Professor Karl Reinisch

   

Prof. Karl Reinisch lehrte und forschte von 1959 bis 1986 an der Technischen Hochschule Ilmenau. Er hat das Institut für Regelungstechnik, später Automatische Steuerungen aufgebaut und bis 1986 geleitet. 1968 hat er die Sektion für Technische und Biomedizinische Kybernetik begründet und war bis 1971 ihr erster Direktor.

Er zählte zu den führenden Wissenschaftlern der DDR und wird als Begründer einer weit geschätzten systemtechnisch geprägten „Regelungstechnischen Schule“ angesehen. Insbesondere angeregt hat Karl Reinisch die Entwicklung von Methoden der Modellbildung und Optimierung zum ganzheitlichen Systementwurf. Strategien zur hierarchischen und mehrkriteriellen Optimierung konnten unter seiner Leitung vor allem zur Bewirtschaftung wasserwirtschaftlicher Systeme und zur Klimasteuerung von Gewächshäusern mit bemerkenswertem Erfolg entwickelt und eingesetzt werden.

Seine Ideenvielfalt und sein Mut zum „Anfassen neuer Probleme“ im Sinne von Norbert Wiener, dem Vater der Kybernetik, haben unserem Institut zu nationaler und internationaler Anerkennung verholfen.

Abschied von Professor Karl Reinisch

   

Die TU Ilmenau trauert um Herrn Prof. em. Dr.-Ing. habil. Dr. E.h. Karl Reinisch, der am 24. Januar 2007 nach langer, schwerer Krankheit im Alter von 85 Jahren verstorben ist.
Die Angehörigen der Technischen Universität und insbesondere der Fakultät für Informatik und Automatisierung werden ihm ein würdiges Andenken bewahren.

Mit Prof. em. Dr.-Ing. habil. Dr. E.h. Karl Reinisch ist ein herausragender Wissenschaftler und Hochschullehrer von uns gegangen. Fachliche Kompetenz und Menschlichkeit waren kennzeichnend für Karl Reinisch, einen prominenten Ilmenauer Wissenschaftler mit Ausstrahlung. Es ist uns aus diesem Anlass ein Bedürfnis, an sein Wirken und Schaffen an der Technischen Universität Ilmenau zu erinnern.

An der neu eröffneten Technischen Hochschule Dresden studierte er Elektrotechnik und begegnete Menschen, die sein eigenes Leben stark geprägt haben: z.B. dem berühmten Barkhausen, dem er die Faszination, die ein bemerkenswerter Hochschullehrer vermitteln kann, verdankte. Ein anderer bekannter Dresdner Lehrer, Prof. Mierdel, gab ihm 1953 den Rat, sich mit den Regelungswissenschaften zu befassen. So entstand die erste Dissertation auf dem Gebiet der Regelungstechnik in der damaligen DDR, die Karl Reinisch 1957 mit dem Thema „Zur Strukturoptimierung linearer stetiger Regelkreise“ bei Prof. Kindler verteidigte. Drei Jahre später folgte er einem Ruf nach Ilmenau. In Erinnerung an die Zeit in Ilmenau schrieb Karl Reinisch anlässlich seines 80. Geburtstages in einem persönlichen Papier sinngemäß: Die damalige Hochschulleitung (Rektor Prof. Stamm) und die Fakultät für Schwachstromtechnik gaben mir die Möglichkeit, ab 1960 das neue Gebiet der Regelungstechnik (das als eine geschlossene Theorie im Wesentlichen erst während des Krieges entstanden war) in Lehre und Forschung nach meinen Vorstellungen zu entwickeln. Die ersten Mitarbeiter waren für dieses Gebiet kaum vorbereitet, aber leistungsfähig und hoch motiviert. Der Anfang war eine wunderbare Pionierzeit.

Trotz seines großen Interesses an der Grundlagenforschung war ihm gleichzeitig an praxisorientierter Ausbildung gelegen. So realisierte er 1965 mit seinen Mitarbeitern das erste Industriepraktikum im Rahmen eines Diplomstudiums, das im Erdölverarbeitungswerk Schwedt stattfand und später im gesamten Elektroingenieurwesen obligatorisch in die Studienpläne eingeführt wurde. Die Möglichkeiten der Hochschulreform 1968 nutzte Karl Reinisch mit Weitblick, um die vier, teilweise neu profilierten Institute: Regelungstechnik, Maschinelle Rechentechnik, Allgemeine und optische Messtechnik sowie Elektromedizinische und radiologische Technik verschiedener Fakultäten zur Sektion für Technische und Biomedizinische Kybernetik (TBK) zusammenzuführen. Es galt als Novum für damalige Hochschulen, dass eine organisatorische Struktureinheit geschaffen worden war, in der die sich auch international formierenden Systemwissenschaften entwickeln konnten. Diese Sektion TBK hat er als erster Direktor drei Jahre geleitet. Nach starker Erweiterung der Informatik prägt übrigens diese Idee auch die heutige Fakultät für Informatik und Automatisierung.

Ein Schwerpunkt der Arbeiten seines Institutes Automatische Steuerung in den 70er und 80er Jahren, dessen Leiter er bis zu seiner Emeritierung im Jahre 1986 gewesen ist, war die optimale Führung komplexer Prozesse in dezentralen, insbesondere hierarchischen Strukturen mit Anwendungen in der Wasserwirtschaft und der Landwirtschaft. Durch diese Arbeiten erlangte er internationale Anerkennung, die u.a. darin zum Ausdruck kam, dass Prof. Reinisch in verantwortliche Funktionen der IFAC (International Federation of Automatic Control) berufen wurde, die er über 15 Jahre ausübte. So erhielt er den Auftrag, das IFAC Symposium „Theorie und Anwendung komplexer Steuerungssysteme“ 1989 mit seinen Mitarbeitern auszurichten.

Was man mit Zahlen, so beeindruckend diese auch sind, aber nicht erfassen kann, ist das, was wir an unserem ehemaligen Chef und Kollegen besonders schätzen und weswegen wir uns ihm und seinem Werk verpflichtet fühlen: Der Ideenspender Karl Reinisch steht für eine „Schule der Technischen Kybernetik/ Systemtechnik“ in Lehre und Forschung gleichermaßen. Besonders für Steuerungsprozesse in der Wasserwirtschaft und beim Pflanzenwachstum konnten ganzheitliche, die innere Dynamik einbeziehende Systemlösungen entwickelt und zur erfolgreichen Anwendung gebracht werden. Solche Fächer, wie Daten- und Prozessanalyse, Modellbildung, Simulation dynamischer Systeme, Parameter- und Strukturoptimierung prägten die systemorientierte Ausbildung. Dafür erhielten er und sein Team auch höchste staatliche Auszeichnungen.

Mit seiner Emeritierung wurde Prof. Reinisch als „Hervorragender Hochschullehrer“ ausgezeichnet. Ende 1989 war Karl Reinisch wieder gefragt, als es um die innere Evaluierung und die strukturellen Umwandlungen ging. In der Zeit von 1990 bis 1992, als Mitglied von zwei Fachkommissionen und als Vertreter der Technischen Hochschule Ilmenau in der Landesstrukturkommission, konnte er dazu beitragen, dass sich der heutigen Technischen Universität neue Entwicklungsmöglichkeiten boten, dass aber auch historisch gewachsene Stärken erhalten bleiben konnten. Er hielt bis 1996 weiterhin Vorlesungen in unserem Institut für Automatisierungs- und Systemtechnik.

Wir, die Professoren und Mitarbeiter des Institutes haben viel von unserem Lehrer, Prof. Karl Reinisch gelernt und sind auch stolz, die Geschichte seines und unseres Institutes in seinem Sinne ein Stück weiter geschrieben zu haben.