Mit der Weiterentwicklung der Mobilfunknetze hin zur neuesten Mobilfunkgeneration 5G wird zum Erreichen von zellweit hohen Datenübertragungsraten mit einem vermehrten Einsatz von sogenannten Massive-MIMO-Antennen gerechnet. Mit Hilfe dieser strahlformenden und strahlschwenkenden Antennen ist es prinzipiell möglich gezielt einen oder mehrere Antennen­keulen (Beams) auf mögliche Nutzer bzw. Endgeräte auszurichten. Damit werden nutzerspe­zifische Signale von Seiten der Basisstation nicht mehr zellweit, sondern lokal in Form von Beams abgestrahlt, was zum einen dazu führt, dass dieselben Frequenz- und Zeitressourcen nochmals in derselben Zelle, aber in einem anderen Beam wiederverwendet werden können, und zum anderen, dass es aufgrund der lokal beschränkten Abstrahlung zu einem günstigeren Signal-zu-Rausch-Abstand innerhalb des Beams und zu geringeren Interferenzen außerhalb des Beams kommt. Dies führt aber auch dazu, dass die lokale elektromagnetische Immission in einer Zelle stark davon abhängen kann, wo sich aktive Nutzer befinden.

Die Möglichkeit der Strahlformung und Strahlschwenkung der Antennenabstrahlcharakteristik bringt aus Sicht des prospektiven elektromagnetischen Strahlenschutzes Herausforderungen bei der messtechnischen Immissions- und Expositionsbestimmung mit sich, die es bei den bisher verwendeten Basisstationsantennen noch nicht gab. So lässt sich nicht mehr von einer statischen Abstrahlcharakteristik der Antennen ausgehen, vielmehr hängt das zeitabhängige Antennendiagramm von der Zellauslastung und ihrer raumwinkelabhängigen Verteilung ab. Außerdem ist aufgrund des mit der Strahlformung verbundenen höheren Antennengewinns mit einer gegenüber herkömmlichen Mobilfunktechniken erhöhten maximalen elektromagneti­schen Immission für Personen im Umfeld der Basisstation zu rechnen.

Vor diesem Hintergrund hat das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) eine Studie an die RWTH Aachen, die EM-Institut GmbH und die TU Ilmenau, Fachgebiet Hochfrequenz- und Mikrowel­lentechnik vergeben, die sich mit Messmethoden zur elektromagnetischen Immissionserfas­sung an 5G Massive-MIMO-Basisstationen und mit der Immissionserfassung an zehn Basis­stationen mit je zehn Messpunkten befasst. Diese Studie ist mittlerweile beendet und im Fol­genden sollen die wichtigsten Ergebnisse vorgestellt werden.

Hinsichtlich der zu messenden Immission ist zwischen der zum Zeitpunkt der Messung vorlie­genden Momentanimmission und der maximal möglichen Immission zu unterscheiden; letztere ergibt sich bei maximaler betrieblicher Auslastung der Sendeanlage und ist für eine Strahlen­schutz-regulatorische Genehmigung der Anlage in Deutschland maßgeblich.

Eine besondere Herausforderung ist die Bestimmung der maximalen Immission, da sich diese nur dann ergibt, wenn die Basisstation einen Beam mit maximalem Antennengewinn und ma­ximaler Sendeleistung zum Messpunkt ausrichtet. In der Regel kann aber nicht davon ausge­gangen werden, dass dies während des Messzeitraums erfolgt, weswegen es zielführender sein kann, permanent abgestrahlte Signalisierungssignale, die z.B. zum Einbuchen von Mo­biltelefonen in die 5G-Zelle verwendet werden, frequenzselektiv oder codeselektiv zu messen und auf Basis dieser auf die maximal mögliche Immission zu extrapolieren. Hierbei muss al­lerdings beachtet werden, dass die Signalisierungssignale (Broadcast Beam) bei 5G Massive-MIMO-Basisstationen mit einem anderen Antennendiagramm abgestrahlt werden als die Da­tensignale (Traffic Beam), die bei 5G den Hauptteil der Immission ausmachen. Deswegen muss in die Hochrechnung auch ein Korrekturfaktor zur Berücksichtigung des Antennenge­winnunterschiedes zwischen den Richtdiagrammen von Traffic Beam und Broadcast Beam einfließen, der auf der Basis der Antennendiagrammdaten der Antennenhersteller bestimmt werden muss.

In vorliegendem Projekt wurde eine andere Methode zur Bestimmung der maximalen Immis­sion eingesetzt: Mit einem 5G-Endgerät wurde von der zu vermessenden 5G-Basistation ein Trafic Beam „zum Messpunkt gezogen“. Dies wurde dadurch erreicht, dass auf dem verwen­deten Mobiltelefon eine Applikation zur Messung der Übertragungsgeschwindigkeit (Speed App Netflix FAST) lief, die maximale Ressourcen von der Basisstation abforderte. Da zum Zeitpunkt der Messungen die untersuchten 5G-Basisstationen nur sehr schwach ausgelastet waren, konnte so erreicht werden, dass innerhalb der Messbandbreite des zum Messen ver­wendeten handbetriebenen Spektrumanalysators [1] die Ressourcenbelegung der 5G-Basis­station tatsächlich maximal war.

 
Abbildung 1: Messung von Immissionen durch 5G Mobilfunkbasisstationen mit einem tragbaren Spektrumanalysator [1], Bildquelle: Lisa-Marie Schilling

Die Messungen wurden an zehn 5G Massive-MIMO-Basisstationen durchgeführt, die im Fre­quenzbereich 3,4…3,7 GHz arbeiten. Die Messungen fanden in den Bundesländern Bayern, Nordrhein-Westfalen und Hessen statt, wobei Anlagen der Netzbetreiber Deutsche Telekom, Vodafone und Telefónica mit Systemtechnik der Hersteller Huawei, Ericsson und Nokia unter­sucht wurden. An jeder der zehn Basisstationen wurden die Immissionen an zehn Messpunk­ten aufgenommen, die sich im Horizontalabstand von 5 m bis 1.100 m (Median 170 m) zur untersuchten Anlage befanden. Die Messpunkte wurden dabei so ausgewählt, dass auf mög­lichst unterschiedliche Azimutwinkel zur Basisstation sowie auf ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Messpunkten mit Sicht und solchen ohne Sicht auf die Basisstationsantenne geach­tet wurde. Die Messpunkte wurden dabei nicht zufällig ausgewählt, sondern nach Sichtung vor Ort bewusst festgelegt, um eine möglichst große Vielfalt an unterschiedlichen Messpunkten zu gewährleisten.

Die maximal möglichen Immissionsbeiträge erreichten 0,2 % bis 28,9 % der für dieses Fre­quenzband in der 26. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes festgelegten Feldstärkegrenzwerte (61 V/m); dies entspricht elektrischen Feldstärken zwi­schen 0,15 V/m und 17,6 V/m. Der Median betrug 4,7 % bzw. 2,9 V/m. Abbildung 2 zeigt die Häufigkeitsverteilung der Messwerte bezüglich der Ausschöpfung der Grenzwerte. Zusätzlich zur in der aktuellen Studie gemessenen 5G-Immission ist in Abbildung 2 auch ein Verteilungs­diagramm einer ähnlichen Studie aus dem Jahr 2013 enthalten, bei der maximale Immissionen an LTE-800 und LTE-1800-Basisstationen an mit einer ähnlichen Systematik ausgewählten Messpunkten gemessen wurden [3]. Die damals ermittelten Immissionen für LTE lagen zwi­schen 0,02 und 7,3 % mit einem Median von 1,1 % der Feldstärkegrenzwerte. Aus Abbildung 2 wird ersichtlich, dass die Immissionen durch 5G Massive-MIMO im Mittel (Median) um den Feldstärkefaktor 4,3 höher sind als bei der LTE-Studie aus 2013. Dies konnte auf die gegen­über LTE deutlich vergrößerte Signalbandbreite (bis zu 88,2 MHz bei 5G im Vergleich zu ty­pisch 9 oder 18 MHz bei LTE) sowie auf den höheren maximalen Antennengewinn zurückge­führt werden. Trotzdem werden die Grenzwerte auch nach Einführung von 5G nur zu einem geringen Prozentsatz ausgeschöpft.

 
Abbildung 2: Verteilungsdiagramm der prozentualen Ausschöpfung der deutschen Feldstärkegrenzwerte durch 5G Massive-MIMO-Basisstationen (rot) der aktuellen Studie [2] im Vergleich zu LTE-Basisstationen (blau) aus einer Studie aus 2013 [3]. Neben den Balken ist die Anzahl der Messpunkte benannt, die in die jeweilige Grenzwertausschöpfungsklasse fallen.

Neben den maximalen Immissionen wurden auch die Momentanimmissionen ohne provozier­ten Datenverkehr durch ein Mobiltelefon am Messpunkt sowie während des Streamens eines Fernsehkanals auf das Mobiltelefon über die 5G-Basisstation gemessen. Diese waren zum Zeitpunkt der Messung mit Medianwerten von 0,09 % ohne provozierten Datenverkehr und 0,2 % während des Streamens deutlich niedriger als die maximalen Immissionen mit 4,7 %. Dies zeigt einerseits, dass der 5G-Standard so entwickelt wurde, dass der Anteil der perma­nent abgestrahlten Signalisierung in Relation zu den maximal möglichen Ressourcen mit leis­tungsbezogen weniger als 0,1 % im obigen Beispiel deutlich geringer als bei den Vorgänger­technologien ist (bei einer vierkanaligen GSM-Anlage beträgt der leistungsbezogene Anteil der permanenten Signalisierungssignale 25 %). Andererseits wird deutlich, dass ein einfacher TV-Stream durch ein einzelnes Mobiltelefon nicht in der Lage ist, die Kapazität einer 5G Massive-MIMO-Anlage nennenswert auszulasten.

Die detaillierten Studienergebnisse finden sich unter [2].

Die Thematik zu Emissionen, Immissionen und Expositionen in Zusammenhang mit der ge­genwärtigen 5G- und der zukünftigen 6G-Mobilfunktechnik stellt einen Forschungsschwer­punkt des Fachgebietes Hochfrequenz- und Mikrowellentechnik im Rahmen der Kernkompe­tenz „Funk- und Informationstechnik“ des Thüringer Innovationszentrums Mobilität (ThIMo) dar. Dr. Bornkessel hält zu diesen Aspekten im Sommersemester die Vorlesung „Wirkungen elektromagnetischer Felder auf den Menschen“.

Das Forschungsprojekt „Berücksichtigung aktueller Mobilfunkantennentechnik bei der HF-EMF-Expositionsbestimmung“ wurde unter der Vorhabennummer 3619S82463 mit Mitteln des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV) gefördert und im Auftrag des Bundesamtes für Strahlenschutz (BfS) durchgeführt. Die Projektpartner danken dem BMUV und dem BfS für die finanzielle Unterstützung und die Be­treuung dieses Forschungsthemas.

[1] Narda Safety Test Solutions, “SRM-3006 Frequenzselektive Messung hochfrequenter elektromag­netischer Felder,”
www.narda-sts.com/de/produkte/selektiv-emf/srm-3006-field-strength-analyzer/, letzter Zugriff 11. Februar, 2023.

[2] T. Kopacz, Chr. Bornkessel, und M. Wuschek, "Berücksichtigung aktueller Mobilfunkantennentech­nik bei der HF-EMF-Expositionsbestimmung," Studie im Auftrag des Bundesamtes für Strahlenschutz (BfS), 2022, nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0221-2022112435660.

[3] Chr. Bornkessel, M. Schubert, und M. Wuschek, "Bestimmung der Exposition der allgemeinen Be­völkerung durch neue Mobilfunktechniken," Studie im Auftrag des Bundesamtes für Strahlenschutz (BfS), 2013, nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0221-2013041610546.

 

Kontakt

Dr. Christian Bornkessel
Technische Universität Ilmenau
Fakultät für Elektrotechnik und Informationstechnik
FG Hochfrequenz- und Mikrowellentechnik

christian.bornkessel@tu-ilmenau.de