Batterie der Zukunft?

Die Spintronik als ein junges Teilgebiet der Nanoelektronik macht sich den Eigendrehimpuls der Elektronen – ihren Elektronenspin (kurz Spin) – für eine Vielzahl von neuartigen Phänomenen zu Nutze. Wir alle machen von den Ergebnissen dieses Teilgebiets der physikalischen Grundlagenforschung bereits unbewusst mit den in unseren Laptops und Handys installierten Speichern der neuesten Generation regen Gebrauch. Die heutige Datendichte wäre unmöglich ohne den von Peter Grünberg entdeckten (und 2007 mit dem Physik-Nobelpreis gewürdigten) Riesenmagnetowiderstand – einem Phänomen, das auf einer kollektiven Dynamik der Spins beruht.

Prinzipskizze der Spin-Hydrodynamischen Kopplung. Der Gradient der Wirbelstärke in radialer Richtung erzeugt einen Spin-Strom in derselben Richtung, wodurch über den inversen Spin-Hall-Effekt eine Spin-Spannung in Strömungsrichtung induziert wird.

In ihrer zur Publikation bei Physical Review Applied angenommenen Arbeit untersuchten Forscher um Prof. Christian Cierpka und Prof. Jörg Schumacher vom Institut für Thermo- und Fluiddynamik der TU Ilmenau einen anderen spintronischen Effekt in einer Serie von mikrofluidischen Experimenten. In diesen konnten sie erstmals vorangegangene Untersuchungen einer japanischen Forschergruppe aus Sendai verifizieren und erweitern. Im Detail handelt es sich um die Erzeugung einer elektrischen Spannung, die mittels der kollektiven Kopplung der Spins an Strömungswirbel erzeugt wird.  Das geschieht ohne das klassische Generatorprinzip, d.h. ohne die Existenz äußerer zeitlich veränderter Magnetfelder.  Dabei galt es mehrere Herausforderungen experimentell zu meistern. Die Rohrströmung wurde in einem Flüssigmetall erzeugt, in dem Elektronen, wie in Kupfer oder Aluminium, ein „Gas“ aus frei beweglichen Ladungen bilden. Das Rohr ist eigentlich eine Kapillare aus Spezialglas mit weniger als einem Millimeter Durchmesser durch die das Flüssigmetall mit mehreren Atmosphären Druck gepresst wurde, so dass laminare und turbulente Rohrströmungen auf der Mikroskala entstanden. Die gemessenen Spannungen erreichten Werte von mehreren hundert Nanovolt, sind also noch winzig klein. Die Experimente wurden im Rahmen des Programms „Experiment! – Auf der Suche nach gewagten Forschungsideen“ von der VolkswagenStiftung mit 120,000 Euro gefördert.

Schematische Darstellung des Experimentes zur Messung der Spin-Spannung an einer mit Flüssigmetall durchströmten Glaskapillare.

Schon denken die Forscher vom Institut für Thermo- und Fluiddynamik über die nächsten Schritte nach. Wie kann man die winzige Spannung durch Geometrieeffekte oder nanostrukturierte Oberflächen erhöhen?  Gibt es optimale Strömungswirbelkonfigurationen, die die kollektive Dynamik der Elektronenspins verstärken? Was passiert bei Parallelschaltung solcher Systeme? Diese Fragen zeigen bereits, dass noch ein langer Weg zurückzulegen ist, bis wir in ferner Zukunft unsere Lithiumbatterien durch „spintronische Knopfzellen“ austauschen können. Die Forscher um Prof. Cierpka und Prof. Schumacher sind jedoch zuversichtlich, dass auf dem Weg dorthin, eine Vielzahl weiterer interessanter Effekte an dieser spannenden Schnittstelle zwischen klassischer und Quantenphysik zu Tage gefördert werden können. 

Ansprechpartner:
Technische Universität Ilmenau
Institut für Thermo- und Fluiddynamik
Prof. Dr.-Ing. Christian Cierpka und Prof. Dr. Jörg Schumacher
D-98693 Ilmenau

Original Publikation (Open Access):
Hamid Tabaei Kazerooni, Alexander Thieme, Jörg Schumacher, and Christian Cierpka: Electron Spin-Vorticity Coupling in Pipe Flows at Low and High Reynolds Number. Physical Review Applied 14.1 (2020): 014002.
DOI: https://doi.org/10.1103/PhysRevApplied.14.014002