"Wir müssen auf energieeffiziente Technologien setzen.“

Interview mit Prof. Martin Ziegler zur biologisch inspirierten Elektronik | Februar 2021

Im Zuge der Energiewende forschen Wissenschaftler weltweit an der Entwicklung energiesparsamer Elektronik. An der TU Ilmenau wollen die Forscher rund um Prof. Martin Ziegler, stellvertretender Sprecher des SFB Neuroelektronik und Leiter des Fachgebiets Mikro- und Nanoelektronische Systeme, Erkenntnisse aus der Informationsverarbeitung in der Biologie auf Elektronik übertragen. Im Interview erklärt er, wie einfache Lebewesen wie Süßwasserquallen zur Entwicklung effizienter Hardware beitragen können.

AnLi Fotografie
Prof. Martin Ziegler

Guten Tag Prof. Ziegler, was genau kann man unter dem Begriff biologisch inspirierte Elektronik verstehen?

Ziegler: Die Informationsverarbeitung, so wie sie heute abläuft, verbraucht eine immense Menge an Energie. Insbesondere für Anwendungen in der modernen Elektronik, wie zum Beispiel für das Maschinelle Lernen als Grundlage der Künstlichen Intelligenz, ist der Energiebedarf heutiger Rechenarchitektur enorm. In der biologisch inspirierten Elektronik wollen wir daher extrem energieeffiziente Hardware entwickeln und dazu die Informationsverarbeitung wie sie in der Biologie stattfindet innerhalb von technischen Systemen nachbilden.


Wie gehen Sie dabei vor und vor welchen Herausforderungen steht die Forschung zu biologisch inspirierter Elektronik aktuell?

Ziegler: Ein großer Knackpunkt ist, dass die Informationsverarbeitung, wie sie in der Biologie abläuft, im Detail noch nicht verstanden ist. Man weiß zum Beispiel nur ansatzweise, wie unser Gehirn Informationen codiert. Das macht eine Nachbildung schwer. In den letzen Jahren sind jedoch in der Neurobiologie sehr große Fortschritte erzielt worden, die uns hier helfen. Aber die Vorgänge in der Biologie sind sehr komplex und nur schwer systematisch zu greifen. Mathematische Modelle können diese nur im Ansatz beschreiben. An der Stelle kann uns aber unser technischer Ansatz helfen, indem wir Vorgänge, wie sie zwischen Nervenzellen ablaufen, in sogenannten festkörperelektronischen Systemen nachbilden und so komplexe Effekte in elektronische Systeme übertragen.


Aktuell sind mehrere Projekte zu dieser Thematik an der TU Ilmenau angesiedelt. Könnten Sie auf diese näher eingehen?

Ziegler: Wir arbeiten an drei großen Projekten. In dem vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Forschungslabor Mikroelektronik Deutschland (ForLab) entsteht zurzeit ein neues Labor für biologisch inspirierte Elektronik an der TU Ilmenau. Diese erweitert unsere technologischen Möglichkeiten undschafft eine in Deutschland einzigartige Infrastruktur für unsere Forschung.

In der von der Carl-Zeiss-Stiftung geförderten Forschergruppe "Memristive Werkstoffe für die neuromorphe Elektronik“ (MemWerk) arbeiten insgesamt sieben Gruppen der TU Ilmenau an der Entwicklung neuer Materialien für biologisch inspirierte Elektronik.

Der Sonderforschungsbereich Neuroelektronik der Deutschen Forschungsgemeinschaft, an dem die TU Ilmenau mit drei Projekten beteiligt ist, baut auf diese Arbeit auf. Zusammen mit acht weiteren wissenschaftlichen Partnerinstitutionen, unter Federführung der Christian-Albrechts Universität zu Kiel, wollen wir biologische Wege der Informationsverarbeitungen an einfachen Lebewesen, wie zum Beispielder Süßwasserqualle, untersuchen und auf die Elektronik übertragen.


Wie wichtig ist hier eine interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Forschungspartnern?

Ziegler: Das ist sehr wichtig und der Schlüssel zuneuen Erkenntnissen in diesem Bereich. Über Jahre hinweg arbeite ich bereits in interdisziplinär aufgestellten Forschungsprojekten mit Kolleginnen und Kollegen aus der Medizin, Biologie, Psychologie, Physik, Chemie, Materialwissenschaften sowie Informatik zusammen.


Ist das Konzept der biologisch inspirierten Elektronik neu?

Ziegler: Die Idee ist nicht neu, aber sie ist sehr aktuell geworden, dadurch, dass die heutige Art der Informationsverarbeitung immer mehr an ihre Grenzen gerät. Die Lösungen im Zusammenhang mit der Industrie 4.0 sind auf eine neue energieeffiziente Hardware angewiesen.


Wie vielversprechend ist dieser Ansatz im Zusammenhang mit der Energiewende?

Ziegler: Es gibt in der Forschung verschiedene Ansatzpunkte das Energieproblem zu lösen. Dazu gehört auch den Energieverbrauch von Elektroniken zu reduzieren. Aktuelle Hochrechnungen zeigen, dass wir in 10 bis 15 Jahren den Energieverbrauch unserer heutigen IT mit der zurzeit produzierten Energie nicht mehr decken können. Stichworte sind hier Digitale Revolution und Künstliche Intelligenz, welche den Energiebedarf so stark erhöhen. Dies verlangt eine stärkere Energieproduktion, wenn wir an den heutigen Technologien festhalten. Gleichzeitig müssen wir aber auch Umweltaspekte wie Kohlenstoffdioxidemissionen berücksichtigen. Am besten packt man daher dieses Problem an, indem man weniger Energie verbraucht und auf Technologien setzt, die energieeffizienter sind. Wir können somit gar nicht anders als energiesparendere Hardware zu entwickeln, weshalb der Ansatz biologisch inspirierter Elektronik derzeit weltweit unheimlich an Aufschwung gewinnt.


Stehen Sie in Ihrer Forschung unter Zeitdruck?

Ziegler: Wir alle stehen unter Zeitdruck, da wir ja nur eine Erde haben und uns fragen müssen wie viel wir dieser noch zumuten können und dürfen. Nimmt man die genannten Hochrechnungen zum zukünftigen Energieverbrauch unserer IT-Welt ernst so bleibt uns nicht viel Zeit um neue markreife Elektroniken zu entwickeln. 15 Jahre von Grundlagenforschung zu einem markreifen Produkt sind eine sehr kurze Zeit. Zudem zeigen Klimamodelle ja klar, dass wir eine weltweite starke Reduktion der Treibhausgase benötigen um unser Klima zu retten. Dies bedeutet wir müssen sofort handeln. Auf der anderen Seite wird durch die Digitalisierung, die durch die Corona Pandemie zurzeit mehr und mehr an Fahrt gewinnt, der Energieverbrauch immer stärker gesteigert. Dies setzt uns unter massivem Zeitdruck.


Ist die Forschung zur biologisch inspirierten Elektronik ein Stück weit ein Alleinstellungsmerkmal der TU Ilmenau?

Ziegler: An der TU Ilmenau sind wir sehr gut aufgestellt. Mit den Großprojekten ForLab, MemWerk, dem Sonderforschungsbereich Neuroelektronik sowie einigen kleineren Projekten haben wir eine kritische Masse an Forschenden an der TU Ilmenau und Kooperationen mit nationalen und internationalen Partnerinstitutionen, um das Thema in der Breite anzugehen. Zudem verfügen wir mit dem Zentrum für Mikro- und Nanotechnologien über eine exzellente Infrastruktur an Laboren und Technologien, die uns international kompetitive machen. Nicht viele Universitäten auf der Welt verfügen über vergleichbare Möglichkeiten, was mich sehr optimistisch stimmt. Das ist bestimmt ein Stück weit ein Alleinstellungsmerkmal von uns in Ilmenau.
 

Das Interview führte Eleonora Hamburg.