AUFBEWAHRUNGSFRISTEN
FREQUENTLY ASKED QUESTIONS
"Die Aufbewahrungsfrist ist der Zeitraum, in dem auf abschließend bearbeitetes Schriftgut ein Rückgriff für Verwaltungszwecke notwendig werden kann."
Heinz Hoffmann, Behördliche Schriftgutverwaltung. Ein Handbuch für das Ordnen, Registrieren, Aussondern und Archivieren von Akten der Behörden, 2. Aufl. München 2000, S. 341.
Der Zeitraum der Aufbewahrung bezieht sich immer auf die Vorhaltung des Schriftgutes in der Registratur oder in einem Zwischenarchiv. Die Aufbewahrungsfrist gilt für jegliches Schriftgut unabhängig vom Trägersystem.
Aus archivischer Sicht sind Aufbewahrungsfristen Mindestfristen. Sollte es im Bearbeitungsinteresse liegen, Schriftgut länger aufzubewahren, ist dies unter Abwägung wirtschaftlicher Belange grundsätzlich möglich. Allerdings sind gerade bei personenbezogenen Daten, die nach Ablauf der Aufbewahrungsfrist zu löschen bzw. dem zuständigen Archiv anzubieten sind, die Regelungen des Datenschutzes (v.a. § 17 DS-GVO) zu beachten. Aus Sicht des Datenschutzes definieren Aufbewahrungsfristen den längstmöglichen Zeitraum.
Aufbewahrungsfristen werden in der Regel durch den Gesetzgeber und Einrichtungen mit rechtssetzender Funktion festgelegt. Nur in jenen Fällen, in denen die Frist nicht geregelt ist, kann der Bearbeiter oder dessen Sachgebiet im Rahmen der gesetzlicher Vorschriften und Abwägung wirtschaftlicher und rechtlicher Belange Dritter die Frist selbst bestimmen.
In der Regel sind Aufbewahrungsfristen in fachspezifischen Rechtsvorschriften fixiert. So legt z.B. die Verordnung zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe – EG1907/2006 (REACH) vom 18. Dezember 2006 fest, wie lange die Dokumentationen über den Umgang mit chemischen Stoffen aufzubewahren sind. Das Handelsgesetzbuch vom 10. Mai 1897 schreibt dagegen die Aufbewahrung von Handels- und Buchungsunterlagen vor.
Darüber hinaus existieren Zusammenstellungen von Fristen verschiedenster Fachgebiete in einer Art Katalog, die für einen bestimmten Zuständigkeitsbereich normierenden Charakter aufweisen. Dazu gehört z.B. die Richtlinie über die Aufbewahrung von Schriftgut in der Verwaltung des Freistaats Thüringen vom 22. Juli 2019 oder der Fristenkatalog der Technischen Universität Ilmenau.
Auch in Aktenplänen oder einem Dokumentenmanagementsystem können Aufbewahrungsfristen hinterlegt sein.
Die Aufbewahrungsfrist beginnt mit Ablauf des Kalenderjahres, in welchem die Bearbeitung des Vorgangs abgeschlossen wurde, und endet am 31.12. des errechneten Kalenderjahres. Der Abschluss der Bearbeitung bezieht sich immer auf den gesamten Vorgang und das Datum der jüngsten Bearbeitung (z.d.A.-Vermerk), nicht auf das Einzeldokument. Wird die Bearbeitung des Vorgangs innerhalb der laufenden Aufbewahrungsfrist wieder aufgenommen, beginnt die Aufbewahrungsfrist mit dem Abschluss der Bearbeitung von vorn.
Beispiel Studentenakte: Die Studentenakte beinhaltet den Vorgang der Verwaltung eines Studenten. Mit der Exmatrikulation des Studenten wird die Bearbeitung beendet, der Vorgang geschlossen. Studentenakten haben an der Technischen Universität Ilmenau eine Aufbewahrungsfrist von 50 Jahren, die v.a. mit der Wahrung rechtlicher Belange der Studenten begründet ist. Auch wenn der Vorgang Unterlagen enthält, welche, wie z.B. Krankenscheine etc., kürzere Aufbewahrungsfristen aufweisen, richtet sich die Bemessung der Aufbewahrungsfrist nach der längsten Frist. Im Fall der Studentenakte ist es das Abschlusszeugnis, welches einer Frist von 50 Jahren unterliegt.
Die Zählung der Aufbewahrungsfrist beginnt, wenn die letzte Bearbeitung am 30.09.2020 erfolgte, am 01.01.2021. Sie endet 50 Jahre später, am 31.12.2071. Erst ab dem 01.01.2072 kann die Studentenakte ausgesondert werden. Entscheidet sich der Student wenige Jahre nach seiner Exmatrikulation für die Fortsetzung des Studiums (z.B. Masterstudium), wird der Vorgang der Studentenverwaltung wieder aufgenommen und die Aufbewahrungsfrist neu berechnet.
Die Bemessung der Aufbewahrungsfrist bezieht sich immer auf den gesamten Vorgang, i.d.R. die Akte. Nicht auf das einzelne zum Vorgang gehörende Dokument.
Würden Sie die Frist dokumentenweise berechnen und entsprechend aussondern, würden Sie nicht nur mit hohem Aufwand mehrfach die Akte zur Hand nehmen müssen, um die einzelnen Dokumente zu entfernen, bis auch das letzte Dokument mit der längsten Aufbewahrungsfrist ausgesondert werden kann. Sie würden, und dies ist ausschlaggebend, den Vorgang auseinanderreißen, so dass er im ungünstigsten Falle nicht mehr nachvollziehbar ist. Dies widerspricht den sich aus dem Grundgesetz (Art. 3 Abs. 1 und 20 Abs. 3) und der Rechtsprechung ergebenen Prinzipien der Aktenführung (DIN ISO 15489-1).
Aus diesem Grund ist der Bezugspunkt für die Fristbemessung dasjenige Dokument eines Vorgangs mit der längsten Aufbewahrungsfrist. Die Frist beginnt mit der abschließenden Bearbeitung des Vorgangs und bezieht sich stets auf den gesamten Vorgang.
Wenn Sie mit einem Aktenplan oder einem Dokumentenmanagementsystem arbeiten, ist Ihnen bereits mit der Anlage eines Vorgangs die Aufbewahrungsfrist bekannt. Verfügen Sie nicht über diese Instrumente, sollten Sie die Frist spätestens mit dem Abschluss der Vorgangsbearbeitung ermittelt haben bzw. festlegen, so diese nicht explizit geregelt ist.
Aufbewahrungsfristen ermöglichen einen transparenten, rechtssicheren und effizienten Umgang mit Daten.
Schriftgut wird nur so lange aufbewahrt, wie es erforderlich ist.
Sowohl für den Bearbeiter als auch Dritte ist nachvollziehbar, wo und wie lange Daten aufbewahrt werden.
Die Aussonderung der Daten kann vereinfacht bzw. teilautomatisiert werden.
Nach Ablauf der Aufbewahrungsfrist erfolgt die Aussonderung des Vorgangs bzw. der Akte. Dies kann auf zwei Wegen geschehen.
Wenn Sie einem zuständigen Archiv gegenüber verpflichtet sind, Ihre Unterlagen anzubieten, wie z.B. alle Struktureinheiten der Technischen Hochschule Ilmenau gegenüber dem Universitätsarchiv Ilmenau anbietungspflichtig sind, besteht die Aussonderung in eben dieser Anbietung. Das Verfahren ist entweder in den Archivgesetzen oder Satzungen geregelt oder wurde mit Ihnen vereinbart.
Unterliegen Sie keiner Anbietungspflicht oder handelt es sich um Unterlagen, die Sie nach Abstimmung mit einem Archiv ohne Anbietung selbständig vernichten können, besteht die Aussonderung in der ordnungsgemäßen Vernichtung dieser Unterlagen.
Sowohl die Abgabe an das zuständige Archiv als auch die Vernichtung sollten Sie entsprechend dokumentieren.
Während die Aufbewahrungsfrist läuft ist sicherzustellen, dass der Vorgang unverändert, lesbar und vollständig bleibt. Die schließt in der Regel den kontrollierten Zugriff ein. Im Falle der elektronischen Aktenführung, der üblichen Fileablage auf Laufwerken oder der Aufbewahrung von Daten in Fachverfahren ist dies durch die Anreicherung mit Metadaten und einem strengen Rolle- und Rechtemanagement zu gewährleisten. Insbesondere bei langen Aufbewahrungsfristen sind Erhaltungsstrategien zu berücksichtigen.
Ist die Aufbewahrung von Schriftgut nicht explizit geregelt, hat der Bearbeiter oder dessen Sachgebiet die Möglichkeit, Fristen nach eigenem Ermessen festzulegen.
In der Regel ist ein entsprechender gesetzlicher Rahmen vorgegeben. So schreibt z.B. die Thüringer Aufbewahrungsrichtlinie vor, dass Schriftgut, welches der Bedeutung nach einer längeren Aufbewahrungsfrist als 1 Jahr bedarf, 5 Jahre aufzubewahren ist. Schriftgut, welches der Bedeutung nach keine längere Aufbewahrung erfordert, lediglich 1 Jahr aufzubewahren ist. (4.3 ThürAufbewRL)
Die Fristbemessung sollte dann v.a. erfolgen nach dem Grad der Zuständigkeit (federführend oder mitwirkend), dem Stand der Vorgangsbearbeitung (vorbereitend oder abschließend) der Sicherung von Rechten und Pflichten sowie unter Berücksichtigung wirtschaftlicher Aspekte. (4.4 ThürAufbewRL)
Der mögliche historische Wert ist für die Fristbemessung nicht relevant.
Das aus dem Rechtsstaatsprinzip des Grundgesetzes abgeleitete Gebot
der Transparenz und Nachvollziehbarkeit des Verwaltungshandelns legt den öffentlichen
Verwaltungen die Pflicht zur Führung von wahrheitsgetreuen, vollständigen und nutzbaren
Akten auf.
Aufbewahrungsfristen helfen bei der Umsetzung dieses Gebots.