Präzisionsmessungen von kleinen Massen, Kräften und Hochenergie-Laserleistungen durch Impulsübertragung der Photonen

Gemeinsame Forschung der TU Ilmenau und der PTB Braunschweig zur optischen Leistungsmessung über Strahlungsdruck

Das vom Forscherteam der TU Ilmenau entwickelte und gebaute, neuartige Kraftmesssystem ermöglicht die direkte Rückführung der Laserleistungsmessung auf die Planckkonstante des SI-Einheitensystems sowie die Präzisionserzeugung sehr kleiner Kräfte über die Photonenimpulsmessung.

Die PTB hat in Zusammenarbeit mit der Technischen Universität Ilmenau die Tauglichkeit und Genauigkeit des auf Photonenimpulsen basierenden optischen Kraftmessverfahrens überprüft. Die Ergebnisse der optischen Leistungsmessung über den Photonenrückstoß wurden mit jenen über einen kalibrierten Referenzdetektor verglichen.

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Die TU Ilmenau und die Physikalisch-Technischen Bundesanstalt arbeiten an einem gemeinsamen Forschungsvorhaben der Photon Momentum Messtechnik. Daraus ergeben sich zwei völlig unterschiedliche Anwendungsfälle aus verschiedenen Bereichen der Physik und Ingenieurwissenschaften.

Zum einen kann die Genauigkeit der optischen Leistungsmessung von Hochleistungslasersystemen verbessert werden, die typischerweise in verschiedenen Bereichen bei 100 W bis zu mehreren 10 kW eingesetzt werden. Hierfür ist eine neue Klasse von optischen Hochleistungsdetektorsystemen bereits in der Planung und Entwicklung. Die Einfachheit des Konzepts hat bereits das Interesse vieler Weltklasse-Forscher und -Institutionen geweckt (PTB, NIST etc.), weil die zu erwartenden Ergebnisse der optischen Leistungsmessung zum Beispiel für 1 kW Laserleistung mehr als 100 mal besser als bei den aktuell verwendeten konventionellen Messmethoden sind, bei denen die Verbesserungen schon seit mehreren Jahrzehnten stagnieren.

Zum anderen können mit der neuartigen Methode sehr kleine Kalibrierkräfte für Piko- und Nanokraftmessungen (pN, nN) oder die Messung sehr kleiner Massen generiert werden. Die optische Leistung der Laser ist proportional zum Kraftwert und kann mit konventionellen thermischen Referenzdetektoren sehr genau gemessen werden.

Das Konzept besteht darin, dass der Strahlungsdruck eines Laserfeldes als Effekt der Impulsübertragung der absorbierten und wieder emittierten Photonen (Photonenimpulse) von ultrahochreflektierenden Spiegeln genutzt wird, um sehr kleine Kalibrierkräfte zu erzeugen oder die optische Leistung von Lasern mit großer Genauigkeit und Präzision zu kalibrieren. Die Kalibrierung kann direkt auf die Planck-Konstante zurückgeführt werden. Die Planck-Konstante gehört zu den Naturkonstanten, die zur Definition der Basiseinheiten des Internationalen Einheitensystems verwendet werden. Die Planck-Konstante (auch Plancksches Wirkungsquantum) beschreibt die kleinstmögliche Energiemenge, die seit der Quantenrevolution in der Physik im letzten Jahrhundert theoretisch bekannt ist.

Die sich im Betrieb befindenden Messsysteme werden mit weiteren State-of-the-Art Messsystemen für quantenelektrische Messgrößen, die es nur in sehr wenigen Hightech-Messlaboren auf der Welt gibt, kombiniert. In diesem neu eingeführten Zeitalter der Quantenmetrologie sind die Messungen quantenelektrischer Größen innerhalb des neu definierten Internationalen Einheitensystems richtungsweisend für viele High-Tech-Entwicklungen.

Fig. 1: 2-D-Geometrie der Laserstrahlreflexionen.

Bei den früher erschienenen Beiträgen zu diesem Thema waren die Möglichkeiten in erheblichem Maße begrenzt, weil nur eine Reflexion verwendet wurde. Wenn man die Reflexion eines Laserstrahls mit geringer Leistung (unter 1 mW) verwendet, benötigt man eine unvorstellbar hohe Auflösung für die Kraftmessung, um diese Technologie in der Praxis umzusetzen. Wenn man jedoch einen Hochleistungslaser mit mehreren kW verwendet, müsste die entsprechende Oberfläche äußerst robust sein, um diese Menge an extremen Lichtenergien auszuhalten. Es gab auch bekannte optomechanische Resonatorsysteme, die denselben Effekt nutzten, allerdings nur bei sehr niedrigen optischen Leistungspegeln und ohne Berücksichtigung der absoluten optischen Leistungsverluste. Prominente Beispiele unter vielen anderen sind die optischen Resonatoren und Mikrokavitäten, die häufig in Frequenzkämmen zur Erzeugung eines Referenz-Frequenzbereichs (reference frequency domain) verwendet werden. Ein anderes Beispiel ist das LIGO-Projekt für die direkte Messung von Gravitationswellen kosmischen Ursprungs. Gravitationswellenobservatorien kalibrieren derzeit die Verschiebung von gespiegelten Testmassen an den Enden der Interferometerarme mit Hilfe des Photonenimpulses (bei einer einzigen Laserlichtreflexion). In diesen Interferometern ist die absolute Auslenkung der Spiegeltestmassen proportional zur absoluten Leistung (1 W) der optischen Krafterzeugung. Folglich ist die Unsicherheit der Interferometerverschiebung direkt proportional zur Unsicherheit der von der gespiegelten Testmasse reflektierten Leistung. Die typische Unsicherheit der Laserleistungsmessung ist auch hier begrenzt und liegt zwischen 0,15 % und 0,86 %. Aber für den vollständigen Betrieb des LIGO diente als Lichtquelle ein Infrarotlaser mit einer Leistung von 20 Watt, so dass sich im Arm eine Leistung von 100 kW ergab.

Fig. 2: Aufbau zur Messung der optischen Leistung über durch Photonenmomente erzeugte Kräfte.

In unserem Projekt wird die Multi-Reflexions-Konfiguration des Laserstrahls innerhalb einer makroskopischen optischen Kavität eingesetzt, die aus Spiegeln mit nahezu idealem Reflexionsvermögen besteht. So werden z.B. bei 20 Reflexionen des Laserstrahls mit nur 1 W Laserleistung Kräfte von mehreren hundert nN erzeugt. Die bei einer einzigen Laserlichtreflexion erzeugten Kräfte liegen dagegen in der Größenordnung von nur einigen nN. Die neue Konfiguration bietet eine bessere Kontrolle über die Mess- und Kalibrierungsprozesse, eine deterministische Diskretisierung der Messgrößen, wo die Grenzen sich der quantenmechanischen Domäne der Physik nähern.

Fig. 3: (oben) Kraftsignale von beiden Waagen, die Reflektivität des Hohlraumspiegels beträgt 99,995 %. (Mitte) Gemessene Differenzkraftsignal von zwei verschiedenen Kavitäten, Reflexionsgrad von 99,5 % - rot gestrichelte Linie und 99,995 % schwarz Kreis und blau Kreuz. (unten) Messungen der optischen Leistungsübertragung von Hohlräumen mit einem Integrating-sphere Thermopile-Si-Fotodiodendetektor während der Photonenimpulsmessungen. Nominale Eingangsleistungen: 8,57 W - blau Kreuz, 8,77 W - schwarz Kreis, und 8,69 W - rot Punkt.
Fig. 4: Der Aufbau wurde an der TU Ilmenau entwickelt, gebaut und getestet. Weitere messtechnische Testuntersuchungen wurden in der PTB durchgeführt. Fotos (links) des Kraftmessaufbaus auf einem schwingungsisolierten Tisch in einem temperaturstabilisierten Reinraum für die Laserradiometrie in der PTB, Braunschweig, und (mitte, rechts) Foto des optischen Resonators mit ultrahochreflektierenden 2''-Spiegeln (>99,995%), die justierbar an den EMFC-Waagen aufgehängt sind.


References
[1] S. Vasilyan, T. Fröhlich, E. Manske, “Total momentum transfer produced by the photons of a multi-pass laser beam as an evident avenue for optical and mass metrology”, Optics Express, 25, 20798-20816 (2017). DOI: 10.1364/OE.25.020798.

[2] E. Manske, T. Fröhlich, S. Vasilyan, ”Photon momentum induced precision small forces: a static and dynamic check“, Meas. Sci. Technol., 30, 105004 (2019). DOI: 10.1088/1361-6501/ab257e.

[3] S. Vasilyan, N. Rogge, T. Fröhlich, “Metrology in direct photon momentum measurement“, - In: Messunsicherheit - Prüfprozesse 2019. - Düsseldorf : VDI Verlag GmbH (2019), S. 193-205

[4] S. Vasilyan, M. López, N. Rogge et.al. “Revisiting the limits of photon momentum based optical power measurement method, employing the case of multi-reflected laser beam” Metrologia a, 58, 1, 015006 (2021). DOI: 10.1088/1681-7575/abc86e

[5] S. Vasilyan, T. Fröhlich, N. Rogge, “Deploying the high-power pulsed lasers in precision force metrology -- SI traceable and practical force quantization by photon momentum”, arXiv:2205.07042v1, (2022). DOI: 10.48550/arxiv.2205.07042.

[6] PTB-news. Photonenimpuls für die Metrologie.

[7] PTB-Mitteilungen. Optische Leistungsmessungen über Strahlungsdruck.    
     https://www.ptb.de/cms/fileadmin/internet/publikationen/ptb_news/pdf/deutsch/PTBnews_2022_2_d.pdf

 

Contact

Dr.-Ing. Suren Vasilyan / Dr.-Ing. Norbert Rogge / Prof. Eberhard Manske / Prof. Thomas Fröhlich
Technische Universität Ilmenau
Institut für Prozessmess- und Sensortechnik

Suren.Vasilyan@tu-ilmenau.de

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Thomas Froehlich@tu-ilmenau.de

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