ist sich einig, so Dr. Cao-Riehmer:

Auch ohne weitere Förderung wollen wir den Language Club weiterführen. Denn die Begeisterung junger Menschen aus verschiedenen Kulturen bereichert auch uns enorm.

Auch im neuen Semester trifft sich der Language Club ab dem 8. April immer mittwochs von 17 bis 19 Uhr im Interclub (Haus L 6c Keller). Interessierte können einfach vorbeikommen. Weitere Unterstützung von Personen mit Deutsch als Muttersprache ist herzlich willkommen.

Kontakt

Language Club