Studium

„Die Thermodynamik ist sehr gut geeignet, um nachhaltige Gedanken zu vermitteln“

Welchen Beitrag kann die Technische Thermodynamik zur technischen Bildung für eine nachhaltige Entwicklung leisten? Wie lässt sich der Begriff der Nachhaltigkeit anhand der Hauptsätze der Thermodynamik erklären? Und wie kann die Untersuchung von Konvektionsströmungen und natürlichen Wärmetransportprozessen am gleichnamigen Fachgebiet dazu beitragen, die Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen zu erreichen? Diese Fragen diskutierte Prof. Christian Karcher vom Fachgebiet Technische Thermodynamik im Wissenschaftsforum der TU Ilmenau.

Zwei Männer arbeiten an einer Maschine TU Ilmenau/ari
Im DFG-geförderten Versuchsstand „SCALEX-Anlage“ werden am Institut für Thermo- und Fluiddynamik der Wärme- und Stofftransport in Konvektionsströmungen wissenschaftlich untersucht.

Mit der Agenda 2030 hat sich die Weltgemeinschaft 17 ambitionierte Ziele – die Sustainable Development Goals (SDGs) – für eine nachhaltige Entwicklung gesetzt. Nachhaltigkeitsziel 7 ist es, allen Menschen Zugang zu bezahlbarer und verlässlicher Energie zu ermöglichen. Hierfür soll u.a. der Anteil erneuerbarer Energie am globalen Energiemix deutlich erhöht und die internationale Zusammenarbeit verstärkt werden, um den Zugang zu Forschung im Bereich erneuerbare Energie und Energieeffizienz zu erleichtern und Investitionen in saubere Energie zu fördern. „Im Zuge umweltproblematischer Aspekte bei der Bereitstellung von Energie und stark steigender Verbraucherpreise für Energie durch knappe Ressourcen ist nachhaltiges Handeln speziell auf dem Energiesektor heute wichtiger denn je“, so Prof. Karcher:

Speziell Ingenieurinnen und Ingenieure sind daher aufgefordert, technische und energetische Prozesse so zu gestalten, dass sie ökologisch und ökonomisch möglichst effizient und nachhaltig sind. Die Technische Thermodynamik stellt quasi einen Leitfaden dafür bereit und ist sehr gut geeignet, um nachhaltige Gedanken zu vermitteln.

Die Thermodynamik wird auch als allgemeine Energielehre bezeichnet und gilt in vielen Ingenieurstudiengängen als Grundlagenfach, das den Studierenden die vielfältigen Möglichkeiten der Umwandlung verschiedener Energieformen aufzeigen soll. Auch an der TU Ilmenau wird die Technische Thermodynamik in den Bachelor-Studiengängen Maschinenbau und Fahrzeugtechnik sowie in den Master-Studiengängen Maschinenbau mit Schwerpunkt Thermofluiddynamik und Regenerative Energietechnik gelehrt. Dabei werden die Studierenden anhand der Hauptsätze der Thermodynamik darüber unterrichtet, wie verschiedene Energieformen in technischen Prozessen umgewandelt werden und welche unumgänglichen Einschränkungen es dabei gibt.  

Aussagen zur Nachhaltigkeit technischer Prozesse und ihrer vielfältigen Anwendungen

Als Beispiele für solche Prozesse nannte Prof. Karcher in seinem Vortrag die chemische Umwandlung bei einer Hausheizung mit Erdgas sowie mechanische Umwandlungsprozesse, wie sie beispielsweise in Laufwasser-, Pumpspeicher- und Hubspeicherkraftwerken technisch umgesetzt werden:

So lernen die Studierenden, die energetische Effizienz technischer Prozesse, aber auch die ökologischen und ökonomischen Aspekte dabei zu beurteilen und Aussagen zur Nachhaltigkeit dieser Prozesse und ihrer vielfältigen Anwendung zu treffen, was wiederum die Grundlage für einen verantwortungsvollen Umgang mit der Ressource Energie ist.

Ressourcenverschwendung im Sinne der Thermodynamik sei es beispielsweise, wenn heiße Rauchgase, wie sie bei technischen Verbrennungsprozessen entstehen, nach ihrer Nutzung als Transport- und Übertragungsmedium von Prozesswärme bequemerweise einfach in die Atmosphäre entsorgt werden: „Durch die irreversible Durchmischung, die dabei stattfindet, bleibt die noch reichlich vorhandene thermochemische Restexergie vollkommen ungenutzt.“ Fundiertes Fachwissen in der Technischen Thermodynamik sei daher von zentraler Bedeutung für die Umsetzung nachhaltiger Ansätze in der Anwendung:

Alle künftigen technischen Lösungsvorschläge im Rahmen der viel zitierten Energiewende kommen an einem grundlegenden Verständnis der thermodynamischen Zusammenhänge nicht vorbei.

Theorie mit Laborpraxis und Exkursionen erfahrbar machen

Im Ingenieursstudium sollen die Studierenden jedoch nicht nur die Theorie lernen, sondern die nachhaltigen Botschaften der Thermodynamik auch in die ingenieurtechnische Anwendung tragen können. Das Plädoyer von Prof. Karcher lautet:

Ein umfassendes Verständnis für thermodynamische Zusammenhänge kann nur dadurch erworben werden, dass im Studium auch Erfahrungsgewinn durch Laborpraxis und Exkursionen verwurzelt sind, wie das an der TU Ilmenau bereits auf freiwilliger Basis der Fall ist. Verpflichtende Laborversuche und technische Exkursionen wären sinnvolle Instrumente, um die vorwiegend theoretisch geprägte und auf Gedankenexperimenten beruhende universitäre Ingenieurausbildung in der Technischen Thermodynamik anwendungsnäher und für die Studierenden noch attraktiver zu gestalten.

Zum Abschluss seines Vortrags stellte Prof. Karcher am Beispiel eines von der Deutschen Forschungsgemeinschaft DFG geförderten Forschungsprojekts dar, wie die Untersuchung von Konvektionsströmungen und natürlichen Wärmetransportprozessen zur nachhaltigen Energiespeicherung beitragen kann. Ziel des Projekts ist es, experimentelle und numerische Grundlagenuntersuchungen zum Strömungs- und Wärmetransportverhalten in der so genannten Rayleigh-Bénard-Konvektion (RBK) durchzuführen, die durch die kombinierten Effekte von Wärmestrahlung und magnetischen Feldern beeinflusst wird. Die Ergebnisse des Projekts, bei dem die Dalian University of Technology, das DLR-Institut für Technische Thermodynamik und das Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf als Projektpartner eingebunden sind, sollen zum besseren Verständnis von thermischen Energiesystemen beitragen, die bei hohen Temperaturen und mit elektrisch leitfähigen Fluiden arbeiten. In Hinblick auf relevante ingenieurtechnische Anwendungen sollen die gefundenen Zusammenhänge unter anderem dazu dienen, kritische fluidmechanische und thermische Zustände in Hochtemperatur-Energiespeichern und Flüssigmetall-Batterien zu vermeiden.

Mehr zum Thema können Studieninteressierte bei den Thementagen #WissenschaftErklärt erfahren. Am 8. Februar 2023 um 15 Uhr illustriert Prof. Christian Karcher in seinem Online-Vortrag „Von der Dampfmaschine zur nachhaltigen Energiebereitstellung“ anhand praktischer Beispiele, wie der Stand der Technik bei der Energiebereitstellung ist und an welchen spannenden Fragestellungen am Fachgebiet Technische Thermodynamik der TU Ilmenau aktuell geforscht wird.

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